OGH 2Ob116/50

OGH2Ob116/5027.9.1950

SZ 23/266

Normen

ABGB §7
Gesetz über die erweiterte Zulassung von Schadenersatzansprüchen bei Dienst- und Arbeitsunfällen vom 7. Dezember 1943. DRGBl. I S. 674 §1
Kraftfahrgesetz 1947 §1
Kraftfahrzeugverkehrsgesetz §7
Reichsversicherungsordnung §898
Reichsversicherungsordnung §899
ZPO §503 Z2
ABGB §7
Gesetz über die erweiterte Zulassung von Schadenersatzansprüchen bei Dienst- und Arbeitsunfällen vom 7. Dezember 1943. DRGBl. I S. 674 §1
Kraftfahrgesetz 1947 §1
Kraftfahrzeugverkehrsgesetz §7
Reichsversicherungsordnung §898
Reichsversicherungsordnung §899
ZPO §503 Z2

 

Spruch:

Zur Haftung nach den §§ 898 f. Reichsversicherungsordnung.

Entscheidung vom 27. September 1950, 2 Ob 116/50.

I. Instanz: Kreisgericht Wels; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.

Text

Der Kläger verlangt vom Beklagten den Ersatz des Schadens, der ihm aus der Verletzung entstanden ist, die er am 1. März 1945 als Insasse des dem Alfons W. gehörigen Personenkraftwagens durch Zusammenstoß mit dem vom Beklagten gelenkten Werksautobus der A-Werke erlitten hat.

Das Erstgericht hat mit Zwischenurteil den Klagsanspruch als dem Gründe nach zu Recht bestehend erkannt.

Das Berufungsgericht hat dagegen in Abänderung des Ersturteiles erkannt, daß der Klagsanspruch dem Gründe nach nicht zu Recht bestehe und hat das Klagebegehren abgewiesen.

Der Oberste Gerichtshof hat der dagegen gerichteten Revision des Klägers nicht Folge gegeben.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Kläger war nach seinem eigenen Vorbringen zur Zeit des Autounfalles Angestellter, nämlich Leiter des Versorgungsbetriebes der A-Werke, und befand sich auf einer Dienstreise, um Lagerräume für Lebensmittel ausfindig zu machen. Da der Beklagte, wie außer Streit steht, einen Werksautobus der A-Werke lenkte, hat das Berufungsgericht den Standpunkt eingenommen, daß der Beklagte als Betriebsaufseher gemäß § 899 RVO. dem versicherten Kläger zum Schadenersatz nicht verpflichtet sei, da nicht behauptet werde, geschweige denn strafgerichtlich festgestellt worden sei, daß der Beklagte den Unfall vorsätzlich herbeigeführt habe. Die gegen diese Rechtsansicht von der Revision erhobene Rechtsrüge geht fehl. Die Ausführungen der Revision vermögen die treffende Begründung des angefochtenen Berufungsurteiles nicht zu widerlegen. Der Beklagte hatte nach den Ausführungen des Klägers in seiner Revision Arbeiter der A-Werke mit dem von ihm gelenkten Werksautobus in den Betrieb und von dort wieder nach Hause zu bringen. Während dieser Autobusfahrt war der Beklagte als Chauffeur ohne Zweifel zu selbständigem Handeln, insbesondere beim Eintritt einer Betriebsstörung, berufen und dienstlich für das Wohl der von ihm beförderten Personen sowie für seine Maschine verantwortlich. Er hatte während dieser Autobusfahrten wie jeder Autobuschauffeur die Pflicht, die Ordnung im Autobus aufrechtzuerhalten und betriebsgefährdende Handlungen der beförderten Personen, denen gegenüber er die Interessen des Betriebes zu vertreten hatte, hintanzuhalten, wobei der Autobusbetrieb, wie das Berufungsgericht richtig hervorhebt, als Teil des Gesamtbetriebes der A-Werke anzusehen war. In diesem Umfang hatte der Beklagte gegenüber den beförderten Personen ein gewisses Weisungsrecht (z. B. hinsichtlich der Unterlassung von feuergefährlichen Handlungen, Handlungen gegen die damals bestehenden Verdunklungsvorschriften, ihn als Fahrer behindernden Handlungen usw.) und bei Nichtbeachtung seiner Weisungen das Recht, den Widersetzlichen im Interesse der Betriebssicherheit von der Beförderung auszuschließen. Der Beklagte ist daher mit nicht weniger Berechtigung als Betriebsaufseher anzusehen als ein Straßenbahnfahrer, bei dem die reichsgerichtliche Rechtsprechung wiederholt den Charakter eines Betriebsaufsehers bejaht hat (vgl. DR. 1939, Ausgabe A, S. 1172). Es ist dabei für diese rechtliche Beurteilung ganz gleichgültig, ob der vom Beklagten gelenkte Werksautobus Zwischenhaltestellen machte, ob Fahrkarten ausgegeben wurden und Geld einkassiert wurde. Das Unterlassen von Feststellungen zu diesen Punkten begrundet daher nicht die von der Revision behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens gemäß § 503 Z. 2 ZPO. Zu den Revisionsausführungen zu der Rechtsfrage, ob der Beklagte Betriebsaufseher war, ist im einzelnen noch folgendes zu bemerken: Gerade was die Revision als Grund für den Ausschluß der Unternehmer- bzw. Betriebsaufseherhaftung in §§ 898 f. RVO. anführt, nämlich daß bei den haftungsbefreiten Personen ihre Tätigkeit über die Betätigung einer Maschine hinausgehe, gilt nach dem Ausgeführten für den Autobuschauffeur, der weite Strecken (nach den Revisionsausführungen täglich über 100 km) durchfährt. Selbst die von der Revision ausgesprochene Ansicht, der Betriebsaufseher müsse eine Aufsicht über eine Betriebstätigkeit anderer haben, führt zu demselben Ergebnis, weil die Autobusfahrt der Werksangehörigen zu und von ihrer Arbeitsstätte als Betriebstätigkeit bezeichnet werden muß, die nach dem Ausgeführten der Aufsicht des Beklagten unterstand. Die Revision muß selbst zugeben, daß der Beklagte nur solche Werksangehörige befördern durfte, die ihm "vom Sehen aus" als ihm im Betriebe zugewiesene, zur Beförderung zugelassene Fahrgäste bekannt waren. Das hat mit einer Höherbewertung der Maschine vor dem Menschen gar nichts zu tun. Es wird durch den vom Berufungsgericht eingenommenen, vom Obersten Gerichtshof gebilligten Rechtsstandpunkt, nämlich durch die Unterstellung des Werksautobuschauffeurs unter den Begriff des Betriebsaufsehers, dieser Begriff auch durchaus nicht erweiternd ausgelegt.

