OGH 1Ob168/50

OGH1Ob168/5013.10.1950

SZ 23/288

Normen

ABGB §828
EO §37
Mietengesetz §19 Abs2 Z10
ABGB §828
EO §37
Mietengesetz §19 Abs2 Z10

 

Spruch:

Die Benützungsbefugnis an einer bestimmten Wohnung kraft Miteigentumsrechtes ist der Ausübung nach übertragbar und ist ein Recht, das im Sinne des § 37 EO. die Vornahme der Exekution unzulässig macht.

Entscheidung vom 13. Oktober 1950, 1 Ob 168/50.

I. Instanz: Bezirksgericht Hernals; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Der beklagte Rudolf J. und Alfred J. sind Eigentümer des Hauses in Wien, X., A-Gasse 7, und zwar letzterer zu ein Achtel und ersterer zu sieben Achtel Anteilen. Die im Hause befindliche, aus drei Zimmern, ein Kabinett, eine Küche und einem Vorzimmer bestehende elterliche Wohnung wurde von beiden Brüdern J. nach dem Tode der Eltern ohne besondere Vereinbarung bewohnt. Als Alfred J. die Klägerin im Jahre 1947 heiratete, benützten diese beiden ein Zimmer und eine Küche von obiger Wohnung allein; im Sommer 1948 hat Alfred J. diese beiden Räume von der früheren elterlichen Wohnung dadurch abgetrennt, daß eine Ziegelwand zwischen den Doppeltüren aufgestellt wurde, wobei der Türstock und die Tür erhalten blieb. Irgendeine Vereinbarung wurde zwischen beiden Brüdern nicht abgeschlossen, zumal sie infolge einer vermögensrechtlichen Auseinandersetzung miteinander überhaupt nichts gesprochen haben. In der halbjährig durchgeführten Abrechnung wurde jeweils der Zins für die frühere ganze elterliche Wohnung angeführt und ebenso der auf Alfred J. entfallende Anteil am Zins verrechnet.

Im Jahre 1948 wurde zu 13 Cg 712/48 des Landesgerichtes für ZRS. Wien von Alfred J. eine Scheidungsklage gegen seine Gattin eingebracht und wurde diese Ehe auch geschieden, wobei das Urteil am 4. Mai 1949 in Rechtskraft erwachsen ist.

Im Laufe des Scheidungsverfahrens schlossen die Ehegatten über die vermögensrechtlichen Ansprüche einen außergerichtlichen Vergleich, in welchem sich Alfred J. verpflichtete, seiner Gattin die bisherige Wohnung zu überlassen. Bereits Ende 1948 ist Alfred J. aus der Wohnung ausgezogen und hat diese der Klägerin überlassen. Alfred J. hat noch vor dem 4. Mai 1949 seinem Bruder diesbezüglich Mitteilung gemacht, welche Erklärung aber der Beklagte nicht zur Kenntnis genommen hat.

Zu 2 K 186/49 des Bezirksgerichtes Hernals hat der Beklagte am 6. Mai 1949 eine Aufkündigung der gegenständlichen Wohnung gegen Alfred J. überreicht, die mangels Erhebung von Einwendungen in Rechtskraft erwachsen ist. Auf Grund dieser in Rechtskraft erwachsenen Aufkündigung führte nunmehr der Beklagte gegen seinen Bruder Alfred J. Exekution auf Räumung der gegenständlichen Wohnung.

Das Erstgericht hat die von der geschiedenen Gattin des Alfred J. erhobene, auf § 37 EO. gestützte Klage, wonach die Klägerin Hauptmieterin der von der Räumung betroffenen Wohnung sei, abgewiesen. Es führte in rechtlicher Beziehung aus, daß zwischen Alfred J. und seinem Bruder Rudolf J. ein Bestandvertrag über die gegenständliche Wohnung nicht zustandegekommen sei und Alfred J. kraft seines Miteigentumsrechtes die Wohnung benützt habe. Bestand aber kein Mietvertrag, so habe auch Alfred J. als Gatte der Klägerin nicht die Möglichkeit gehabt, eine Erklärung gemäß § 19 Abs. 2 Z. 10 MietG. abzugeben. Da mit Zustimmung des Klägers als Mehrheitseigentümer ein Bestandvertrag nicht zustandegekommen sei, stehe der Klägerin auch kein Recht zu, welches die Vornahme der Räumungsexekution unzulässig mache.

Der von der Klägerin erhobenen Berufung hat das Berufungsgericht Folge gegeben und in Abänderung des angefochtenen Urteiles der Exszindierungsklage stattgegeben.

