OGH 1Ob146/50

OGH1Ob146/5015.3.1950

SZ 23/65

Normen

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §9
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §9

 

Spruch:

Keine Verwechslungsfähigkeit von "Sanabo" und "Sanapha". Über den Schutz abgegriffener Wortmarken.

Entscheidung vom 15. März 1950, 1 Ob 146/50.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Oberlandesgericht Graz.

Text

Die Klägerin "Sanabo", Fabrik chemischer und pharmazeutischer Produkte, Dr. Karl und Maria St. in Wien, bzw. ihre Rechtsvorgängerin, eine Gesellschaft m. b. H., führt seit 1921 die nähere Bezeichnung "Sanabo" in ihrem Firmenwortlaut. Auch ist seit dieser Zeit eine Wortmarke "Sanabo" für sie markenrechtlich registriert; desgleichen auch eine das Wort "Sanabo" enthaltende Wortbildmarke. Die Behauptung der Klägerin, daß ihre Firma im Verkehr schlechthin mit "Sanabo" bezeichnet werde und unter diesem Namen im Verkehr bekannt sei, ist unbestritten geblieben.

Die Beklagte "Sanapha", chemisch-pharmazeutische Werke, Gesellschaft m. b. H. in Graz, ist eine Neugrundung (1947). Sie vertreibt gleichfalls pharmazeutische Artikel. Sie führt eine bisher nicht registrierte Wortbildmarke "Sanapha". Unbestritten ist, daß sie auch sonst im Verkehr das Wort "Sanapha" zur Bezeichnung ihres Betriebes und ihrer Waren verwendet.

Klägerin erblickt in dem Verhalten der Beklagten eine unlautere Wettbewerbshandlung nach § 9 UnlWG. und beantragt u. a., die Beklagte zu verurteilen, im geschäftlichen Verkehr die Verwendung einer Firma oder abgekürzten Firmenbezeichnung, in der das Wort "Sanapha" enthalten ist, sowie das Wort "Sanapha" zur Bezeichnung von Waren oder in Ankündigung usw. zu unterlassen.

Das Berufungsgericht hat diesem Begehren in teilweiser Abänderung des erstrichterlichen Urteiles stattgegeben und die Klägerin überdies ermächtigt, das Urteil in zwei Zeitungen auf Kosten der Beklagten zu veröffentlichen. Im übrigen hat das Berufungsgericht das erstrichterliche Urteil bestätigt, das das weitere klägerische Begehren auf Unterlassung der Verwendung auch eines anderen mit "Sanapha" verwechslungsfähigen Zeichens und auf Verurteilung zur Rechnungslegung abgewiesen hat.

Der Oberste Gerichtshof stellte die erstinstanzliche Entscheidung wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Schwerpunkt der Revision liegt in der Rechtsrüge, die in erster Reihe die Verwechslungsfähigkeit der von den Streitteilen verwendeten Wortzeichen bestreitet. Sie ist begrundet.

Eine Verwechslungsgefahr ist dann gegeben, wenn die Zeichen der beiden Streitteile bildlich, begrifflich oder klanglich so starke Ähnlichkeit aufweisen, daß auch nur nach einem dieser Gesichtspunkte eine Verwechslungsgefahr zu befürchten ist. Da die Klägerin die Verwendung des Wortzeichens "Sanapha" der Beklagten bekämpft, so scheidet eine Untersuchung der Verwechslungsfähigkeit der von beiden Parteien verwendeten kombinierten Wort-Bildmarken aus. Der Oberste Gerichtshof kann sich daher auf die Frage beschränken, ob eine begriffliche oder klangliche Verwechslungsfähigkeit zu befürchten ist.

