OGH 2Ob476/49

OGH2Ob476/4915.2.1950

SZ 23/33

Normen

AktG §183
AktG §184
AktG §186
AktG §187
AktG §195
AußStrG §16
AktG §183
AktG §184
AktG §186
AktG §187
AktG §195
AußStrG §16

 

Spruch:

Wenn bei vereinfachter Kapitalsherabsetzung die freien Rücklagen nicht vollkommen aufgelöst sind und die gesetzliche Rücklage 10% des herabgesetzten Kapitals auch nur um ein geringes übersteigt, hat das Handelsgericht die Eintragung der Kapitalsherabsetzung zu verweigern.

Entscheidung vom 15. Februar 1950, 2 Ob 476/49.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

In der am 27. April 1949 abgehaltenen ordentlichen Hauptversammlung wurde unter anderem einhellig beschlossen, die durch die Kriegs- und Nachkriegsereignisse eingetretenen Verluste an Anlagen, Warenbeständen, Beteiligungen und Forderungen aller Art sowie an Betriebsabgängen infolge Mangels an Fabrikationsmaterial in ihrer restlichen Höhe von 1.377.209.67 S dadurch zu bereinigen, daß das Grundkapital von 6.000.000 S zum Zweck des Ausgleiches von Wertminderungen in vereinfachter Form um 2.000.000 S herabgesetzt und daß von dem über die Verlustdeckung hinaus verbleibenden Betrag von 622.790 S ein Betrag von 513.777.99 S der gesetzlichen und die restlichen 109.012.34 S der freien Rücklage zugewiesen werde; die Herabsetzung hatte in der Weise zu erfolgen, daß die Aktien (Zwischenscheine) der Emissionen 1939 und 1946 eingezogen und zugleich für je drei Stück dieser Aktien (Zwischenscheine) zum Nennwert von 1000 RM bzw. S zwei Aktien (Zwischenscheine) der Emission 1949 zum Nennwert von 1000 S ausgegeben werden. In der Hauptversammlung wurde gleichzeitig beschlossen, das herabgesetzte Grundkapital von 4.000.000 S durch Ausgabe von 2000 Stück Aktien zum Nominale von je 1000 S wieder auf 6.000.000 S zu erhöhen; endlich wurde eine durch die Kapitalsherabsetzung und die Kapitalserhöhung bedingte Änderung der Satzung im § 4, betreffend das Grundkapital und seine Einteilung, beschlossen.

Die Aktiengesellschaft hat auf Grund der in der Hauptversammlung vom 27. April 1949 gefaßten Beschlüsse unter anderem die Eintragung der Herabsetzung des Grundkapitals in vereinfachter Form um 2.000.000 S auf 4.000.000 S, ferner die Erhöhung des herabgesetzten Grundkapitals auf 6.000.000 S und schließlich die Änderung der Satzung im § 4 in das Handelsregister begehrt.

Das Erstgericht hat den Antrag, soweit er die im vorstehenden angeführten Eintragungen betroffen hat, mit der Begründung abgewiesen, daß die in den §§ 183, 184 und 186 AktienG. bestimmten Voraussetzungen für eine Kapitalsherabsetzung in vereinfachter Form insofern nicht gegeben seien, als die aus der Auflösung der Rücklagen (§ 183) und aus der Kapitalsherabsetzung gewonnenen Beträge sowohl zu einer Dotierung der gesetzlichen Rücklage über deren Mindestmaß hinaus als auch zur Einstellung einer freien Rücklage verwendet werden sollen; nach der Ansicht des Erstgerichtes hätte das Grundkapital in vereinfachter Form nur um so viel herabgesetzt werden dürfen, als zur Deckung der bilanzmäßigen Verluste und zur Wiederherstellung der gesetzlichen Rücklage im Ausmaß von 10% des Grundkapitals erforderlich gewesen sei.

Das Rekursgericht hat dem Rekurs der Aktiengesellschaft keine Folge gegeben und gleich dem Erstgericht angenommen, daß der Beschluß der Hauptversammlung in den angeführten Punkten nach § 195 Z. 3 AktienG. nichtig sei.

Der Revisionsrekurs der Aktiengesellschaft wurde mangels der Voraussetzungen des § 16 AußstrG. zurückgewiesen.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Revisionsrekurs bekämpft die Ansicht des Rekursgerichtes über die Nichtigkeit des Beschlusses als offenbar gesetzwidrig. Nach § 183 AktienG. ist die vereinfachte Kapitalsherabsetzung nur zulässig, "nachdem der über 10% des nach der Herabsetzung verbleibenden Grundkapitals hinausgehende Teil der gesetzlichen Rücklage und die zum Ausgleich von Wertminderungen und zur Deckung von sonstigen Verlusten bestimmten freien Rücklagen vorweg aufgelöst sind"; von der Einhaltung dieser Vorschrift kann nur abgesehen werden, wenn das Bundesministerium für Justiz im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Handel und Wiederaufbau sowie den sonstigen beteiligten Bundesministerien eine Ausnahme zuläßt. Nach § 195 Z. 3 AktienG. ist ein Beschluß der Hauptversammlung nichtig, wenn er durch seinen Inhalt Vorschriften verletzt, die ausschließlich oder überwiegend zum Schutz der Gläubiger der Gesellschaft gegeben sind. Das Rekursgericht hat angenommen, daß die Bestimmungen der §§ 183, 184 und 186 AktienG., nach denen die vereinfachte Kapitalsherabsetzung nur insoweit durchgeführt werden könne, als sie nach der Heranziehung eines Überschusses aus der gesetzlichen Rücklage und aus allen vorhandenen freien Rücklagen noch zur Deckung von Wertminderungen und Verlusten notwendig sei, hauptsächlich im Interesse der Gläubiger getroffen seien und daß auf die Verletzung dieser Vorschrift, die im Revisionsrekurs selbst zugegeben wird, Bedacht genommen werden müsse. Da aus dem nach der Bereinigung der Schulden verbliebenen Betrag die gesetzliche Rücklage auf 600.000 S und die freie Rücklage auf 160.349.69 S aufgefüllt worden ist, obwohl nach der Herabsetzung des Aktienkapitals nur eine Erhöhung der gesetzlichen Rücklage auf 400.000 S notwendig war und eine freie Rücklage überhaupt nicht gebildet werden durfte, ist ein Betrag von rund 360.000 S nicht vorschriftsmäßig verwendet worden. Die im Revisionsrekurs vertretene Ansicht, daß nur § 187 AktienG. die bei der vereinfachten Kapitalsherabsetzung zu berücksichtigenden Gläubigerschutzbestimmungen enthalte, kann nicht geteilt werden; § 187 AktienG. enthält vielmehr bloß weitere Gläubigerschutzbestimmungen, die nur im Fall der vereinfachten Kapitalsherabsetzung einzuhalten sind (siehe auch Kommentar Gadow-Weipert, S. 790). Die Annahme des Rekursgerichtes, daß die Bestimmungen der §§ 183, 184 und 186 AktienG. neben der des § 187 AktienG. hauptsächlich dem Schutz der Gläubiger zu dienen haben, steht daher keineswegs in einem Widerspruch zum Gesetz, weshalb von einer offenbaren Gesetzwidrigkeit im Sinne des § 16 AußstrG. nicht die Rede sein kann. Daraus folgt aber, daß auch die weitere Ansicht des Rekursgerichtes über die Nichtigkeit der Beschlüsse der Hauptversammlung nach § 195 Z. 3 AktienG. nicht mit einer offenbaren Gesetzwidrigkeit behaftet ist.

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