Normen
ABGB §608
Kärntner Höfegesetz vom 16. September 1903, LGBl, f. Kärnten Nr. 33 §5
Kärntner Höfegesetz vom 16. September 1903, LGBl, f. Kärnten Nr. 33 §7
JN §109
Reichsrahmengesetz vom 1. April 1889. RGBl. Nr. 52 (Höferecht) §3
ABGB §608
Kärntner Höfegesetz vom 16. September 1903, LGBl, f. Kärnten Nr. 33 §5
Kärntner Höfegesetz vom 16. September 1903, LGBl, f. Kärnten Nr. 33 §7
JN §109
Reichsrahmengesetz vom 1. April 1889. RGBl. Nr. 52 (Höferecht) §3
Spruch:
Bei der testamentarischen oder vertraglichen Erbfolge finden, wenn eine unter die gesetzlichen Erben aufgenommene Person als Übernehmer bestimmt ist, alle Bestimmungen des Kärntner Höfegesetzes Anwendung, soweit sie dem Sinn des Gesetzes entsprechend angewendet werden können, also insbesondere auch die Bestimmung des § 7 Z. 4.
Entscheidung vom 22. Mai 1950, 2 Ob 415/50.
I. Instanz: Landesgericht Klagenfurt; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.
Text
In der Verlassenschaftssache nach der am 7. August 1914 verstorbenen Wirtschaftsbesitzerin Gertraud M. trat zunächst der erblasserische Sohn Ferdinand M. auf Grund des Testamentes vom 1. August 1914 die Erbschaft an. Die Verlassenschaftsabhandlung wurde nach den Bestimmungen des Gesetzes vom 16. September 1903, Kärntner LGBl. Nr. 33. vorgenommen. Mit dem Beschluß vom 6. Juli 1915 erteilte das Bezirksgericht W. dem Ferdinand M. die Einantwortung mit der Beschränkung der im Testament angeordneten fideikommissarischen Substitution. Nach dem am 28. Februar 1948 eingetretenen Tod des Ferdinand M. leitete das Bezirksgericht W. auf Antrag seiner Witwe die Substitutionsabhandlung ein, und zwar wiederum nach den Bestimmungen des Höfegesetzes. Der im Testament vom 1. August 1914 eingesetzte Nacherbe Franz M. gab am 19. Mai 1948 die bedingte Erbserklärung ab. Die für den Fall des kinderlosen Versterbens des Franz M. substituierte Maria K., geb. M., machte gegen diesen den Ausschließungsgrund nach § 7 Z. 4 Höfegesetz geltend. Da gemäß § 7 Z. 4 des Gesetzes die Bestimmung des Anerben dem Gerichtshof erster Instanz vorbehalten ist (§ 109 Abs. 2 JN.), legte das Bezirksgericht W. die Verlassenschaftsakten dem Landesgericht Klagenfurt mit dem Antrage vor, zum Übernehmer der Liegenschaft Franz M. zu bestimmen.
Das Landesgericht Klagenfurt wies den Antrag der Maria K., den Ausschluß des Franz M. von der Hofübernahme gemäß § 7 Z. 4 des Gesetzes auszusprechen, ab und ordnete an, daß nach Rechtskraft des Beschlusses die Verlassenschaftsabhandlung nach den Bestimmungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches durchzuführen sei. Die Bestimmungen des Höfegesetzes fänden nach § 5 Abs. 2 keine Anwendung, da die Erblasserin wohl eine unter die gesetzlichen Erben aufgenommene Person zum Alleinerben, nicht aber als Übernehmer im Sinne des Höfegesetzes bestimmt habe. Es könne daher auch § 7 des Gesetzes nicht angewendet werden und die Verlassenschaftsabhandlung sei nach den Bestimmungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches durchzuführen.
Das Rekursgericht bestätigte den abweisenden Teil des erstgerichtlichen Beschlusses und hob den Ausspruch des Erstgerichtes, die Verlassenschaftsabhandlung sei nach den Bestimmungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches durchzuführen, auf. Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des OGH. vom 12. Oktober 1920, SZ. II/110, billigte das Rekursgericht im wesentlichen den rechtlichen Standpunkt des Erstgerichtes, vertrat aber die Meinung, daß ungeachtet der Unanwendbarkeit des § 7 des Gesetzes auf die testamentarische Erbfolge doch eine Abhandlung nach Höferecht möglich sei, damit der Übernehmer jener Vorteile teilhaftig werde, die das Gesetz bei solchen Hofübernahmen überhaupt ins Auge gefaßt habe (Auszahlungsfristen, billige Verzinsung, billige Schätzung usw.).
