Normen
Außerstreitgesetz §9
Außerstreitgesetz §16
Tiroler Höfegesetz vom 12. Juni 1900, LGBl, f. Tirol Nr. 47 §17
Außerstreitgesetz §9
Außerstreitgesetz §16
Tiroler Höfegesetz vom 12. Juni 1900, LGBl, f. Tirol Nr. 47 §17
Spruch:
Nach § 17 Z. 4 lit. d des Tiroler Höfegesetzes ist derjenige von der Übernahme eines geschlossenen Hofes als Anerbe in der Regel ausgeschlossen, der durch seinen Beruf verhindert ist, den Hof von der Hofstelle aus persönlich entsprechend, also unter Einsetzung seiner ganzen Arbeitskraft, zu bewirtschaften.
Entscheidung vom 21. Juni 1950, 1 Ob 342/50.
I. Instanz: Bezirksgericht Zell am Ziller; II. Instanz:
Landesgericht Innsbruck.
Text
Das Bezirksgericht Zell am Ziller als Abhandlungsgericht in der Verlassenschaftssache nach der am 23. September 1948 in Sch. verstorbenen Rosa F., Bäuerin beim M. in Sch., hat mit Beschluß vom 21. Jänner 1950 festgestellt, daß Johann H., Schlossermeister in St., und Ludwig H., Vertreter bei der Firma Josef H. in Sch., von der Übernahme des Hofes M. in Sch. als Anerben gemäß § 17 Z. 4 lit. d des Tiroler Höfegesetzes ausgeschlossen seien.
Das Landesgericht Innsbruck als Rekursgericht hat mit Beschluß vom 1. April 1950 dem Rekurs des Johann H. nicht Folge gegeben, wohl aber dem Rekurs des Ludwig H. und den Beschluß in dem diesen Anwärter betreffenden Teile dahin abgeändert, daß ein Grund im Sinne des § 17 Z. 4 lit. d des Tiroler Höfegesetzes, der diesen von der Übernahme des geschlossenen Hofes zum "M." am Sch. als Anerben ausschließen würde, nicht vorliege.
Der Oberste Gerichtshof hat den Revisionsrekurs des Johann H. als unzulässig zurückgewiesen, dem Revisionsrekurs des Andrä P. Folge gegeben und in Abänderung des zweitinstanzlichen Beschlusses den Beschluß des Erstgerichtes auch hinsichtlich des Ausschlusses des Anerben Ludwig H. wiederhergestellt.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Soweit der Revisionsrekurs des Johann H. gegen den bestätigenden Teil des Beschlusses des Rekursgerichtes gerichtet ist, ist er im Sinne des § 16 AußstrG. als unzulässig zurückzuweisen.
Gemäß § 16 AußstrG. findet in Gegenständen, wo das Obergericht den Bescheid des unteren Richters bestätigt, nur im Falle einer offenbaren Gesetz- oder Aktenwidrigkeit der Entscheidung oder einer begangenen Nullität die Beschwerde an den Obersten Gerichtshof statt.
Die diesfalls vom Rechtsmittelwerber geltend gemachten Revisionsgrunde der Aktenwidrigkeit und offenbaren Gesetzwidrigkeit liegen jedoch nicht vor. Aktenwidrigkeit liegt vor, wenn in den Entscheidungsgründen als Inhalt einer Urkunde oder Aussage etwas angeführt wird, was deren Inhalt nicht bildet, wenn also der Inhalt einer Aussage oder eines anderen Beweismittels in der Entscheidung unrichtig wiedergegeben wird.
Im gegebenen Fall werden in der bekämpften Entscheidung Umstände bezogen, welche, wie die Überprüfung der Aktenlage ergibt, in den Akten vorkommen, und es werden aus diesen Umständen Schlüsse auf die berufliche Stellung des Revisionsrekurswerbers Johann H. gezogen, welche ihn als im Sinne des § 17 Z. 4 lit. d des Tiroler Höfegesetzes von der Übernahme des Hofes ausgeschlossen erscheinen lassen. Konkrete Aktenwidrigkeiten hinsichtlich der einschlägigen Feststellungen der Untergerichte werden seitens des Rechtsmittelwerbers nicht aufgezeigt, es handelt sich vielmehr um eine Bekämpfung der aus den bezüglichen Feststellungen gezogenen rechtlichen Schlüsse.
Aber auch eine offenbare Gesetzwidrigkeit haftet den angefochtenen Beschlüssen der Untergerichte, soweit sie die Person des Johann H. betreffen, nicht an. Eine solche ist nur dann gegeben, wenn das Gesetz eine bestimmte Regelung ausdrücklich ausspricht und das Gericht dennoch gegenteilig entscheidet. Sie liegt nicht vor, wenn eine solche Regelung im Gesetze mangelt und das Gericht von einer Rechtsansicht ausgeht, der auch eine andere Rechtsmeinung entgegengesetzt werden kann. Gegebenenfalls dreht es sich darum, ob unter Zugrundelegung der gemachten Feststellungen Johann H. als im Sinne der mehrfach zitierten Gesetzesstelle als von der Übernahme des Hofes ausgeschlossen zu betrachten ist, und diese Rechtsfrage haben die Untergerichte übereinstimmend bejaht. Es liegt somit hier eine bestimmte Gesetzesauslegung vor, keineswegs aber eine offenbare Gesetzwidrigkeit.
