OGH 3Ob96/50

OGH3Ob96/501.3.1950

SZ 23/50

Normen

Bundesverfassungsgesetz 1920 Art94
Mietengesetz §19 Abs2 Z4
Mietengesetz §19 Abs2 Z4a
Mietengesetz §36
ZPO §190
Bundesverfassungsgesetz 1920 Art94
Mietengesetz §19 Abs2 Z4
Mietengesetz §19 Abs2 Z4a
Mietengesetz §36
ZPO §190

 

Spruch:

Ein die Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 Z. 4 a MietG. bejahender Bescheid der Verwaltungsbehörde ist der Überprüfung durch die Gerichte entzogen.

Der Kündigungsgrund nach § 19 Abs. 2 Z. 4 a MietG. hat nicht zur Voraussetzung, es habe die klagende Partei den Beweis zu erbringen, daß ihr die zur Ausführung des Umbaues erforderlichen finanziellen Mittel zur Verfügung stehen.

Entscheidung vom 1. März 1950, 3 Ob 96/50.

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Die klagenden Parteien haben das von der beklagten Partei gemietete Geschäftslokal für den Mai-Termin 1949 unter Geltendmachung des Kündigungsgrundes des § 19 Abs. 2 Z. 4 MietG. aufgekundigt.

Das Prozeßgericht hat die Aufkündigung für rechtwirksam erklärt und die klagenden Parteien verpflichtet, der beklagten Partei die Umzugskosten im Betrage von 1000 S zu ersetzen.

Das Berufungsgericht hat über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Prozeßgerichtes bestätigt, jedoch die Revision für zulässig erklärt.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Revision ist allerdings darin beizustimmen, daß die Aufkündigung nicht auf den Demolierungsbescheid der Magistratsabteilung 36 vom 12. August 1949 gestützt werden kann, weil dieser Bescheid erst nach der am 12. Februar 1949 eingebrachten Aufkündigung erlassen wurde und die Berechtigung der Aufkündigung nur nach dem im Zeitpunkte der Aufkündigung vorliegenden Sachverhalt zu überprüfen ist. Soweit demnach das Berufungsgericht die Aufkündigung unter Hinweis auf diesen Bescheid als berechtigt und den Kündigungsgrund des § 19 Abs. 2 Z. 4 als gegeben erachtet hat, erscheint diese Begründung als rechtlich verfehlt.

Das Berufungsgericht hat aber auch den Kündigungsgrund des § 19 Abs. 2 Z. 4 a MietG. als erwiesen angenommen und diese Entscheidung darauf gestützt, daß die Magistratsabteilung 64 mit dem Bescheide vom 12. Februar 1949 gemäß § 19 Abs. 2 Z. 4 a MietG. erkannt hat, daß der geplante Umbau des Hauses aus sicherheitspolizeilichen Gründen sowie aus Rücksichten der Stadtplanung und der Volkswirtschaft im öffentlichen Interesse gelegen ist. Dieser rechtlichen Auffassung des Berufungsgerichtes schließt sich der Oberste Gerichtshof an. Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, daß dieser Bescheid der Magistratsabteilung 64 von den Gerichten nicht auf seine materielle Richtigkeit überprüft werden könne. Die Ausführungen der Revision, die darzutun versuchen, daß dieser Bescheid der Magistratsabteilung 64 verfehlt sei, weil keine Notwendigkeit bestehe, das Haus bis zur Erdoberfläche abzutragen, und den Klägern überdies die finanziellen Mittel zur Ausführung des geplanten Neubaues nicht zur Verfügung stehen, können daher im Revisionsverfahren nicht berücksichtigt werden. Die Revision vermeint allerdings, aus dem Umstande, daß im § 36 MietG. die Bestimmung des § 19 Abs. 2 Z. 4 a MietG. nicht angeführt werde, ergebe sich, daß die Gerichte zu einer sachlichen Überprüfung eines auf § 19 Abs. 2 Z. 4 a MietG. gestützten Bescheides der Verwaltungsbehörde berechtigt seien. Diese Auffassung muß als rechtsirrig abgelehnt werden, da nach dem im Art. 94 B-VG. festgelegten Grundsatze der Trennung der Gewalten die Gerichte an rechtskräftige Entscheidungen der Verwaltungsbehörden gebunden sind. Im übrigen befaßt sich § 36 MietG. nur mit der Frage der Unterbrechung des zivilgerichtlichen Verfahrens in gewissen Fällen, in welchen die Entscheidung einer Verwaltungsbehörde noch ausständig ist, nicht aber mit der Frage der Bindung der Gerichte an Entscheidungen der Verwaltungsbehörden.

Der Revision ist auch darin zuzustimmen, daß zum Tatbestand des § 19 Abs. 2 Z. 4a MietG. erforderlich ist, daß das Haus oder der Hausanteil, in welchem sich der gekundigte Bestandsgegenstand befindet, bis zur Erdoberfläche abgetragen werden und durch einen Neubau ersetzt werden soll und daß die zuständige Verwaltungsbehörde mit Bescheid erkannt hat, daß der geplante Umbau aus Gründen der Verkehrssicherheit oder aus anderen wichtigen Gründen im öffentlichen Interesse liegt. Die Absicht der klagenden Parteien, das Haus bis zur Erdoberfläche abzutragen und einen Neubau aufzuführen, ergibt sich hinlänglich aus dem Bescheide der Magistratsabteilung 64 vom 12. Februar 1949 und aus dem in diesem Bescheide angeführten, baubehördlich genehmigten Bauplan. Es bedurfte daher keiner weiteren Beweisführung über das Vorliegen dieser Voraussetzungen. Wenn die Revision die Ansicht vertritt, von einer Abtragung des Hauses bis zur Erdoberfläche könne deshalb keine Rede sein, weil nach dem Bauplane einige Teile der Haupt- und Stützmauern erhalten bleiben sollen, so muß ihr entgegengehalten werden, daß nach den Feststellungen der Vorinstanzen kein derzeit bestehender Raum im fraglichen Teile des Hauses trotz der Demolierungsarbeiten derart erhalten bleiben soll, daß er für Wohn- oder Geschäftszwecke weiter benützt werden könnte. Unter diesen Umständen ist es belanglos, wenn einzelne Mauerteile des Hauses nicht niedergerissen werden sollen. Daß der geplante Umbau im öffentlichen Interesse liegt, hat die Magistratsabteilung 64 mit dem oben angeführten Bescheid ausdrücklich ausgesprochen. Daß die klagenden Parteien auch den Nachweis zu erbringen haben, daß ihr die zur Ausführung des Umbaues erforderlichen finanziellen Mittel zur Verfügung stehen, wird in § 19 Abs. 2 Z. 4 a MietG. nicht gefordert. Der Umstand, daß der dem Bescheide der Magistratsabteilung 64 vom 12. Februar 1949 zugrunde liegende, baubehördlich genehmigte Plan über die Errichtung des Neubaues später abgeändert wurde, ist für die vorliegende Entscheidung ohne jede Bedeutung.

Daß die Aufkündigung nicht deshalb als sittenwidrig bezeichnet werden kann, weil die beklagte Partei mit den klagenden Parteien am 29. Oktober 1948 einen Mietvertrag hinsichtlich des aufgekundigten Geschäftslokales geschlossen hat, wurde bereits vom Berufungsgericht mit zutreffenden Gründen, auf die hiemit verwiesen wird, dargetan.

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