OGH 3Ob15/50

OGH3Ob15/5026.4.1950

SZ 23/119

Normen

JN §1
JN §42
Wohnungsanforderungsgesetz §14
ZPO §503 Z1
JN §1
JN §42
Wohnungsanforderungsgesetz §14
ZPO §503 Z1

 

Spruch:

Für das Räumungs- oder Kündigungsbegehren des Hauseigentümers ist der ordentliche Rechtsweg grundsätzlich auch dann zulässig, wenn bezüglich der im Streit verfangenen Wohnung ein Anforderungsbescheid erlassen wurde.

Entscheidung vom 26. April 1950, 3 Ob 15/50.

I. Instanz: Bezirksgericht Döbling; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Am 7. Juni 1948 überreichten die Kläger als Eigentümer des Hauses Wien, XIX., X-Gasse 7, bei dem Bezirksgerichte Döbling einen als "Räumungsklage" bezeichneten Antrag, dem sie einen Anforderungsbescheid des Magistrates der Stadt Wien, Mag. Abt. 50, vom 10. April 1948 beilegten, demzufolge der Benützerin der Wohnung Tür Nr. 3, der Beklagten, bei sonstiger Zwangsvollstreckung aufgetragen wurde, diese Wohnung zu räumen. Ihr schriftliches Begehren, das dahin ging, die Beklagte zu delogieren, ergänzten die Kläger in einer Protokollarklage durch das Begehren, die Beklagte schuldig zu erkennen, die bezeichnete Wohnung geräumt zu übergeben.

Das Erstgericht wies zunächst das Klagebegehren mit der Begründung ab, daß den Klägern nach § 14 Abs. 4 WAG. das Recht entzogen sei, über die Räume Verfügungen zu treffen, daß ihnen sonach die aktive Klagslegitimation mangle.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf, trug dem Erstgerichte auf, sich mit dem sonstigen Vorbringen der Parteien auseinanderzusetzen und sprach die Rechtsansicht aus, daß die Bestimmung des § 14 Abs. 4 WAG. nicht hindere, daß der Hauseigentümer Personen, die eine Wohnung ohne Rechtsgrund benützen, entferne.

Nunmehr gab das Erstgericht dem Klagebegehren Folge und das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Den Revisionsgrund nach § 503 Z. 1 ZPO. führt die Revision der beklagten Partei dahin aus, daß sie Nichtigkeit des Verfahrens wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges geltend macht. Sie beruft sich hiezu auf das Judikat Nr. 14 neu (SZ. VI/214), demzufolge eine nach Rechtskraft des Anforderungsbescheides eingebrachte Kündigung oder Räumungsklage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückgewiesen werden müsse.

Wenn auch das bezeichnete Judikat diesen allgemeinen Rechtssatz aufstellt, so hat es doch, wie aus seiner Begründung hervorgeht, nur jene Fälle im Auge, in denen der Hauseigentümer durch seine Kündigung oder Räumungsklage die Anforderung zu durchkreuzen versucht.

Der Oberste Gerichtshof hat demnach auch unter Bedachtnahme auf das Judikat Nr. 14 neu in seiner Entscheidung 1 Ob 125/48 (ÖJZ. 1948, EvBl. Nr. 596) ausgesprochen, daß dem Vermieter durch die Wohnungsanforderung gemäß § 14 Abs. 4 WAG. nur das Recht entzogen wird, Verfügungen über die angeforderten Räume zu treffen, die mit dem Anforderungszweck in Widerspruch stehen; alle anderen Verfügungen, insbesondere die zwangsweise Räumung der Wohnung, die dem Anforderungszweck geradezu dient, sind jedoch gestattet. Zudem bezieht sich das angeführte Judikat auf das Wohnungsanforderungsgesetz vom 7. Dezember 1922 und die zu jener Zeit anders geregelten Bestimmungen hinsichtlich der zwangsweisen Durchsetzung von Bescheiden der Verwaltungsbehörden.

Das Berufungsgericht hat sonach den Hauseigentümern mit Recht das Klagerecht gegenüber der unberechtigten Benützerin einer Wohnung zugebilligt. Eine Unzulässigkeit des Rechtsweges liegt in so gearteten Fällen jedenfalls nicht vor.

Damit ergibt sich aber auch, daß die rechtliche Beurteilung des Sachverhaltes der Sach- und Rechtslage entspricht, da der Hauseigentümer, indem er die unbefugt in einer Wohnung befindliche Person daraus entfernt, keine Verfügung im Sinne des § 14 Abs. 4 WAG. 1945 über den Mietgegenstand trifft, vielmehr einen dem Bescheid der Verwaltungsbehörde entsprechenden Rechtszustand herbeizuführen bestrebt ist.

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