Die §§ 898 f. RVO. schließen die Haftung nach anderen gesetzlichen Vorschriften aus, also auch die Haftung nach den Haftpflichtbestimmungen des Gesetzes über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen vom 3. Mai 1909, DRGBl. S. 437, das zudem älter ist als die RVO. vom 19. Juli 1911. Die Ansicht der Revision, daß bei Beschädigungen durch Kraftfahrzeuge außerhalb der Betriebsstätte die §§ 898 f. RVO. nicht zur Anwendung kommen, ist durch nichts begrundet. Der Ausdruck "Betrieb" eines Kraftfahrzeuges im § 7 KFG. hat schon nach der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhange (§ 7 ABGB.) einen ganz anderen Sinn als der Ausdruck "Betrieb" im Worte "Betriebsaufseher" des § 899 RVO. In dem einen Fall handelt es sich um die Betätigung einer zur Fortbewegung auf der Straße ohne Bindung an Geleise eingerichteten Maschine (vgl. § 1 Kraftfahrgesetz 1947), im anderen Fall um eine Unternehmensfunktion. Vergleiche zwischen der Haftung des Kraftfahrzeughalters oder - lenkers nach § 7 KFG. mit der Haftung des Betriebsaufsehers nach § 899 RVO. und rechtliche Schlüsse daraus auf den Umfang der Haftungsbefreiung nach §§ 898 f. RVO. und den Begriff des Betriebsaufsehers in § 899 RVO. sind daher vollkommen abwegig. Daß sogenannte "Wegunfälle" außerhalb der Betriebsstätte beim Weg von und zu der Betriebsstätte und bei Dienstreisen den §§ 898 f. RVO. unterliegen, u. zw. auch dann, wenn es sich um Beschädigungen durch ein Kraftfahrzeug handelt, steht überhaupt nicht in Frage; es genügt dazu der Hinweis darauf, daß zur Regelung solcher Wegunfälle das Gesetz über die erweiterte Zulassung von Schadenersatzansprüchen bei Dienst- und Arbeitsunfällen vom 7. Dezember 1943, DRGBl. I S. 674, erlassen worden ist.

