OGH 3Ob154/50 (3Ob155/50)

OGH3Ob154/50 (3Ob155/50)5.4.1950

SZ 23/91

Normen

Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit §142
Allgemeines Handelsgesetzbuch vom 17. Dezember 1862. RGBl. Nr. 1/1863 Art54
Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897. DRGBl. S. 219 §48
Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897. DRGBl. S. 219 §52
Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897. DRGBl. S. 219 §53
Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897. DRGBl. S. 219 §116
Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897. DRGBl. S. 219 §164
Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit §142
Allgemeines Handelsgesetzbuch vom 17. Dezember 1862. RGBl. Nr. 1/1863 Art54
Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897. DRGBl. S. 219 §48
Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897. DRGBl. S. 219 §52
Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897. DRGBl. S. 219 §53
Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897. DRGBl. S. 219 §116
Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897. DRGBl. S. 219 §164

 

Spruch:

Die einem Kommanditisten im Gesellschaftsvertrag eingeräumte Prokura kann von jedem persönlich haftenden Gesellschafter jederzeit widerrufen werden. Die Anmeldung des Erlöschens der Prokura zur Eintragung in das Handelsregister kann vom (einzigen) Komplementär allein erfolgen, wenngleich seine Vertretungsbefugnis gesetzwidrig durch Mitzeichnung eines Kollektivprokuristen beschränkt ist.

Ein Gesamtprokurist kann nicht auf die Zeichnungsbefugnis gemeinsam mit einem Komplementär beschränkt werden.

Entscheidung vom 5. April 1950, 3 Ob 154, 155/50.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Oberlandesgericht Graz.

Text

Das Registergericht bewilligte die Löschung der Prokura des Kommanditisten der Firma W. & Co. Kommanditgesellschaft und die Eintragung der Isabella W. als Gesamtprokuristin mit der Berechtigung, gemeinsam mit dem persönlich haftenden Gesellschafter Hans W. oder mit einem anderen Prokuristen zu zeichnen.

Das Rekursgericht wies beide Anträge ab. Es vertrat die Rechtsmeinung, daß nach Punkt 20 des Gesellschaftsvertrages der persönlich haftende Gesellschafter nur gemeinsam mit einem der übrigen Prokuristen zeichnungsberechtigt sei, daher die Löschung der Prokura des Dr. Ludwig S., des letzten Prokuristen der Firma, nur mit diesem gemeinsam hätte angemeldet werden dürfen, da, wenn auch die Beschränkung der Vertretung des persönlich haftenden Gesellschafters in Rechtslehre und Rechtsprechung vielfach bestritten, jedenfalls der Handelsregisterstand maßgebend sei. Überdies sei dem Dr. S. durch Punkt 13 des Gesellschaftsvertrages ein ohne Zustimmung der übrigen Gesellschafter unentziehbares Individualrecht auf die Kollektivprokura eingeräumt worden. Da der Komplementär im gegenständlichen Falle nur gemeinsam mit einem Prokuristen zeichnungsberechtigt sei, könne auch die Anmeldung der neuen Prokuristin nur gemeinsam mit dem letzten Prokuristen Dr. Ludwig S. erfolgen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurse des persönlich haftenden Gesellschafters teilweise Folge und stellte den Beschluß des Registergerichtes bezüglich der Löschung der Prokura des Dr. Ludwig S. wieder her; im übrigen wurde der Beschluß des Rekursgerichtes bestätigt.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Es ist in Lehre und Rechtsprechung unbestritten, daß der Widerruf der Prokura und die Anmeldung der Löschung im Handelsregister nicht der Zustimmung des Prokuristen bedarf (ACl. 1796, 2972, Bettelheim in Staub - Pisko zu Art. 158, § 5; Düringer - Hachenburg, Anmerkung 5 zu § 14, Anmerkung 3 und 4 zu § 52 und die dort bezogene Rechtsprechung, Anmerkung 1 zu § 53; Kommentar der Reichsgerichtsräte, Anmerkung 13 und 14 zu § 116 u. a. m.). Im übrigen ergibt sich auch aus dem Wortlaut des letzten Satzes des § 116 Abs. 3 und des § 164 letzter Satz HGB. eindeutig, daß auch der bloß zur Mitwirkung bei der Erteilung der Prokura befugte Gesellschafter allein zum Widerruf der Prokura und daher auch zur Anmeldung der Löschung berechtigt ist. Für die Frage der Befugnis zum Widerruf der Prokura und zur Anmeldung der Löschung ist es daher rechtlich ohne Bedeutung, ob im Handelsregister die Kollektivzeichnungsbefugnis des Komplementärs eingetragen ist. Es ist aber auch die Rechtsansicht des Rekursgerichtes verfehlt, daß es sich bei der Prokura des Dr. Ludwig S. um ein ohne Zustimmung aller Gesellschafter unentziehbares Individualrecht auf die Kollektivprokura handle. Zunächst ist darauf zu verweisen, daß ein derartiges Recht aus Punkt 13 des Gesellschaftsvertrages, der lediglich die Bestellung mehrerer Prokuristen vorsieht und die Bestellung der Kommanditisten als Gesamtprokuristen enthält, keineswegs ersichtlich ist. Die Entscheidung SZ. IV/147, auf die sich das Rekursgericht zur Stützung seiner Rechtsansicht beruft, stammt aus einer Zeit, in welcher noch das AHGB. in Geltung stand. Nach dem Wortlaute des § 52 Abs. 1 des derzeit geltenden Handelsgesetzbuches ist es aber nunmehr außer Zweifel gestellt, daß auch dann, wenn die Prokura im ausgesprochen vertraglich zu schützenden Interesse des Prokuristen erteilt wurde, z. B. eines Kommanditisten, diese jederzeit widerruflich ist, weil der Widerruf der Prokura gemäß § 52 HGB. jederzeit ohne Rücksicht auf das der Erteilung zugrunde liegende Rechtsverhältnis möglich ist, während Art. 54 AHGB. eine derartige Bestimmung nicht enthielt. Im übrigen hat auch die Rechtsprechung zur Zeit der Geltung des AHGB. die Meinung vertreten, daß bei einer Kommanditgesellschaft in Fällen, in denen nur ein persönlich haftender Gesellschafter vorhanden war, eine Beschränkung des Vertretungsrechtes des persönlich haftenden Gesellschafters unzulässig und daß der persönlich haftende Gesellschafter befugt sei, die einem Kommanditisten auf lange Dauer erteilte Prokura jederzeit zu widerrufen (ACl. 1796, 2145, 2972; im gleichen Sinne Düringer - Hachenburg, Anmerkung 4 zu § 52; Staub - Pinner, Anmerkung 2 zu § 52; Komm. der Reichsgerichtsräte, Anmerkung 14 zu § 116).

