Spruch:
Die gemäß § 1 Abs. 3 ProkuraturG. im Exekutionsverfahren einschreitende Finanzprokuratur kann nur innerhalb der den Parteien offenstehenden Rechtsmittelfrist einen Rekurs erheben.
Entscheidung vom 31. Mai 1950, 2 Ob 225/50.
I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Das Erstgericht hat den Exekutionsantrag, den die betreibenden Parteien auf Grund eines Erkenntnisses der Rückstellungskommission gestellt haben, abgewiesen.
Das Rekursgericht hat die beantragte Exekution zum Teil bewilligt.
Der Beschluß des Rekursgerichtes ist den Parteien am 31. Jänner 1950 zugestellt und von ihnen nicht mehr angefochten worden. Am 11. Februar 1950 ersuchte die Finanzprokuratur um die Übersendung des Aktes zur Einsicht. Das Erstgericht entsprach am 13. Februar 1950 diesem Ersuchen, der Akt langte am 14. Februar 1950 bei der Finanzprokuratur ein. Am 21. Februar 1950 brachte diese zur Wahrung öffentlicher Interessen gemäß § 1 Abs. 3 des Gesetzes vom 12. September 1945, StGB. Nr. 172, einen Rekurs, richtig Revisionsrekurs, gegen den Beschluß des Rekursgerichtes ein, in dem sie die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses, soweit er vom Rekursgericht abgeändert worden war, beantragte.
Der Oberste Gerichtshof hat den Revisionsrekurs zurückgewiesen.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Revisionsrekurs list verspätet. Nach § 78 EO. haben im Exekutionsverfahren, soweit in der Exekutionsordnung nichts anderes angeordnet ist, die allgemeinen Bestimmungen der Zivilprozeßordnung über die Parteien, das Verfahren, die richterlichen Beschlüsse und über das Rechtsmittel des Rekurses zur Anwendung zu kommen. Rekurse sind innerhalb einer Notfrist, die im Exekutionsverfahren gemäß § 65 EO., sofern nichts anderes angeordnet ist, acht Tage beträgt, einzubringen. Die Rekursfrist beginnt mit dem Tag der Zustellung des Beschlusses an die Parteien. Haben die Parteien die Rechtsmittelfrist unausgenützt verstreichen lassen, ist der Beschluß in Rechtskraft erwachsen und für das Gericht und die Parteien bindend (nur Beschlüsse, die prozeßleitender Natur sind, sind von dieser allgemeinen Regel ausgenommen). Der Beschluß des Rekursgerichtes list, wie bereits hervorgehoben, von den Parteien unangefochten geblieben und somit formell rechtskräftig geworden. Wenn nun auch nach § 1 Abs. 3 des Prokuraturgesetzes die Finanzprokuratur berechtigt ist, zum Schutz öffentlicher Interessen vor allen Gerichten und Verwaltungsbehörden einzuschreiten, sei es, daß sie von der zuständigen Behörde hiefür in Anspruch genommen wird, sei es, daß die Dringlichkeit des Falles ihr sofortiges Einschreiten erfordert, kann sie, wenn sie erst nach einer ergangenen Entscheidung zum Zweck ihrer Bekämpfung in das Verfahren eintritt, ein Rechtsmittel doch nur innerhalb der den Parteien offenstehenden Frist einbringen, da das Gesetz ihr nicht Rechte, die über die Rechte der Parteien hinausgehen, eingeräumt hat und im Interesse der allgemeinen Rechtssicherheit offenbar auch nicht einräumen wollte. Dieser Grundsatz gilt nach der Ansicht des Obersten Gerichtshofes jedenfalls im streitigen und damit auch im Exekutionsverfahren, in dem weniger formstrengen außerstreitigen Verfahren kann eine Ausnahme zugelassen werden (so SZ. XXI/50 und 133).
Bei der Prüfung, ob der Revisionsrekurs der Finanzprokuratur im gegebenen Fall rechtzeitig überreicht worden ist, kommt es nicht darauf an, wann der Beschluß des Rekursgerichtes der Finanzprokuratur zugestellt worden ist, entscheidend ist lediglich, wann die Zustellung an die Parteien stattgefunden hat. Da innerhalb der achttägigen Rekursfrist, deren Lauf am 31. Jänner 1950 begonnen hat, ein Rechtsmittel nicht erhoben worden list, list formelle Rechtskraft eingetreten und eine nachträgliche Anfechtung ausgeschlossen.
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