Durch § 1 Abs. 2 dieses eben erwähnten Gesetzes wird die Haftungsbefreiung der §§ 898, 899 RVO. dann ausgeschlossen, wenn der Arbeitsunfall bei der Teilnahme am öffentlichen Verkehr eingetreten ist. Der nach seinen eigenen Angaben auf einer Dienstreise befindliche Kläger war aber zur Zeit des gegenständlichen Unfalles nicht Teilnehmer am öffentlichen Verkehr, sondern Teilnehmer an einem Sonderverkehr, weil er sich in einem Fahrzeug befunden hat, das ihm nur in seiner dienstlichen Eigenschaft zur Verfügung stand. Wenn es die Revision als aktenwidrig rügt, daß das Berufungsgericht feststellt, daß die A-Werke über den vom Kläger benützten Personenkraftwagen des Alfons W. ausschließlich verfügungsberechtigt waren, mag diese Ausdrucksweise zu weit gehen, in dem oben angedeuteten, entscheidungswesentlichen Umfang ist sie aber durch das Vorbringen des Klägers selbst vollständig gedeckt, ohne daß die Unterlassung weiterer Feststellungen den von der Revision behaupteten Verfahrensmangel bilden würde. Der Kläger gibt in seiner Revision selbst zu, daß auch Alfons W. bei den A-Werken Dienst machte und mit seinem Personenkraftwagen für die A-Werke Dienstfahrten ausführte, wofür er eine Reifenabnützungsgebühr erhielt. Näher erörtert der Kläger das Verhältnis des Alfons W. und seines Personenkraftwagens zu den A-Werken in seiner Berufungsmitteilung. Dort bringt er vor, daß Alfons W. Lenker des ihm gehörigen Personenkraftwagens war, der für die A-Werke fuhr, und daß Alfons W. den Auftrag hatte, den Kläger mit seinem Personenkraftwagen nach X. zu bringen, damit dieser dort Lagerräume ausfindig mache, endlich den Kläger auch zurückzuführen. Bei der Streitverhandlung hat Kläger endlich über richterliches Befragen angegeben, daß er (als Leiter des Versorgungsbetriebes der A-Werke) von seinem Untergebenen Alfons W. hätte abgeholt werden sollen, Alfons W. aber mit seinem Personenkraftwagen den G. geschickt habe, der dann bei der Unfallsfahrt den Personenkraftwagen des Alfons W. lenkte. Aus diesem Vorbringen des Klägers geht ganz zweifelsfrei hervor, daß sich der Kläger beim Unfall in einem ihm von seiner Dienstgeberin, den A-Werken zur Verfügung gestellten Fahrzeug befand. Bei diesem Sachverhalt ist aber auch die Rechtsrüge der Revision, daß das Berufungsgericht zu Unrecht § 1 Abs. 2 des Gesetzes vom 7. Dezember 1943, DRGBl. I S. 674, nicht angewendet habe, nicht stichhältig. Von einer Teilnahme am öffentlichen Verkehr bei der Unfallsereignung kann keine Rede sein. Beklagter lenkte in Ausübung seines Dienstes den Werksautobus der A-Werke. Der für die A-Werke auf Dienstreise befindliche Kläger fuhr in einem ihm von den A-Werken zur Verfügung gestellten Wagen. Beklagter war in seiner eigentlichen dienstlichen Tätigkeit als Chauffeur in den Verkehr gestellt. Der Kläger befand sich in einem Dienstfahrzeug, das nicht gleichzeitig für den allgemeinen Verkehr bestimmt war, sondern damals lediglich seiner dienstlichen Beförderung diente. Bei beiden Streitteilen kann daher von einer Teilnahme am öffentlichen Verkehr nicht die Rede sein. Der Zusammenstoß war vielmehr ein innerbetriebliches Ereignis, nicht anders, als wenn ein in einem ihm zur Verfügung gestellten Sonderzug reisender Bahnbeamter bei einem Zusammenstoß beschädigt wird oder ein in einem Werksautobus zur Arbeitsstätte fahrender Arbeiter bei einem Zusammenstoß mit einem anderen Fahrzeug desselben Betriebes (s. DJ. 1944, S. 21 ff., 28 ff.). Ort und Zeit des Zusammenstoßes sind in diesem Zusammenhange gleichgültig, entscheidend ist, daß beide dem gleichen Betriebe angehörenden Streitteile bei dem Unfall in Ausübung ihres Dienstes und wegen dieser Ausübung in Dienstfahrzeugen fuhren, die im übrigen nicht dem öffentlichen Verkehr dienten.

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