"Begrifflich" weisen beide Marken durch Verwendung der Silben "Sana" darauf hin, daß unter diesen Zeichen Heilmittel vertrieben werden. Die begriffliche Verwechslungsfähigkeit wäre daher an sich gegeben. Da aber das Zeichen "Sana" bei Heilmitteln ein freies Zeichen ist, das von keinem Betrieb monopolisiert werden kann, weil es als Beschaffenheitsangabe gilt und deshalb jeder Kennzeichnungskraft entbehrt, so kann von einer begrifflichen Verwechslungsfähigkeit keine Rede sein. Das behauptet auch die Klägerin selbst nicht.

Der Oberste Gerichtshof mußte daher nur untersuchen, ob eine klangliche Verwechslungsfähigkeit besteht, was das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit dem Klagsantrag bejaht hat.

Der Oberste Gerichtshof geht im Sinne der ständigen Judikatur davon aus, daß der Gesamteindruck zweier Zeichen zu beachten ist, u. zw. auch dann, wenn beide Vergleichszeichen aus dem gleichen freien Stamm gebildet sind. Es ist daher weder der gemeinsame Teil isoliert zu betrachten noch die von einander verschiedenen Teile der Zeichen, und zu erwägen, ob die beiden Zeichen in ihrem Gesamteindruck so ähnlich sind, daß anzunehmen ist, daß ein Durchschnittskunde, wenn er das eine Zeichen sieht oder hört, bei gewöhnlicher Aufmerksamkeit glauben wird, das andere ihm bekannte Zeichen vor sich zu haben. Da es sich hier um die Abschätzung der Wirkung der Zeichen auf einen Durchschnittskunden, also um einen konstruierten Maßstab, handelt - vgl. die Sorgfalt eines ordentlichen Hausvaters usw. -, so kommt es darauf, ob im Einzelfall Verwechslungen vorgekommen sind oder nicht, überhaupt nicht an, weil es sich bei Feststellung der Verwechslungsgefahr um eine Rechtsfrage handelt, woraus sich ergibt, daß die Revision mit Unrecht dem Berufungsgericht eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens zum Vorwurf macht, wenn es die von der Revisionswerberin in dieser Richtung angebotenen Beweise nicht zugelassen hat.

Wenn auch allein der Gesamteindruck der Vergleichszeichen maßgebend ist, so besagt das nicht, daß nicht werbepsychologisch Wortmarken verschieden zu betrachten sind, je nachdem sie als Markenkern ein reines Phantasiewort oder ein freies Beschaffenheitszeichen enthalten. Bei ersteren zieht das Phantasiewort in der Regel die Aufmerksamkeit so auf sich, daß Verschiedenheiten in den Endungen unbeachtet bleiben, weil das Auge des gelegentlichen Käufers so von dem Hauptbestandteil gefangen genommen wird, daß er kaum die ganze Länge der Marke zu Ende liest. Anders dann, wenn die Marke mit einem an sich nicht schutzfähigen Stamm beginnt, wie dies insbesondere in der chemischen und Heilmittelindustrie üblich ist, wo Warenzeichen vielfach in der Weise gebildet werden, daß einer im freien Verkehr befindlichen Warenbezeichnung eine lateinisch oder griechisch klingende Endung angehängt wird. Hier hat sich der Verkehr daran gewöhnt, dem Stammwort nur geringere Beachtung zu schenken und das Hauptaugenmerk auf die sonst kaum berücksichtigte Ableitungssilbe zu legen, so bei den mit Eu-, Ultra-, Antalg-, Asthm-, Beton-, Nitrousw. gebildeten Marken, in englischer Sprache insbesondere den mit Vap(our) zusammengesetzten Zeichen, in französischer Sprache den mit "Provende-" zusammengesetzten usw. Bei so gebildeten Marken hat sich der Verkehr daran gewöhnt, auch auf verhältnismäßig geringfügige Abweichungen zu achten, so daß der flüchtige Beschauer in der Erinnerung die verschiedenen Namen, auch wenn er sie nicht gleichzeitig nebeneinander hört oder sieht, durch Abweichungen in den Endsilben auseinanderhalten kann.

