OGH 1Ob231/50

OGH1Ob231/5018.10.1950

SZ 23/291

Normen

Kündigungsschutz-Ausführungsverordnung vom 5. September 1939. DRGBl. I S. 1671 §7
Fünfte Kündigungsschutz-Ausführungsverordnung vom 14. August 1940. DRGBl. I S. 1104 §2
Mietengesetz §1
Reichspachtschutzordnung §1
Kündigungsschutz-Ausführungsverordnung vom 5. September 1939. DRGBl. I S. 1671 §7
Fünfte Kündigungsschutz-Ausführungsverordnung vom 14. August 1940. DRGBl. I S. 1104 §2
Mietengesetz §1
Reichspachtschutzordnung §1

 

Spruch:

Gärtnerisch genutzte Flächen sind keine Räume im Sinne des § 7 der Verordnung vom 5. September 1939; Pachtverträge über Grundstücke, die zum Erwerbsgartenbau verpachtet werden, sind Landpachtverträge und unterliegen der Reichspachtschutzordnung.

Wirtschaftsräume, die in einem Landpachtvertrag zum Gebrauche oder zur Nutzung überlassen wurden, unterliegen den Bestimmungen der Reichspachtschutzordnung.

Die Anwendung des Mietengesetzes ist ausgeschlossen, wenn auf das Rechtsverhältnis die Reichspachtschutzordnung anzuwenden ist.

Entscheidung vom 18. Oktober 1950, 1 Ob 231/50.

I. Instanz: Bezirksgericht Villach; II. Instanz: Landesgericht Klagenfurt.

Text

Die klagenden Parteien haben der beklagten Partei "Garten, Grundstücke und das zugehörige Gewächshaus wegen vertragswidriger Unterverpachtung, Eigenbedarf und mangelnden Bedarfes für die allfälligen Erben" unter Zitierung des § 19 Abs. 2 Z. 11 MietG. aufgekundigt.