Es fehlen daher entgegen der bezüglichen Rechtsauffassung des Revisionsrekurswerbers die Voraussetzungen für die Erhebung eines Revisionsrekurses im Sinne des § 16 AußStrG. und war der Revisionsrekurs des Johann H., soweit er den Ausspruch über dessen Ausschließung betrifft, als unzulässig zurückzuweisen.
Gleichfalls unzulässig erscheint jedoch der Revisionsrekurs des Johann H., soweit er sich gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes in Ansehung der Person des Ludwig H. richtet. Denn in dieser Richtung mangelt ihm bei der gegebenen Verfahrenslage die Legitimation zur Erhebung des Rechtsmittels; durch den bestätigenden Beschluß des Rekursgerichtes ist er - Johann H. - als Anerbe nunmehr ausgeschlossen. Dadurch ist er durch die hinsichtlich der Person des Anerben Ludwig H. getroffene Entscheidung des Rekursgerichtes in seinen persönlichen Rechten nicht mehr beschwert. Es kann ihm daher diesfalls im Sinne des § 9 AußstrG. kein Rechtsmittelrecht zuerkannt werden und war der erhobene Revisionsrekurs auch in dieser Richtung als unzulässig zurückzuweisen.
Berechtigung muß jedoch dem Revisionsrekurs des Andrä P. zuerkannt werden, welcher gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes in Ansehung der Person des Ludwig H. gerichtet ist.
Der Oberste Gerichtshof vermag die Ansicht des Rekursgerichtes, daß ein Grund im Sinne des § 17 Z. 4 lit. d des Tiroler Höfegesetzes, der den Ludwig H. von der Übernahme des geschlossenen Hofes zum "M."
als Anerbe ausschließen würde, nicht vorliege, nicht zu teilen.
Nach dieser Gesetzesstelle ist ein Anerbe von der Übernahme eines geschlossenen Hofes in der Regel ausgeschlossen, wenn er durch seinen Beruf verhindert ist, den Hof von der Hofstelle aus persönlich zu bewirtschaften.
Wie durch die bezogenen Beweisquellen und Unterlagen bekundet wird, ist Ludwig H. zwar in landwirtschaftlichen Arbeiten bewandert, hauptsächlich jedoch als Agent tätig. Seine Hauptbeschäftigung ist der Verkauf von Erzeugnissen seines Bruders Josef H., der ein Maschinengeschäft in Sch. betreibt.
Zutreffend führt der erstrichterliche Beschluß aus, daß ein wirtschaftlich gesund geführter Bergbauernhof vom Bauern den Einsatz seiner ganzen Kraft auf dem Hofe erfordert und daß es nicht genügt, wenn er nur gelegentlich nach dem Rechten sieht und im übrigen einem anderen Beruf nachgeht.
Ob der Beruf als selbständiger Unternehmer oder, wie hier - was Ludwig H. ins Treffen führt -, lediglich als Angestellter ausgeübt wird, ist für die Beurteilung der persönlichen Verhältnisse des Anerben im Sinne der angeführten Gesetzesstelle unerheblich. Es kommt vielmehr nur darauf an, ob die mit dem Beruf als solchen verbundene Tätigkeit es hindert, den Hof von der Hofstelle aus persönlich - und zwar entsprechend - zu bewirtschaften. Der Sachverhalt ist hier nach der zur Zeit der Erlassung des Beschlusses bestehenden Lage zu beurteilen und diese läßt eine Behinderung der persönlichen Bewirtschaftung erschließen. Es darf in diesem Zusammenhange insbesondere nicht übersehen werden, daß mit einer Tätigkeit als Agent gewiß rechtliche und tatsächliche Verbindlichkeiten, wie Rücksprachen mit Kunden, Geschäftsreisen, Korrespondenzen, eventuelle Ablegung von Aussagen in Rechtsstreitigkeiten und dergleichen mehr verbunden sind, welche eine Tätigkeit als Bergbauer fallweise empfindlich zu stören geeignet sein können. Zu beachten ist, daß selbst das Aufgeben des die Selbstbewirtschaftung hindernden Berufes oder die Bereitschaft dazu, wie die bezügliche Literatur hervorhebt, den Ausschließungsgrund noch nicht beseitigen würde.
Es war daher dem Revisionsrekurs des Andrä P. Folge zu geben und der erstrichterliche Beschluß zur Gänze wiederherzustellen.
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