OGH 1Ob264/50

OGH1Ob264/5017.5.1950

SZ 23/155

Normen

ABGB §167
ABGB §1042
ABGB §1175
JN §49 Abs2 Z6
JN §50
JN §55
ZPO §227
ABGB §167
ABGB §1042
ABGB §1175
JN §49 Abs2 Z6
JN §50
JN §55
ZPO §227

 

Spruch:

Eine Zusammenrechnung von Forderungen, die miteinander in rechtlichem Zusamenhange stehen, mit solchen Forderungen, die miteinander in tatsächlichem Zusammenhange stehen, ist dem Gesetze fremd.

Ein Bagatellanspruch hindert die - an sich zulässige - Zusammenrechnung nach § 55 JN. nicht.

Entscheidung vom 17. Mai 1950, 1 Ob 264/50.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Der Kläger machte in der Klage gegen die Erben seiner Lebensgefährtin Anna M., mit der er auch seit Jahren eine Gesellschaft bürgerlichen Rechtes unterhalten hatte, eine Reihe von Ansprüchen geltend, die ziffernmäßig jeder für sich die Wertzuständigkeit des Gerichtshofes nicht erreichten.

Die einzelnen Ansprüche wurden aus dem Titel der Bezahlung einer fremden Schuld, aus der Hingabe eines Darlehens und aus dem Gründe des Aufwandsersatzes, zum Teil aber auch aus dem Titel eines deliktischen Schadenersatzes erhoben; schließlich begehrt der Kläger auch die Ausfolgung von Fahrnissen.

Das Erstgericht wies die Klage wegen sachlicher Unzuständigkeit zurück.

Das Rekursgericht hob den Beschluß des Erstgerichtes auf und trug ihm die Fortsetzung des Verfahrens nach Rechtskraft auf.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Beklagten in Ansehung der Klagsansprüche von 3333.33 S (Darlehensrückzahlung), 1500 S (Errichtung zweier Garagentore und eines Werkstättentores) und 150 S (Pflasterung) keine Folge und stellte im übrigen den erstgerichtlichen Beschluß wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Mehrere in einer Klage von einer einzelnen Partei geltend gemachten Ansprüche werden zusammengerechnet, wenn sie in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhange stehen (SZ. XIV/188).

Der Aufhebungsbeschluß des Rekursgerichtes spricht von einem solchen tatsächlichen Zusammenhange im Hinblick auf die zwischen dem Kläger und der Anna M. bestandene Lebensgemeinschaft, läßt aber wiederholt erkennen, daß das Rekursgericht auch - zum Teil wenigstens - einen rechtlichen Zusammenhang der Klagsforderungen annimmt.

Die Klage selbst - und nach deren Angaben ist die Zuständigkeitsfrage zu lösen - führt ihre Ansprüche auf die Lebensgemeinschaft, die zwischen dem Kläger und der Anna M. bestanden hat, zurück und behauptet somit einen tatsächlichen Zusammenhang, daneben aber auch einen rechtlichen Zusammenhang, soweit sie sich auf den Gesellschaftsvertrag (§§ 1175 ff. ABGB.) zwischen den Genannten beruft.

Der Oberste Gerichtshof hatte daher nach beiden Gesichtspunkten die Frage der Zuständigkeit des Gerichtshofes zu prüfen:

Diese ist nur zum Teil zu rechtfertigen, u. zw. aus folgendem Gründe:

a) Zwischen dem Garagenbetrieb und der Rückzahlung des Darlehens von 10.000 S, das für den Umbau des Pferdefuhrwerkbetriebes der Anna M. zum gemeinsamen Garagenbetriebe aufgenommen worden war, kann mit Fug ein rechtlicher Zusammenhang angenommen werden. Die diese Darlehensrückzahlung betreffende Summe ist der in der Klage genannte Betrag von 3333.33 S;

b) auch die vom Kläger für die Errichtung von zwei Garagentoren und eines Werkstättentores verlangten Beträge für verwendetes Material und geleistete Arbeitszeit von (je 500 S für ein Tor) zusammen 1500