Das Erstgericht hat die Aufkündigung aufgehoben. Es hat eine Raumpacht im Sinne des § 7 der Vdg. vom 5. September 1939, DRGBl. I S. 1671, angenommen und das Vorliegen der geltend gemachten Kündigungsgrunde verneint. Das Berufungsgericht hat die Anwendbarkeit des § 7 leg. cit. verneint, das aufgekundigte Pachtverhältnis der Reichspachtschutzordnung (RPSchO.) unterstellt und die Kündigung als wirksam erkannt.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Rechtsrüge der Revision geht fehl. Unbestritten ist, daß auf den aufgekundigten Grundstücken seit langer Zeit die Handelsgärtnerei betrieben wird. Was als Raum im Sinne des § 7 KSchAusfV. anzusehen ist, ist aus § 1 Abs. 1 MietG. zu schließen (dort heißt es "Geschäftsräumlichkeiten"). Gärtnerisch genutzte Flächen sind keine Räume im Sinne dieser Gesetzesstelle (Pfundtner - Neubert, Österr. Ausg., II b 7, S. 16). Der Erwerbsgartenbau gehört zur Landwirtschaft im Sinne der Reichspachtschutzordnung (§ 1 Abs. 3 RPSchO.). Pachtverträge über Grundstücke, die zum Erwerbsgartenbau verpachtet werden, sind daher Landpachtverträge (§ 1 Abs. 2 RPSchO.) und unterliegen gemäß § 1 Abs. 1 RPSchO. der Reichspachtschutzordnung. Erwerbsgartenbau ist der erwerbsmäßige Anbau von Kulturpflanzen aller Art, der dann vorliegt, wenn die gezogenen Früchte nicht der Selbstversorgung des Pächterhaushaltes dienen, sondern die Tätigkeit des Pächters zu einer ständigen (wenn auch nebenberuflichen) Einkommensquelle wird (Sauer - Weisser, RPSchO., 1943, S. 74). Bei einer Handelsgärtnerei liegt daher jedenfalls Erwerbsgartenbau vor. Pachtschutz schließt aber Mieterschutz aus (Sauer - Weisser, a. a. O., S. 80, Anm. Nr. 57). Soweit also das aufgekundigte Bestandobjekt aus gärtnerisch genutzten Flächen besteht, kommt eine auf § 7 KSchAusfV. gestützte Anwendung der Bestimmungen des Mietengesetzes nicht in Frage. Es bleibt die Frage zu erörtern, ob das zur Gärtnerei gehörige Gewächshaus die Anwendung dieser Bestimmungen rechtfertigt. Auch das trifft nicht zu. Die Mitverpachtung von Wirtschaftsräumen schließt nach § 1 Abs. 4 RPSchO. die Anwendung der Reichspachtschutzordnung nicht aus. Daß diese Wirtschaftsräume der wirtschaftliche Mittelpunkt der Pachtgrundstücke sind (wie z. B. der Wirtschaftshof auf dem verpachteten Bauerngut) schadet nicht. Das Gewächshaus in einer Handelsgärtnerei ist wirtschaftlich nicht von selbständiger, überwiegender Bedeutung gegenüber den Gartengrundstücken. Diese sind nicht etwa nur ein wirtschaftlich unerhebliches Anhängsel des Gewächshauses. Das Gewächshaus dient vielmehr der gärtnerischen Nutzung der Grundstücke. Der Hinweis des Berufungsgerichtes darauf, daß nach dem vorliegenden unbestrittenen Pachtvertrag das Gewächshaus eine Fläche von 139.5 m2 bedeckt, gegenüber 1430 m2 Gartenfläche, also nicht einmal ein Zehntel der Gartenfläche, ist dazu eine eindringliche, wenn auch gar nicht notwendige Illustration. Wirtschaftsgebäude, die der gärtnerischen Nutzung dienen, Wirtschaftsräume, die in einem Landpachtvertrag zum Gebrauch oder zur Nutzung überlassen werden, unterfallen der Reichspachtschutzordnung und kommt die Anwendung der Mieterschutzvorschriften nicht in Frage (Sauer - Weisser, a. a. O., S. 83, Nr. 64, Pritsch, Das Pachtnotrecht, 1941, S. 23, Pfundtner - Neubert, II b 7, S. 16).

Damit erscheinen aber die Ausführungen der Revision zum Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erledigt. Gerade, daß es sich bei der gegenständlichen Gärtnerei um einen Gewerbebetrieb handelt, unterstellt sie, wie erwähnt, als Erwerbsgärtnerei der Reichspachtschutzordnung. Daß das Gewächshaus als Zubehör der Gartengrundstücke anzusehen ist, in dem Sinne, daß es der gärtnerischen Nutzung dieser Grundstücke dient, also Wirtschaftsraum im Sinne des § 1 Abs. 4 RPSchO. ist, wurde ebenfalls schon erörtert. Vollkommen abwegig sind die Revisionsausführungen betreffend die Anwendung des § 2 der 5. KSchAusfV. Die Vorschriften dieser Gesetzesstelle hatten für Österreich nie praktische Bedeutung, da die darin bezeichneten Grundstücke schon durch das Mietengesetz einen ausreichenden Kündigungsschutz genossen (Pfundtner - Neubert, II b 7, S. 21). Daß sie unter gewerblich genützten unbebauten Grundstücken nicht im Rahmen eines Gewerbebetriebes mit Kulturpflanzen bebaute Grundstücke verstehen wollen, geht schon daraus hervor, daß, wie ausgeführt, der erwerbsmäßige Anbau von Kulturpflanzen aller Art als erwerbsmäßiger Gartenbau ausdrücklich der Reichspachtschutzordnung unterstellt wird, was, wie ebenfalls bereits ausgeführt, die Anwendung jener Mieterschutzbestimmungen ausschließt, die durch die erwähnten Vorschriften auf unbebaute Grundstücke ausgedehnt werden sollen.

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