OGH 1Ob123/50

OGH1Ob123/508.3.1950

SZ 23/59

Normen

ABGB §1412
ABGB §1435
Schillinggesetz §13
Schillinggesetz §14
ABGB §1412
ABGB §1435
Schillinggesetz §13
Schillinggesetz §14

 

Spruch:

Der Schuldner darf nur dann Zahlungen auf ein Konto des Gläubigers leisten, wenn der Gläubiger durch kaufmännische Mitteilungen bekanntgegeben hat oder dem Schuldner im besonderen zu wissen tut, daß Zahlungen auf sein Konto geleistet werden können. Nur die Teilhaberschaft am Girokontoverkehr der Postsparkasse verpflichtet ohne weiteres, Einzahlungen auf das Postsparkassenkonto als Zahlungen gelten zu lassen.

Einzahlungen bei einer Bank zwecks Auszahlung (Überweisung) an den Gläubiger gelten nur dann als Zahlung, wenn die Zahlung (Überweisung) ohne Verspätung durchgeführt wird. Wird die Zahlung über eine Zentrale an eine kontoführende Filiale geleistet, so ist das Einlangen bei der Filiale maßgebend.

Überweisungen, die vor dem 20. Dezember 1945 infolge der Kriegsereignisse stecken geblieben sind und erst nach diesem Tage effektuiert wurden, gelten nicht als Zahlung.

Entscheidung vom 8. März 1950, 1 Ob 123/50.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Die Kläger standen mit dem Beklagten in Geschäftsverbindung; nach den untergerichtlichen Feststellungen haben sie dem Beklagten jeweils über Aufforderung Vorschüsse übermittelt, die dann mit den gelieferten Waren verrechnet wurden. Die Unterinstanzen stellten fest, daß Beklagter auch im März 1945 eine Vorschußzahlung verlangt habe und daß die Kläger ihm 15.000 RM überwiesen haben. Sie haben Mitte März 1945 die Länderbank AG. Wien (Hauptanstalt) beauftragt, 15.000 RM im Wege der Länderbankfiliale W. auf das Konto des Beklagten bei der Sparkasse S., Zweigstelle O., zu überweisen. Am 15. März 1945 hat die Länderbankfiliale W. diesen Betrag an die Gemeindesparkasse S., mit der sie in Verrechnung stand, überwiesen. Diese hat ihrerseits ihrer Zweigstelle in O., wo Beklagter ein Konto hatte, den Betrag überwiesen, doch langte der Geschäftsauftrag bei der Filiale O. infolge der Kriegsereignisse nicht mehr ein, so daß der Betrag dem Beklagten erst am 24. Februar 1946 gutgebucht werden konnte. Unter einem wurde Beklagter verständigt; er behauptet, die Verständigung erst im Sommer 1946 erhalten zu haben. Da es infolge der Kriegsereignisse nicht mehr zur beabsichtigten Lieferung kam, verlangen die Kläger Rückstellung der überwiesenen 15.000 RM = S. Der Beklagte hat anerkannt, 40% dieses Betrages, nämlich 6000 S, d.

i. der Teilbetrag, über den er gemäß § 14 Z. 2 SchillingG. frei verfügen konnte, zu schulden, die Verpflichtung zur Zahlung des Restbetrages aber bestritten.

Das Erstgericht hat den Beklagten mit Teilurteil zur Zahlung von 6000 S und mit Endurteil zur Zahlung von 9246.12 S verurteilt. Der Beklagte hat nur die Verurteilung zur Zahlung von 9000 S angefochten.

Das Berufungsgericht hat seiner Berufung Folge gegeben und das Begehren auf Zahlung von weiteren 9000 S abgewiesen.

Die Revision der klagenden Partei blieb ohne Erfolg.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Das Schwergewicht der Revision liegt auf dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Die Revision ist auch in dieser Richtung nicht begrundet.

