OGH 2Ob194/50

OGH2Ob194/5018.10.1950

SZ 23/295

Normen

ABGB §91
ABGB §1006
ABGB §1238
ABGB §1325
ABGB §91
ABGB §1006
ABGB §1238
ABGB §1325

 

Spruch:

Die dem Ehemann gemäß § 1238 ABGB. eingeräumte Vertretungsmacht bezieht sich nicht auf die Geltendmachung rein persönlicher Ansprüche, wie z. B. auf Schmerzengeld. Das Verlangen nach Schmerzengeld muß vom Beschädigten selbst ausgehen und kann auch von einem Rechtsanwalt ohne besonderen Auftrag nicht gestellt werden.

Entscheidung vom 18. Oktober 1950, 2 Ob 194/50.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Oberlandesgericht Graz.

Text

Maria W. wurde bei einem Kraftwagenunfall am 6. Jänner 1949 schwer verletzt und bewußtlos. Sie starb am 12. Jänner 1949, ohne das Bewußtsein wieder erlangt zu haben. Am 11. Jänner 1949 brachte der Klagevertreter, der im Besitz einer im Jahre 1948 von der Klägerin ausgestellten allgemeinen Prozeßvollmacht war, im Auftrag ihres Gatten gegen die Beklagten als Halter der an dem Unfall beteiligten Kraftfahrzeuge eine Klage auf Zahlung eines Schmerzengeldes ein.

Das Erstgericht wies die Klage ab, weil die Klägerin das Schmerzengeld nicht "verlangt" habe.

Das Berufungsgericht hob das angefochtene Urteil auf und gab der Meinung Ausdruck, daß der Gatte der Klägerin gemäß § 91 ABGB. berechtigt und verpflichtet gewesen sei, für sie, da sie einer Äußerung, ob sie Schmerzengeld verlange, nicht fähig gewesen sei, den Anspruch zu stellen. Der Schmerzengeldanspruch habe zum freien Vermögen der Klägerin gehört, so daß ihr Gatte auch als Verwalter dieses Vermögens zum Verlangen nach Schmerzengeld berechtigt gewesen sei. Schließlich sei auch der Klagevertreter berechtigt gewesen, nach der ihm erteilten Vollmacht den Schmerzengeldanspruch zu erheben und dem vermutlichen Willen der Klägerin entsprechend zu handeln.

Der Oberste Gerichtshof hat dem Rekurs der beklagten Partei gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes Folge gegeben, den Aufhebungsbeschluß aufgehoben und die Rechtssache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die in der älteren Entscheidung vom 12. August 1879, GlU. 7556, vertretene Ansicht, daß der Ehegatte nach § 91 ABGB. berechtigt sei, im Namen seiner nicht handlungsfähigen Gattin, für die ein Kurator noch nicht bestellt ist, gemäß § 91 ABGB. Schmerzengeld zu verlangen und einzuklagen, wurde in der späteren Rechtsprechung nicht aufrechterhalten (E. v. 16. Juli 1913, GlUNF. 6530). Die Entscheidung, ob und in welcher Höhe der Beschädigte ein Schmerzengeld beanspruchen will, muß ihm persönlich überlassen bleiben, wie aus dem Wortlaute und der Entstehungsgeschichte der bezüglichen Gesetzesstellen hervorgeht (vgl. die ausführliche Begründung der Entscheidung GlUNF. 6530). Der Ehemann ist nicht der gesetzliche Vertreter der Ehegattin (Lenhoff in Klangs Kommentar zum ABGB., I/1, S. 574). Die ihm nach § 1238 ABGB. eingeräumte Vertretungsmacht bezieht sich nicht auf die Geltendmachung rein persönlicher Ansprüche wie den Anspruch auf das Schmerzengeld (Klang, I/1, S. 575). Ein Dritter, der nicht gesetzlicher Vertreter ist, kann für den Beschädigten kein Schmerzengeld verlangen (Wolff in Klangs Kommentar, 1. Aufl., IV, S. 139). Auch der Rechtsanwalt des Beschädigten kann das Schmerzengeld ohne einen besonderen Auftrag zur Geltendmachung nicht verlangen. Das Verlangen nach Schmerzengeld muß vom Beschädigten selbst ausgehen (GlUNF. 6530). Da es an diesem gesetzlichen Erfordernis fehlt, wurde das Klagebegehren vom Erstgericht mit Recht abgewiesen.

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