S

c) wie auch der aus den gleichen Gründen für die Pflasterung des Hofes, in der sich die Garage befindet, begehrte Betrag von 150 S

betreffen Leistungen, die miteinander aus dem Gesellschaftsverhältnisse heraus in rechtlichem Zusammenhange stehen. Es können daher im Sinne des § 55 JN. die Beträge von 3333.33 S und 1500 S und 150 S zusammengerechnet werden, was einen Betrag von 4983.33 S ergibt, für welchen Betrag somit die Gerichtshofzuständigkeit gegeben ist. Hiezu sei noch bemerkt, daß nach den Klagsangaben die Posten von 1500 S und 150 S dennoch als Leistungen aus dem Gesellschaftsverhältnis betrachtet werden können, obwohl das Erstgericht sie als Leistungen aus einer Geschäftsführung ohne Auftrag - bisher - beurteilt hat. Zugunsten des Klägers hat der Oberste Gerichtshof auch bei diesen zwei Klagsforderungen - trotz der in der Klage enthaltenen Wendung "Ersatz für die Arbeitszeit bei Berechnung eines Stundenlohnes von 2 S" nicht die Behauptung eines Dienstverhältnisses und somit eine Eigenzuständigkeit nach § 49 Abs. 2 Z. 6 JN. angenommen, weil sich aus der Aktenlage eindeutige Voraussetzungen für die arbeitsgerichtliche Zuständigkeit nicht ergeben (SZ. VI/347). Auch der weitere Umstand, daß sich unter den Ansprüchen auch ein Bagatellanspruch (für Pflasterung 150 S) befindet, hindert nicht die Zusammenrechnung nach § 55 JN. und daher auch nicht die Anrufung des Gerichtshofes (§ 50 JN.). Es sei in diesem Zusammenhange lediglich auf die Anmerkung 1 bei § 227 ZPO. in der Ausgabe der Zivilprozeßordnung von Fetter, 5. Auflage, 1950, "betreffend die Behandlung von Bagatellansprüchen, die mit höheren Ansprüchen zulässigerweise in einer Klage vereinigt wurden, hinsichtlich ihrer Protokollierung und Anfechtbarkeit im Urteil" verwiesen.

Anders aber ist die Rechtslage bezüglich aller übrigen in der Klage geltend gemachten Ansprüche:

a) Die erste Gruppe dieser Ansprüche wird aus den Beträgen von 1000 S, 150 S, 700 S und 250 S gebildet. Hier handelt es sich nach den Klagsangaben nicht etwa um Beträge, die vom Kläger als Gesellschafter in die Gesellschaft während ihres Bestandes eingebracht wurden, sondern um an Anna M. persönlich gewährte Darlehen des Klägers, die neben den zur gleichen Zeit vom Kläger an die Anna M. hingegebenen Lebensmittel den Unterhalt der Letztgenannten sichern sollten. Hier kann von einem rechtlichen - auf dem Gesellschaftsverhältnis beruhenden - Zusammenhange ebensowenig wie von einem tatsächlichen Zusammenhang - auf Grund der Lebensgemeinschaft - die Rede sein, weil sich weder die Gewährung von Darlehen noch die Leistung des Unterhaltes an die Lebensgefährtin rechtlich zwingend aus dem einen oder anderen Umstande ergibt.

Im übrigen ist die Frage, ob die Reichung des Unterhaltes oder die Hingabe von Darlehen durch den Lebensgefährten an die Lebensgefährtin eine Folge der Lebensgemeinschaft ist, im vorliegenden Falle schon deshalb bedeutungslos, weil die bisher genannten Beträge von 1000 S, 150 S, 700 S und 250 S insgesamt nur 2100 S ergeben, somit in ihrer Gesamtheit die bezirksgerichtliche Streitwertgrenze nicht überschreiten.

b) Hiezu tritt noch der vom Kläger für die Anschaffung einer gemeinsamen Speisezimmereinrichtung begehrte Betrag von 600 S und schließlich der mit 300 S bewertete Anspruch auf Herausgabe der persönlichen Fahrnisse des Klägers, die sich in der ehemals gemeinsamen Wohnung befinden und der gleichfalls in diese Gruppe einzureihende Herausgabeanspruch auf 1000 kg Holz (aus dem Titel des persönlichen Eigentums des Klägers), das im Wohnhaus lagert. Aber auch diese Beträge von 600 S und 300 S halten sich mit dem Betrage von 2100 S noch immer unter der Gerichtshofgrenze.