Der Auffassung des Berufungsgerichtes, daß der Umstand, daß der Gläubiger bei einer Bank (oder Sparkassa) ein Konto unterhält, schlechthin den Schuldner ermächtige, auf dieses Konto Zahlungen zu leisten, kann nicht zugestimmt werden. Der Oberste Gerichtshof hält vielmehr an dem in der Entscheidung vom 30. September 1925, SZ. VII/307, Rspr. 1926, Nr. 42, ausgesprochenen Grundsatze fest, daß ein Schuldner nur dann berechtigt sei, auf das Konto seines Gläubigers Zahlungen zu leisten, wenn der Gläubiger allgemein durch seine kaufmännischen Mitteilungen bekanntgebe, daß er ein Konto bei einer bestimmten Bank hat oder dem Schuldner im besonderen zu wissen tut, daß dieser Zahlungen auf sein Bankkonto leisten könne. Eine weitergehende Ausnahme wird nur für die Teilnehmerschaft am Girokontoverkehr der Postsparkasse gemacht, indem angenommen wird, daß jeder, der ein Konto bei der Postsparkasse unterhält, mit Rücksicht auf die Übung im Handelsverkehr damit allgemein zu erkennen gebe, daß er Einzahlungen auf dieses Konto als unmittelbar an ihn geleistete Zahlungen gelten lassen will (E. v. 6. Juli 1933, SZ. XV/153; 11. Juni 1947, SZ. XXI/38).

Der vorliegenden Klage könnte daher nur dann stattgegeben werden, wenn feststunde, daß entweder Beklagter sich den Klägern gegenüber bereit erklärt hat, Zahlungen auf sein Konto bei der Zweigstelle O. der Sparkasse S. entgegenzunehmen, oder daß auch früher schon im Geschäftsverkehr zwischen den Streitteilen die Übung bestand, Zahlungen auf dieses Konto zu leisten.

Im vorliegenden Fall erübrigt sich aber diese Feststellung, weil die Klage auch dann, wenn eine solche Vereinbarung bestand, keinen Erfolg haben kann.

Wie der Oberste Gerichtshof im Spruche 228 (vom 3. Dezember 1913, GlUNF. 6668) ausgesprochen hat, gilt die Einzahlung eines Betrages bei einer Bank zwecks Auszahlung an den Gläubiger nur dann als Zahlung, wenn der angewiesene Betrag dem Gläubiger am vertragsmäßigen Zahlungsorte auch wirklich ausbezahlt worden ist. Das muß sinngemäß auch dann gelten, wenn der überwiesene Betrag nach der Parteienvereinbarung nicht bar auszuzahlen, sondern im Giroverkehr gutzubringen war. In beiden Fällen reist der überwiesene Betrag auf Gefahr des Überweisenden; das gilt sowohl dann, wenn die Überweisung überhaupt nicht, als auch dann, wenn sie verspätet einlangt. Wenn der überwiesene Betrag dem Gläubiger erst nach Monaten, unter völlig geänderten Verhältnissen, zukommt, so kann die Einzahlung bei der überwiesenen Bank nicht als Zeitpunkt der Zahlung gelten, sondern erst der Zeitpunkt der Auszahlung, bzw. Gutbringung bei der Bankstelle, wo der Kontoinhaber sein Konto hält.

Von dieser Rechtsauffassung aus war daher zu untersuchen, ob und wann der in Rede stehende Betrag dem Beklagten zugekommen ist. Keinesfalls kann gesagt werden, daß der Betrag dem Kontoinhaber zugekommen ist, solange er nur bei der Bank des Absenders oder einer Zwischenbank eingegangen ist. Das ist in Lehre und Rechtsprechung unbestritten. Da banktechnisch auch die Zentrale einer Bank (Sparkasse) im Verhältnis zur kontoführenden Filiale der Bank (Sparkasse) des Empfängers als Zwischenbank gilt, weil der Empfänger nur über das Guthaben bei der kontoführenden Filiale verfügen kann, so kommt es darauf, wann der Überweisungsauftrag bei der Sparkasse S. eingelangt ist, nicht an, da das Konto nicht bei der Zentrale dieser Sparkasse, sondern bei ihrer Zweigstelle in O. geführt wurde.