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Maria K. Folge, hob die Beschlüsse der Vorgerichte auf und trug dem Erstgerichte eine neuerliche Entscheidung nach Ergänzung des Verfahrens auf.
Rechtliche Beurteilung
Begründung
Der Oberste Gerichtshof ist der Meinung, daß das Rekursgericht von einer offenbar unrichtigen Gesetzesauslegung ausgegangen ist. Die gesetzlichen Bestimmungen über das Kärntnerische Höferecht (zusammengestellt bei Novak, Das Recht der Kärntner Erbhöfe, 1947) lassen die freie Verfügung und die Teilbarkeit der landwirtschaftlichen Besitzungen zwar zu, enthalten aber besondere Erbteilungsvorschriften in dem Sinn, daß über die Person des zu den gesetzlichen Erben gehörigen Anerben und den Modus der Gutsübernahme Grundsätze aufgestellt werden (Ehrenzweig II/2, S. 396 ff., Schiff im Österreichischen Staatswörterbuch, I, S. 103). In erster Linie bezieht sich die im § 7 geregelte Auswahl des Anerben auf die Intestaterbfolge. Unter den kraft Gesetzes berufenen Erben wählt das Gesetz bei Abgang einer Einigung nach dem Grade der Verwandtschaft und innerhalb des Grades nach bestimmten Grundsätzen den Anerben aus. Wenn dieser Anerbe nach § 7 Z. 4 wegen körperlicher, geistiger und charakterlicher Untauglichkeit von der Übernahme des Hofes ausgeschlossen ist, kommt ein anderer Anerbe in Betracht. Der Sinn des Gesetzes ist unzweifelhaft der, daß unfähige gesetzliche Erben von der Hofübernahme ausgeschlossen sind, damit die ordentliche Bewirtschaftung und Erhaltung der Wirtschaften gewährleistet ist.
Die Bestimmungen des Gesetzes sind nach § 5 Abs. 2 bei der testamentarischen und der vertragsmäßigen Erbfolge dann anzuwenden, wenn vom Erblasser eine zu den gesetzlichen Erben gehörige Person als Übernehmer bestimmt worden ist. In diesem Falle besteht kein Anstand, alle "Bestimmungen des gegenwärtigen Gesetzes" als anwendbar anzusehen, soweit sie dem Sinne des Gesetzes entsprechend angewendet werden können (vgl. E. v. 24. April 1935, SZ. XVII/72). Auch dann, wenn ein testamentarischer Erbe eingesetzt wurde, besteht die Gefahr, daß der Erbe zur Bewirtschaftung unfähig ist. Der Zweck des Gesetzes fordert auch in einem solchen Falle die Anwendung des § 7 und im besonderen der Z. 4. Ganz besonders wichtig ist dies dann, wenn der Erblasser eine fideikommissarische Substitution angeordnet und die Anerben schon für die übernächste und die noch folgende Generation bestimmt hat. In einem solchen Falle kann der Erblasser die Fähigkeiten der eingesetzten Nacherben mangels Voraussehbarkeit ihres Entwicklungsganges nicht einschätzen, und deshalb bedarf es im Sinne des Gesetzes der Überprüfung auch testamentarischer Erben auf Ausschließungsgrunde nach § 7 Z. 4. Das Gesetz läßt zwar eine Verfügung des Wirtschaftsbesitzers auch in der Richtung zu, daß er die Liegenschaften einer dritten nicht zu den gesetzlichen Erben gehörigen Person vererbt. Für diesen Fall gelten die Bestimmungen des Gesetzes nicht (§ 5 Abs. 2; vgl. Regierungsvorlage zum Reichsrahmengesetz vom 1. April 1889, RGBl. Nr. 52, Beilage 70 zu den stenographischen Protokollen des Abgeordnetenhauses, X. Session, S. 26. zu § 3 = § 5 des Kärntner Landesgesetzes). Für den Normalfall der Vererbung an gesetzliche Erben aber - sei es kraft Gesetzes, sei es letztwillig - soll der Anerbe tauglich sein, damit die Landwirtschaft durch ordnungsgemäße Bebauung auf die nächsten Erbengenerationen der Familie übergehen kann. Und nur für diesen Fall gelten auch die für den Anerben vorteilhaften Gesetzesbestimmungen, auf die das Rekursgericht hingewiesen hat. Krasnopolski, Erbrecht, Exkurs über das Anerbenrecht, S. 389, Anm. 3., folgert die Anwendbarkeit der Ausschließungsgrunde des § 7 Z. 4 des Gesetzes auf die testamentarische und die vertragsmäßige Erbfolge einerseits aus der wirtschaftserhaltenden Tendenz der Anerbengesetzgebung, anderseits daraus, daß die Exemtion dieser Gesetzesstelle im § 5 Abs. 2 nicht ausdrücklich angeordnet ist. Derselben Meinung sind auch Cerman, NotZtg. 1909, S. 357, wohl auch Feyerfeil, NotZtg. 1909, S. 100 (für die ehemals gleichartigen Bestimmungen in Böhmen), und neuerdings Roth, Bäuerliche Erbfolge in Kärnten, NotZtg. 1949, S. 170. Nicht minder ist im § 10 Abs. 13 der Vdg. v. 14. Jänner 1904, JMVBl. Nr. 2, auf die Möglichkeit der Ausschließung eines durch letztwillige Verfügung berufenen Anerben hingewiesen; ebenso wohl auch Zessner - Spitzenberg, Agrarrecht, S. 254; undeutlich Pitter, Kärntner Erbteilungsvorschriften, NotZtg. 1904, S. 361 ff., und NotZtg. 1916, S. 85. Die gegenteilige, freilich nicht näher begrundete Meinung, § 7 beziehe sich nur auf die gesetzliche Erbfolge, in der Entscheidung des OGH. vom 1. September 1936, SZ. XVIII/134, ist nicht aufrechtzuerhalten.
Es kann gesagt werden, daß nach dem Sinn des Gesetzes diejenigen Fälle gleich zu behandeln sind, in denen ein gesetzlicher Erbe, sei es kraft Gesetzes, sei es auf Grund einer ausdrücklichen letztwilligen Anordnung des letzten Hofeigentümers als Anerbe die Wirtschaft zu übernehmen hat. Welchen Wert der Gesetzgeber auf eine ausdehnende Interpretation des Gesetzes legt, geht daraus hervor, daß laut der Kdm. vom 17. Oktober 1949, BGBl. Nr. 261, der § 2 Abs. 7 der Durchführungsverordnung vom 14. Jänner 1904, JMVBl. Nr. 2, als gesetzwidrig aufgehoben worden ist. Darin war die Meinung vertreten worden, daß die gesetzlichen Bestimmungen nicht in Frage kämen, wenn der Hofeigentümer nicht dem Stand der Landwirte zuzuzählen sei.
Im vorliegenden Fall hat die Erblasserin im Testament vom 1. August 1914 nicht nur einen Erben sowie Ersatz- und Nacherben eingesetzt, sondern im dritten Absatz auch ausdrücklich erklärt, daß der jeweilige Erbe (also nur einer) Übernehmer ihrer Liegenschaft sein solle. Alle Erben sind aus der ehelichen Nachkommenschaft, also dem Kreis der gesetzlichen Erben genommen. Damit ist die Voraussetzung des § 5 Abs. 2 des Gesetzes gegeben und der Anwendung des Gesetzes überhaupt und im besonderen des § 7 Z. 4 steht nichts im Wege. Zu Unrecht vermeint das Rekursgericht, daß die Entscheidung des OGH. vom 12. Oktober 1920, SZ. II/110, eine gegenteilige Meinung vertrete. Dort handelte es sich darum, daß mangels Einsetzung eines Übernehmers im Testament die Verlassenschaftsabhandlung nach Kärntner Höferecht nicht in Frage kam, ohne daß über den hier zu entscheidenden Streitpunkt der Anwendbarkeit des § 7 Z. 4 auf die testamentarische und die vertragsmäßige Erbfolge bei Einsetzung eines Übernehmers abgesprochen worden wäre.
Es erweist sich, daß das Rekursgericht von einer offenbar unrichtigen Gesetzesauslegung ausgegangen ist, so daß der außerordentliche Revisionsrekurs der Maria K. zulässig ist. Die abweichende Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofes mußte die Aufhebung nicht nur der Rekursentscheidung, sondern auch des erstgerichtlichen Beschlusses zur Folge haben, weil es Sache des Erstgerichtes sein wird, klarzustellen, ob Franz M. nach § 7 Z. 4 des Gesetzes als Anerbe ausgeschlossen ist und ob Maria K. als Ersatznacherbin (§ 608 letzter Satz ABGB.) in Frage kommt.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)