Diese Grundsätze gelten auch bei Arzneimitteln. Die von der Revision vertretene, bisweilen im Ausland verteidigte Auffassung, daß bei Arzneimitteln in bezug auf den Wortklang deshalb geringere Anforderungen zu stellen, weil diese Mittel nur von Ärzten verordnet werden, ist von der österreichischen Judikatur immer abgelehnt worden. Daran hält der Oberste Gerichtshof fest, zumal da im Wirtschaftsleben jederzeit neue Abnehmer - insbesondere Wiederverkäufer - auftreten können und auftreten, deren Irreführung zu befürchten ist. Branchenkenntnis schließt noch nicht die Verwechslungsgefahr hinsichtlich von Markennamen aus.

Die Entscheidung, ob im konkreten Fall eine Verwechslungsgefahr vorliegt, hängt daher davon ab, ob die Worte "Sanabo" und "Sanapha" als verwechslungsfähig anzusehen sind, wenn davon ausgegangen wird, daß der Blickfang des Beschauers zunächst auf die Endsilbe gerichtet ist. Daß die beiden Worte dreisilbig sind und die beiden ersten Silben genau übereinstimmen, ist von untergeordneter Bedeutung, weil die beiden ersten Silben ausschließlich von dem gemeinfreien Worte "Sana" gebildet sind, das im Heilmittelhandel so abgegriffen ist, daß der Beschauer ihm kaum eine besondere Beachtung schenkt. Bedeutsamer ist, daß die Endsilben, auf denen das Schwergewicht liegt, klanglich völlig verschieden sind, da sie, obwohl in beiden Fällen nur aus einem Konsonanten und einem Vokal bestehend, weder den Konsonanten noch den Vokal gemeinsam haben. Dadurch unterscheidet sich der vorliegende Fall wesentlich von dem seinerzeit mit Bescheid des BM. f. Handel und Verkehr vom 8. August 1930, Pat.Bl. 1931, S. 61, entschiedenen, in dem über Klage der Rechtsvorgängerin der heutigen Klägerin die Wortmarken "Sanabo" und "Sanadon" für verwechselbar erklärt wurden, wobei, wie aus der Begründung ersichtlich, insbesondere auf den gemeinsamen Selbstlaut "o" ein besonderes Gewicht gelegt wurde.

Entscheidend ist aber, daß es sich vorliegend nicht um die abgenützten Endsilben "an", "in", "on", "al", "il", "ol" usw. handelt, sondern um die im Eingriffszeichen verwendete, in Heilmittelmarken nicht alltägliche Endsilbe "pha". Zieht man nun in Betracht, daß nach der Auffassung des deutschen Patentamtes bei Heilmitteln sogar die Verwendung der Suffixe "an" und "ol" für eine so starke Unterscheidung erachtet wird, daß man damit rechnen könne, daß der Verkehr zwei aus gleichem freien Stamm gebildeten Worte auseinanderhalten könne (Beschwerdesenat XXI, 16. November 1934, Mitteilungen der deutschen Patentanwälte, 35/30) - ob das richtig ist, läßt der Oberste Gerichtshof dahingestellt -, so kann um so weniger in den Wortmarken "Sanabo" und "Sanapha" eine so große Ähnlichkeit erblickt werden, daß mit Verwechslungen im Verkehr bei durchschnittlicher Aufmerksamkeit gerechnet werden muß. Die im Verkehr befindlichen "Sana"-marken sind so zahlreich, daß auch der Durchschnittskunde daran gewöhnt ist, hier auf Unterschiede zu achten, die ihm bei Marken, die aus Silben zusammengesetzt sind, die weniger häufig vorkommen, entgehen würden.

Der Oberste Gerichtshof kommt daher zu dem Ergebnis, daß das Berufungsgericht die Rechtslage rechtlich nicht richtig beurteilt hat, wenn es die Worte "Sanabo" und "Sanapha" als verwechslungsfähig angesehen hat.

Es mußte daher der Revision Folge gegeben und das erstinstanzliche Urteil wiederhergestellt werden.

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