Aus diesen Ausführungen folgt daher, daß aus dem Gründe des tatsächlichen Zusammenhanges im Sinne des § 55 JN. die Rechtssache nicht an den Gerichtshof herangebracht werden kann.

Es bleibt somit nur noch die Erörterung der Klagsansprüche von 720 S (Schadenersatz für das von der Erstbeklagten dem Kläger weggenommene, in dessen Eigentum stehende Holz) und der Schadenersatzanspruch von 300 S, der daraus abgeleitet wird, daß offenbar beide (?) Beklagte Nutzholz, das der Kläger laut Inhalt der Klage aus eigenen Mitteln für sich allein angeschafft hat, zur Errichtung eines Garagenzubaues verwendet haben. Hiezu ist zu sagen, daß der Kläger die Leistung dieser Beträge weder aus der Tatsache der Lebensgemeinschaft noch aus dem Gesellschaftsverhältnis mit Anna M. in Anspruch nimmt, sondern nur aus einer deliktischen Handlung, die von beiden Beklagten oder von der Erstbeklagten allein gesetzt wurde. Es handelt sich hier, und das hält der Oberste Gerichtshof für entscheidend, um zwei selbständige und von allen anderen bisher behandelten Ansprüchen unabhängige Klagsansprüche. Wenn auch diese beiden Beträge von 720 S und 300 S in einer Klage geltend gemacht werden können, so haben diese mit den anderen Ansprüchen, die sich auf das Gesellschaftsverhältnis oder die Lebensgemeinschaft stützen, nichts zu tun, weil sie dadurch entstanden sind, daß sie auf das Verhalten dritter Personen - und diese mußten keinesfalls die Erben nach Anna M. sein - zurückgehen.

Die Klage versteht offenbar den Begriff des tatsächlichen Zusammenhanges nach § 55 JN. insofern unrichtig, als sie mit Beziehung auf die Beträge von 720 S und 300 S das den Zusammenhang herstellende Ereignis in dem "Tode der Anna M." erblickt, welcher Umstand jedoch nicht den tatsächlichen Zusammenhang im Sinne des § 55 JN. zu schaffen vermag; gleiches gilt auch insoweit, als das Rekursgericht davon spricht, daß die durch den Tod der Anna M. ausgelöste "Generalabrechnung" zwischen dem Kläger und den Erben der Genannten der Grund für die Klagsführung sei. Dieser Umstand kann aber niemals zur Begründung einer Zuständigkeit herangezogen werden.

In einem ähnlichen und für die klagende Partei noch günstiger liegenden Falle hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 2 Ob 398/38, EvBl. 1938 II, Nr. 330, trotz des (tatsächlichen) Zusammenhanges zwischen den von der außerehelichen Kindesmutter nach § 167 ABGB. geltend gemachten Entbindungs- und Verpflegungskosten mit dem von ihr gemäß § 1042 ABGB. für Unterhaltskosten ihres Kindes erhobenen Ersatzanspruches eine Klagenhäufung nicht zugelassen.

Es erwies sich daher die Erledigung des erstrichterlichen Beschlusses durch das Rekursgericht nur zum Teile als berechtigt, und dies noch aus anderen Gründen als denen des Rekursgerichtes, weil der Oberste Gerichtshof nur hinsichtlich der auf dem Gesellschaftsverhältnis beruhenden Ansprüche einen rechtlichen Zusammenhang als behauptet angenommen hat. Der Beschluß des Rekursgerichtes war aber anderseits insoweit verfehlt, als er ganz allgemein die Ansicht vertreten hat, daß alle Klagsforderungen auf der Lebensgemeinschaft des Klägers mit der Anna M. beruhen, was nach den obigen Ausführungen nicht als zutreffend anzusehen ist.

Eine Zusammenrechnung von Forderungen, die miteinander in rechtlichem Zusammenhange stehen, mit solchen Forderungen, die miteinander in tatsächlichem Zusammenhange stehen, um die Rechtssache dennoch vor den Gerichtshof zu bringen, ist jedoch dem Gesetze fremd.

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