Die weitere, viel erörterte Streitfrage, ob der Betrag dem Kontoinhaber bereits in dem Augenblick als zugegangen gilt, da der Überweisungsauftrag bei der Empfängerbank eingelangt ist oder erst im Zeitpunkte der Gutbringung auf dem Empfängerkonto oder gar erst im Zeitpunkt der Absendung der Verständigung von der Gutbringung durch die Empfängerbank, kann auf sich beruhen, weil nach den untergerichtlichen Feststellungen der Überweisungsauftrag infolge der Kriegsereignisse die Zweigstelle O. nicht mehr erreicht hat und erst nach Wiederkehr halbwegs normaler Verhältnisse und Wiederherstellung der zugrunde gegangenen Akten im Februar 1946 der Auftrag bei der Kontostelle, der Filiale O. der Gemeindesparkasse S., eingelangt ist.

Die nach dem Stichtag (20. Dezember 1945) erfolgte Gutbringung des Betrages kann aber nicht mehr als rechtsgültige Zahlung gelten (SZ. XXI/38), weil der Empfänger über den überwiesenen Betrag nicht zur Gänze frei verfügen kann. Dem Obersten Gerichtshof ist bekannt, daß das Bundesministerium für Finanzen mit Erl. Z. 27.929/15/46 im Mai 1946 ausgesprochen hat, daß alle Verbindlichkeiten, die vor dem 20. Dezember 1945 entstanden sind, auch wenn sie erst nach diesem Tage fällig werden, mit schuldbefreiender Wirkung im Giroverkehr von Alt- , bzw. Konversionskonten bezahlt werden können und daß die Gläubiger nach der Meinung des Bundesministeriums für Finanzen solche Überweisungen von Alt-, bzw. Konversionskonten nicht zurückweisen dürfen. Nichtsdestoweniger hält der Oberste Gerichtshof an seiner in SZ. XXI/38 ausgesprochenen Rechtsmeinung fest, weil die Rechtsauffassung des Bundesministeriums für Finanzen im Schillinggesetz keine Deckung findet. Da in dem genannten Erlaß keine Verfügung getroffen, sondern nur die Rechtsmeinung des Bundesministeriums für Finanzen über Zivilrechtsfolgen zum Ausdruck gebracht wurde, so sieht sich der Oberste Gerichtshof auch nicht veranlaßt, beim Verfassungsgerichtshof die Aufhebung dieses Erlasses anzuregen, weil Erläuterungserlässe eines Bundesministeriums keine Rechtsnorm sind und der Oberste Gerichtshof demnach berechtigt ist, ohne Bedachtnahme auf diesen Erlaß zu entscheiden.

Es war daher nur noch zu untersuchen, ob der Klageanspruch nicht etwa aus dem Titel des § 1435 ABGB. zu Recht besteht. Diesbezüglich hat der Oberste Gerichtshof erwogen, daß nach § 1435 ABGB. nur das zurückgefordert werden kann, was geleistet worden ist; da die Leistung erst nach dem Inkrafttreten des Schillinggesetzes erfolgte, so bestand die Leistung in einem zu 40% frei verfügbaren und zu 60% gesperrten Betrage. Nur der letztangeführte Betrag ist Gegenstand des Revisionsverfahrens. Es kann daher nur das Sperrkonto kondiziert werden und da dieses nach §§ 14 ff. SchillingG. nicht abtretbar ist und inzwischen auf Grund des Währungsschutzgesetzes abgebucht wurde, Beklagter daher auch keinen Ersatzwert in Händen hat, so kann vom Beklagten eine weitere Leistung nicht gefordert werden. Auch die Frage, ob Beklagter zur Erwirkung von Freigaben im Sinne des § 13 Abs. 1 SchillingG. verpflichtet war, braucht nicht eingegangen zu werden, weil die Kläger gar nicht behauptet haben, daß Beklagter über kein anderes Einkommen zur Bestreitung seines notwendigen Unterhaltes verfügt habe und demnach gar nicht vorgetragen worden ist, daß Beklagter die rechtliche Möglichkeit gehabt hätte, um Freigabe dieses Kontos oder eines Teilbetrages anzusuchen.

Das Berufungsgericht hat daher zutreffend das Klagebegehren abgewiesen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte