OGH 1Ob125/50

OGH1Ob125/5028.9.1950

SZ 23/271

Normen

EO §35
Wohnungsanforderungsgesetz §14
Wohnungsanforderungsgesetz §17
ZPO §503 Z4
EO §35
Wohnungsanforderungsgesetz §14
Wohnungsanforderungsgesetz §17
ZPO §503 Z4

 

Spruch:

Erlangt der Ehegatte der zur Räumung der ehelichen Wohnung wegen Wegfalles des Benützungsrechtes Verpflichteten nachträglich selbst ein Benützungsrecht und damit die Verpflichtete ein davon abgeleitetes Benützungsrecht, so stellt dies für die Verpflichtete einen Oppositionsgrund dar.

Entscheidung vom 28. September 1950, 1 Ob 125/50.

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Das Erstgericht hat im Urteil vom 8. August 1949 die gegen die klagende Partei geführte Räumungsexekution mit der Begründung für unzulässig erklärt, nach Schluß des erstinstanzlichen Verfahrens im Titelprozeß sei die Wohnung am 24. Februar 1949 dem Engelbert P., dem Gatten der Klägerin, gemäß § 17 WAG. zugewiesen und von diesem am 9. März 1949 mit dem Hauseigentümer ein Hauptmietvertrag abgeschlossen worden; dadurch habe Engelbert P. ein selbständiges Recht auf Benützung der streitgegenständlichen Wohnung erlangt, von dem wieder die Beklagte ihr Benützungsrecht ableite.

Das Berufungsgericht bestätigte mit dem angefochtenen Urteil diese Entscheidung und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 10.000 S übersteige. In den Entscheidungsgründen führte es aus, daß es sich um eine Klage nach § 35 EO. handle, zu deren Erhebung die Klägerin als verpflichtete Partei im Räumungsexekutionsverfahren allein legitimiert sei, daß der Anforderungsbescheid vom 25. März 1948 zufolge Bestätigung mit Bescheid des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom 31. Jänner 1949 in Rechtskraft erwachsen sei und daß der erhobenen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof keine aufschiebende Wirkung zuerkannt werden könne, daß die klagende Partei mit ihrer im Titelprozeß erhobenen Einwendung, die Wohnung sei angefordert worden, nicht habe durchdringen können, weil die Anforderung erst durch die Bestätigung mit Bescheid des Bundesministeriums vom 31. Jänner 1949, also nach dem Schluß der Verhandlung erster Instanz im Titelprozeß, rechtskräftig geworden sei, und daher die Voraussetzungen des § 35 EO., daß die Tatsache im Titelprozeß nicht habe geltend gemacht werden können, erfüllt seien, ferner, daß durch die rechtskräftige Anforderung und die Zuweisung der Wohnung am 24. Februar 1949 der bis dahin bestandene Hauptmietvertrag des Beklagten an der Wohnung aufgelöst worden sei, weil das in der damals geltenden Fassung des Wohnungsanforderungsgesetzes vorgesehene weitere Erfordernis der Wohnungsübergabe an den Zugewiesenen dadurch erfüllt sei, daß Engelbert P. den Mietgegenstand schon seit langem benützte, daß überdies das Erfordernis der Übergabe mit dem Inkrafttreten der Wohnungsanforderungsnovelle 1949 weggefallen und daher zumindest in diesem Zeitpunkt der Hauptmietvertrag des Beklagten und damit auch der daraus abgeleitete Räumungsanspruch erloschen sei. Weiters sei Engelbert P. seit 9. März 1949 Hauptmieter der Wohnung und die Klägerin als dessen Gattin auf Grund familienrechtlicher Bindung zum neuen Hauptmieter, also aus einem neuen Rechtstitel, berechtigt, die Wohnung zu benützen, der geeignet sei, die Exekutionsführung gegen die Klägerin aus dem Titel der rechtskräftigen Aufkündigung des Untermietverhältnisses zumindest für die Dauer des Bestandes der Ehe zu hemmen, wenn nicht gar zur Aufhebung zu bringen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Klägerin ist Verpflichtete im Räumungsexekutionsverfahren und stützt ihr Klagebegehren auf das von dem Hauptmietrechte ihres Gatten abgeleitete, ihr als Ehefrau zustehende Benützungsrecht an der streitgegenständlichen Wohnung. Sie ist daher zur Erhebung der Vollstreckungsgegenklage um so mehr legitimiert, als die Legitimation selbst dem Afterbestandnehmer hinsichtlich der Räumungsexekution gegen den früheren Hauptbestandnehmer von der Rechtsprechung zuerkannt wurde (vgl. E. v. 21. Jänner 1925, SZ. VII/22). Zur Frage der Geltendmachungund Berücksichtigung einer neuen, erst nach Erhebung der Oppositionsklage eingetretenen Tatsache, nämlich des Wegfalles des Erfordernisses der Übergabe nach § 14 Abs. 4 WAG. mit dem Inkrafttreten der Wohnungsanforderungsgesetznovelle 1949, ist darauf zu verweisen, daß die Klagerin nach § 35 Abs. 3 EO. nur mit jenen Einwendungen präkludiert ist, die sie schon im Zeitpunkt der Klagserhebung hätte vorbringen können. Dazu, sie mit den weiteren Einwendungen auf eine neue Klage zu verweisen, bietet der Wortlaut des § 35 EO. keinerlei Anhaltspunkt und würde dies auch der Prozeßökonomie widerstreiten (vgl. E. v. 8. Juni 1920, SZ. II/54, v. 16. Jänner 1934, 1 Ob 610/33, JBl. 1934, S. 172). Die klagende Partei konnte daher in der Streitverhandlung vom 7. Juli 1949 noch geltend machen, daß nach § 14 Abs. 4 WAG. in der Fassung der Novelle 1949 bestehende Mietverträge als mit dem Tage der Rechtskraft der Anforderungen aufgelöst gelten, ohne daß es der Übergabe des Bestandgegenstandes bedarf. Da die Anforderung erst mit Bescheid des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom 31. Jänner 1949 bestätigt und damit rechtskräftig wurde, konnte die Klägerin die Auflösung des Mietvertrages des Beklagten durch die rechtskräftige Anforderung nicht mehr in der Verhandlung erster Instanz im Titelprozeß, wozu nach der Feststellung des Berufungsgerichtes spätestens am 22. Juli 1948 Gelegenheit war, vorbringen, so daß die Voraussetzungen für die Geltendmachung mit Oppositionsklage gegeben waren, dies um so mehr, als das Erfordernis der Übergabe der Wohnung überdies erst mit dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 24. Februar 1949, BGBl. Nr. 69, weggefallen ist und die Wohnung nach dem eigenen Vorbringen des Revisionswerbers von ihm nicht übergeben worden ist. Die klagende Partei macht aber als Oppositionsgrund nicht nur das mit Rechtskraft der Anforderung und dem Wegfall des Erfordernisses der Übergabe der Wohnung mit dem Inkrafttreten der WAGNov. 1949 eingetretene Erlöschen des Mietvertrages des Beklagten und seines damit verbundenen Räumungsanspruches geltend, sondern beruft sich überdies auf das ihr als Ehegattin des nunmehrigen Hauptmieters zustehende Benützungsrecht. Mag nun selbst das Erlöschen des Mietverhältnisses des Beklagten im Hinblick darauf, daß die Wohnungsanforderungsgesetznovelle 1949 am 1. April 1949 in Kraft getreten und von Engelbert P. der Mietvertrag bereits am 9. März 1949, also vorher abgeschlossen worden und damit die Anforderung außer Kraft getreten ist, mangels vollzogener Übergabe nicht eingetreten sein, so ist doch jedenfalls Engelbert P. am 9. März 1949 Hauptmieter der Wohnung geworden und hat spätestens damit die Klägerin als dessen Ehegattin ein Benützungsrecht an der Wohnung erworben, das dem Räumungsanspruch des Beklagten, der auf die Auflösung seines Bestandvertrages mit der Klägerin, also auch auf den Wegfall des früheren Benützungsrechtes der Klägerin begrundet ist, den Boden entzogen hat (vgl. SZ. VII/22). Die nachträgliche Aufhebung des Anforderungsbescheides mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Mai 1950 kann vom Obersten Gerichtshof nicht berücksichtigt werden. Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes ist daher zumindest in letzterer Hinsicht zutreffend.

Der auf den Revisionsgrund des § 503 Z. 4 ZPO. gestützten Revision des Beklagten mußte daher ein Erfolg versagt bleiben.

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