OGH 3Ob444/49

OGH3Ob444/4922.2.1950

SZ 23/40

Normen

ABGB §871
ABGB §1371
ABGB §871
ABGB §1371

 

Spruch:

Wurde im Darlehensvertrag vereinbart, daß der Gläubiger bei Fälligkeit des Darlehens die verpfändete Liegenschaft zu einem im voraus bestimmten Preise veräußern dürfe, so ist der Vertrag auch dann nichtig, wenn der Preis angemessen ist oder wenn er der Überprüfung durch die Preisbehörde unterlag.

Entscheidung vom 22. Februar 1950, 3 Ob 444/49.

I. Instanz: Kreisgericht St. Pölten; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Der Kläger hatte in seiner Klage, mit der er den Ausspruch begehrte, daß der zwischen den Streitteilen abgeschlossene Kaufvertrag, betreffend die Liegenschaften EZ. 37-40 Katastralgemeinde G. nichtig ist, ausgeführt, er habe von der Volksbank X. ein Darlehen von 160.000 S erhalten, wofür eine Krediturkunde und ein vollstreckbarer Notariatsakt, auf Grund dessen die Bank das Recht auf zwangsweise Pfandrechtsbegründung erhalten sollte, ausgestellt wurde. Überdies habe er sich verpflichtet, für den Fall, als er das Darlehen nicht bis spätestens 30. September 1948 zurückzahlen sollte, der Bank die Ermächtigung zu erteilen, die Liegenschaft um den Betrag von 240.000 S zu verkaufen. Er sei in der Folge mit dem Beklagten in Verkaufsunterhandlungen getreten, der Beklagte habe es aber durch die Behauptung, daß der Kläger Holz im Werte von 50.000 S geschlägert habe, so daß die Gefahr der Verschleuderung von Vermögenswerten zum Schaden der Bank vorliege, arglistigerweise verstanden, die Bank, die die Vollmacht des Klägers zum Verkaufe der Liegenschaften besaß, zu bewegen, ihm diese Liegenschaften um den Betrag von 240.000 S zu verkaufen. Da die Voraussetzungen des § 871 ABGB. vorlägen, sei der Kaufvertrag vom 14. Oktober 1948 nichtig.

Im Zuge des Verfahrens stellte der Kläger in einem Schriftsatz, den er als "Erweiterung des Klagebegehrens" bezeichnete, den Antrag, festzustellen, daß der bezeichnete Kaufvertrag nicht zu Recht bestehe oder daß der vom Kläger am 20. Mai 1949 erklärte Rücktritt von diesem Kaufvertrage rechtswirksam sei.

Das Erstgericht wies mit dem Urteil vom 1. Juli 1949, mit dem es den Beschluß auf Nichtzulassung der beantragten Klagsänderung verband, das ursprünglich gestellte Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht gab in einem besonderen Beschlusse dem Rekurse des Klägers gegen den erwähnten Beschluß des Erstgerichtes nicht Folge, änderte aber mit dem angefochtenen Urteile das erstrichterliche Urteil dahin ab, daß der Kaufvertrag hinsichtlich der bezeichneten Liegenschaften nichtig ist. Es nahm allerdings, gleich dem Erstgerichte, den Klagegrund nach § 871 ABGB. nicht als gegeben an. Die Nichtigkeit des Kaufvertrages begrundete es aber unter Hinweis auf die Bestimmungen des § 1371 ABGB., da gelegentlich der Darlehenshingabe eine ungültige Nebenabrede erfolgte, indem dem Darlehensgeber das Recht zum Verkauf der gepfändeten Liegenschaften zu dem bestimmten Preis von 240.000 S eingeräumt wurde.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erblickt die Revision darin, daß das Berufungsgericht dem Klagebegehren stattgab, obgleich es den in der Klage geltend gemachten Klagegrund nach § 871 ABGB. nicht als begrundet ansah, indem sie die Rechtsansicht vertritt, daß das Berufungsgericht nicht berechtigt sei, einen anderen Klagegrund (nach § 1371 ABGB.) an dessen Stelle zu setzen, überdies aber die Voraussetzungen nach § 1371 ABGB. nicht vorlägen, weil in der vom Kläger der Volksbank X erteilten Verkaufsvollmacht ein Preis nicht genannt sei. Es sei nach dem Gesetze weder die Erteilung einer Verkaufsvollmacht noch die Bestimmung eines Mindestlimits, das nicht unter dem Einheitswert der Liegenschaft liege, verboten. Überdies unterlägen nach der Verordnung vom 7. Juli 1942, DRGBl. I S. 451, und der Preisregelungsverordnung 1948, BGBl. 1949, Nr. 8, Kaufverträge über land- und forstwirtschaftliche Grundstücke der Überprüfung durch die Preisbehörde, so daß die Gefahr einer Übervorteilung des Eigentümers ausgeschlossen sei.

Die Revision ist nicht begrundet.

Die Vorschrift des § 1371 ABGB. ist eindeutig und in der Rechtsprechung immer in dem Sinne ausgelegt worden, daß die Nebenabrede des Verkaufes des verpfändeten Gegenstandes dann ungültig ist, wenn ein bestimmter Preis vereinbart ist. Es wurde nun im Verfahren niemals bestritten, daß gleichzeitig mit der Ermächtigung zum Verkaufe der Liegenschaften durch die Volksbank im Falle der nicht rechtzeitigen Rückzahlung des Darlehens auch die Bestimmung des für den Verkauf in Betracht kommenden Preises von 240.000 S besprochen und festgesetzt wurde. Es ist gleichgültig, ob dieser Betrag angemessen ist oder nicht, ob er einer Überprüfung durch die Preisbehörde unterlag oder unabhängig davon festgesetzt wurde. Die Tatsache des festgesetzten Preises allein macht die Nebenabrede ungültig. Diese Tatsachen wurden bereits in der Klagserzählung angeführt. Das Klagebegehren lautet auf Ungültigerklärung des abgeschlossenen Kaufvertrages. Wenn sich auch die Klage anscheinend nur auf die Bestimmung des § 871 ABGB. stützte, so war doch, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, bei der rechtlichen Beurteilung des Sachverhaltes das gesamte Klagevorbringen und somit waren auch die Ausführungen zu berücksichtigen, aus denen sich ergibt, daß der Kaufvertrag auf Grund einer ungültigen Ermächtigung abgeschlossen worden ist.

Das Berufungsgericht änderte sonach nicht eigenmächtig den Klagegrund, sondern folgte nur der Darstellung des Klägers in seiner Klage, wenn es auf Grund des Klagevorbringens die Voraussetzungen nach § 1371 ABGB. als gegeben ansah.

Das Berufungsgericht hat aber auch festgestellt, daß der Beklagte in seiner Klagebeantwortung zugegeben hat, von den Abmachungen des Klägers mit der Volksbank X. Kenntnis gehabt zu haben, so daß er sich nicht darauf berufen könne, daß er in Unkenntnis des die Ungültigkeit der Verkaufsvollmacht der Volksbank X. begrundenden Sachverhaltes den Kauf abgeschlossen habe.

Damit ergibt sich auch, daß der auf Grund einer ungültigen Ermächtigung mit dem Beklagten namens des Klägers durch die Volksbank X. abgeschlossene Kaufvertrag ungültig ist und der Beklagte, der guten Glauben nicht behaupten kann, diese Tatsachen gegen sich wirken lassen muß.

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