Da somit der einzige persönlich haftende Gesellschafter selbst unbeschadet entgegengesetzter Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages jedenfalls nach außen hin zum Widerruf der Prokura auch eines Kommanditisten berechtigt ist und es sich bei der Anmeldung der Löschung der Prokura um die Erzielung einer Wirkung nach außen handelt, war dem Revisionsrekurs teilweise Folge zu geben und der Beschluß des Registergerichtes, mit welchem die Löschung der Prokura des Dr. Ludwig S. im Handelsregister angeordnet wurde, wiederherzustellen.

Soweit sich der Revisionsrekurs gegen die Abweisung des Antrages auf Eintragung der Gesamtprokura der Isabella W. richtet, ist er unbegrundet. Nach Lehre und Rechtsprechung ist die Beschränkung der Vertretungsbefugnis des einzigen Komplementärs einer Kommanditgesellschaft unzulässig (so neben der oben angeführten Lehre und Rechtsprechung auch SZ. III/86 u. a. m.). Die begehrte Eintragung der Kollektivzeichnungsberechtigung der Isabella W. gemeinsam mit dem einzigen persönlich haftenden Gesellschafter Hans W. würde aber eine derartige unzulässige Einschränkung der Vertretungsbefugnis des Hans W. zur Folge haben. Abgesehen davon stellt die Erteilung einer Gesamtprokura an einen Prokuristen mit der Beschränkung der gemeinsamen Zeichnungsberechtigung mit einem Gesellschafter eine unzulässige Einschränkung der Rechte des Prokuristen dar und es kann auch eine Gesamtprokura nur an mehrere Prokuristen erteilt werden, wie sich aus der Bestimmung des § 48 Abs. 2 HGB. ergibt (SZ. XXI/131). Ein zweiter Prokurist, mit dem die Isabella W. gemeinsam zeichnen soll, wurde aber im Antrage nicht namhaft gemacht.

Aus allen diesen Gründen ist die begehrte Eintragung der Isabella W. als Gesamtprokuristen unzulässig, weshalb dem Revisionsrekurs im übrigen der Erfolg versagt bleiben mußte.

Da, wie oben dargelegt, die Beschränkung der Vertretungsbefugnis des einzigen persönlich haftenden Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft unzulässig ist, wird das Registergericht gemäß § 142 FGG. die im Register eingetragene Einschränkung der Vertretungsbefugnis des Hans W. durch Kollektivzeichnung mit einem anderen Prokuristen zu löschen haben.

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