Unter Übernahme der erstrichterlichen Feststellungen und der Beweiswürdigung führte das Berufungsgericht aus, daß bei Entscheidung der vorliegenden Rechtssache davon auszugehen sei, daß zwischen beiden Brüdern J. hinsichtlich der gegenständlichen Wohnung ein Bestandvertrag nicht abgeschlossen worden ist, sodaß Alfred J. kraft seines Miteigentumsrechtes die Räume bewohnte. Diese Benützungsbefugnis habe Alfred J. zumindestens der Ausübung nach der Klägerin übertragen, was rechtlich möglich sei, da das Gebrauchsrecht des einzelnen Miteigentümers, wie jedes höchstpersönliche Recht, Gegenstand des rechtsgeschäftlichen Verkehres sein könne. Solange das aus dem Miteigentumsrecht abhängige Benützungsrecht des Alfred J. aufrecht sei, bestehe auch das abgeleitete Recht der Klägerin, welches Recht sich als ein tauglicher Exszindierungsgrund darstelle.

Möge auch der Beklagte dem Alfred J. die Wohnung aufgekundigt haben, so sei dadurch keineswegs festgestellt, daß zwischen den beiden ein Mietvertrag abgeschlossen worden sei, da das Gegenteil sich aus dem gegenständlichen Verfahren ergeben habe. Auch könne in dem Umstand, daß gegen die Aufkündigung keine Einwendung erhoben worden sei, nicht eine stillschweigende Zustimmung des Alfred J. zur Änderung des Benützungsrechtes erblickt werden, weil die Kündigung nicht die geeignete Form sei, eine Änderung der Benützungsrechte festzulegen, zumal Alfred J. ja tatsächlich die Wohnung seiner Gattin überlassen habe.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Rechtsrüge kommt Berechtigung nicht zu. Bei Entscheidung der vorliegenden Rechtssache ist davon auszugehen, daß zwischen den beiden Brüdern J. anläßlich der gemeinsamen Benützung der früheren elterlichen Wohnung, aber auch anläßlich der Teilung dieser Wohnung eine besondere Vereinbarung nicht getroffen wurde. Wenn daher die unteren Instanzen auf Grund dieses Sachverhaltes ausführen, daß zwischen den beiden Miteigentümern hinsichtlich der gegenständlichen Wohnung ein Mietvertrag nicht zustandegekommen ist, sondern Alfred J. diese Wohnung kraft seines Eigentumsrechtes benützte, wird diese rechtliche Beurteilung vom Obersten Gerichtshof geteilt, da von einem Bestandvertrag, wenn ein Miteigentümer im gemeinsamen Hause wohnt, nur dann gesprochen werden kann, wenn die Parteien die Wirkung eines solchen Bestandvertrages hervorbringen wollten, also mehr beabsichtigten als eine bloße Gebrauchsregelung (JBl. 1934, S. 211, 432).

Wenn in diesem Zusammenhang der Revisionswerber meint, daß aus dem Umstand, daß Alfred J. gegen die Aufkündigung keine Einwendung erhoben hat, sich ergebe, daß zwischen beiden Brüdern J. über die gegenständliche Wohnung ein Bestandvertrag abgeschlossen worden sei, so gehen diese Ausführungen fehl. Ob ein Bestandvertrag vereinbart wurde, hat das Gericht zu beurteilen, das diesbezüglich nicht an das Vorbringen und an das prozessuale Verhalten einer Partei in einem anderen Verfahren gebunden ist.

Der Oberste Gerichtshof teilt aber auch die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß ein Miteigentümer, der kraft Gemeinschaftsrechtes eine Wohnung benützt, dieses Recht auf Benützung der Ausübung nach auf einen anderen übertragen kann, da dieses Benützungsrecht einer bestimmten Wohnung eine unbeschränkte Gebrauchsmöglichkeit gewährt und der andere Miteigentümer hiedurch nicht berührt wird. Mit Recht verweist das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang darauf, daß das aus der Benützungsbefugnis fließende Gebrauchsrecht wie jedes andere Recht Gegenstand des rechtsgeschäftlichen Verkehres sein kann. Wenn sich auch das Recht der Klägerin auf Benützung der Wohnung nur von dem Rechte ihres geschiedenen Gatten Alfred J. ableitet, so besteht es so lange, als das Recht des letzteren auf Benützung der Wohnung kraft seines Eigentums aufrecht ist.

Dieses Benützungsrecht der Klägerin aber stellt sich als ein Exszindierungsgrund dar, da durch die Exekution auf Räumung in die Rechte des Alfred J. und im weiteren Sinn in die Rechte der Klägerin auf Benützung der Wohnung eingegriffen wird. Mit Recht hat daher das Berufungsgericht die Exekution auf Räumung für unzulässig erklärt und war daher der Revision der Erfolg zu versagen.

Stichworte