OGH 1Ob13/50

OGH1Ob13/5015.2.1950

SZ 23/31

Normen

ABGB §934
ABGB §986
ABGB §1371
ABGB §1487
ABGB §934
ABGB §986
ABGB §1371
ABGB §1487

 

Spruch:

§ 1371 ABGB. steht der Einräumung einer Option auf eine Quote des Pfandgutes im Falle des Eintrittes einer Geldentwertung nicht entgegen, wenn sich der Wert der eingeräumten Quotenrechte im Rahmen der Geldentwertung hält, wofern dem Gericht die Anpassung der Höhe der Quote in diesem Rahmen vorbehalten bleibt.

Die Einrede der laesio enormis muß innerhalb von drei Jahren nach Vertragsabschluß erhoben werden, auch wenn die Verletzung über die Hälfte sich nur auf eine Vertragsklausel bezieht, die erst nach Ablauf von drei Jahren geltend gemacht wird.

Entscheidung vom 15. Februar 1950, 1 Ob 13/50.

I. Instanz: Bezirksgericht Millstatt; II. Instanz: Landesgericht Klagenfurt.

Text

Die Beklagten haben am 17. Oktober 1931 ein Darlehen von 10.000 Schilling Gold bei der Klägerin aufgenommen. Zur Sicherstellung dieses Darlehens verpfändete Erstbeklagter seinen Besitz EZ. 132 KG. M. Laut Punkt 13 des Vertrages ist der Schuldbetrag in solchen Werten zurückzuzahlen, daß die Klägerin in keiner Weise geschädigt oder benachteiligt ist. Das sollte insbesondere für den Fall einer Entwertung des heutigen (17. Oktober 1931) österreichischen Schilling, bei einem Abgehen von der Golddeckung und bei einer Währungsänderung gelten. In allen diesen Fällen verpflichten sich die Beklagten zu ungeteilten Handen, der Klägerin die Schuld samt Anhang in jenem Werte zurückzuzahlen, welcher dem Werte von 2000 m2 besten M.-Domänen-Seegrundes entspricht.

Am 12. Mai 1933 gewährte die Klägerin den Beklagten ein weiteres Darlehen von 2000 S. Zur Sicherstellung dieses Darlehensbetrages verpfändete der Erstbeklagte gleichfalls seinen vorerwähnten Besitz 132 KG. M. Im Punkt 11 des Vertrages wurde festgestellt, daß der Darlehensbetrag dem Werte von 1521.14 Goldschilling entspreche. Die Darlehensnehmer verpflichteten sich, den Gläubigern auf deren Wunsch an Haupt- und Nebenverbindlichkeiten seinerzeit auch effektive Goldschilling 1521.14 oder den entsprechenden Betrag in Papierschillingen zu erstatten. Jedenfalls müsse die Berichtigung der Schuld- und der Nebenleistungen in Beträgen von solcher Höhe erfolgen, daß diese dem inneren Werte der Schuld- und Nebengebühren am Tage des Vertragsabschlusses, bzw. am Darlehenszuzählungstage, d.

i. am 1. April 1933, völlig gleichkommen. Der 1. April 1933 wurde auch als Stichtag für die Feststellung des inneren Wertes der zugezählten 2000 Papierschilling festgesetzt. Der Gläubigerin wurde das Wahlrecht bezüglich der Art der Befriedigung aus diesem Schuldverhältnis eingeräumt. Oberster Grundsatz in diesem Schuldverhältnis und der Tenor dieser Bestimmungen solle sein, die Gläubigerin dürfe daraus keinerlei Schaden oder Nachteil erleiden, anderseits dürfe sie aber auch keine übermäßige Gegenleistung verlangen (Punkt 11). Die Schuldner anerkannten, daß bereits bestehende oder noch Gesetz werdende Goldklauselverordnungen oder Bestimmungen aller Art über einen Annahmerverzug nur dann für die Beklagten Rechtskraft haben und bindend sein sollen, wenn sich die Gläubigerin ihrer bedient. Im Punkt 12 wird der Gläubigerin für den Fall des Eintrittes besonderer Ereignisse, wie beispielsweise Krieg, Währungsverfall, Auffassung der Schillingwährung, Revolution usw., das weitere Recht eingeräumt, sich auf zwei Drittel der Pfandliegenschaft EZ. 132 KG. M. das Eigentumsrecht zu ihren Gunsten und über ihr einseitiges Einschreiten und auf, ihre Kosten bei gleichzeitiger Löschung der für die Gläubiger eingetragenen Pfandrechte grundbücherlich einverleiben zu lassen. Darüber, ob das eine oder das andere Ereignis ein solches Vorgehen der Gläubiger im Sinne dieses Absatzes rechtfertigt, habe das Bezirksgericht Millstatt zu entscheiden.

Auf Grund des letztangeführten Punktes 12 des Vertrages vom 12. Mai 1933 hat die Klägerin am 5. Juli 1946 eine Klage gegen die beiden Beklagten eingebracht, sie seien zur ungeteilten Hand schuldig:

a) einzuwilligen, daß auf zwei Drittel der Liegenschaft EZ. 132 KG.

M. das Eigentumsrecht für Margarethe H. bücherlich einverleibt werde;

b) einzuwilligen, daß gleichzeitig mit dieser Eigentumseinverleibung die Einverleibung der Löschung des auf der genannten Liegenschaft für die Forderungen der Klägerin von 10.000 S samt Anhang und 2000 S samt Anhang einverleibten Pfandrechtes bewilligt werde, dies jedoch nur im Falle der gleichzeitigen Einverleibung des Eigentumsrechtes für Margarethe H. auf zwei Drittel der Liegenschaft EZ. 132 KG. M. Während dieses Prozesses haben die Beklagten am 15. Oktober 1947 der Klägerin im Sinne des Punktes 2 des Notariatsaktes vom 17. Oktober 1931 das Darlehen von 10.000 S einmonatig aufgekundigt und den Betrag von 6.667 S samt 57.50 S (Zinsen angeblich bis zum Hinterlegungstag) am 15. November 1947 beim Bezirksgericht Spittal a. d. Drau erlegt, weil die Klägerin diesen Betrag mit Rücksicht auf die Wertsicherungsklauseln nicht als Zahlung anerkennen wollte. Am 15. April 1948 haben sie beim gleichen Bezirksgericht zur Abdeckung der weiteren Darlehensschuld von 2000 S an Kapital 1333 S und 37.47

S Zinsen mit der gleichen Begründung erlegt. Daraufhin haben die Beklagten das Widerklagebegehren gestellt, es werde der Klägerin gegenüber festgestellt, daß ihr aus dem Notariatsakt vom 17. Oktober 1931 keine Forderungen gegen die Beklagten zustehen, auch sei die Klägerin schuldig einzuwilligen, daß auf Grund dieses Urteiles die Löschung des Pfandrechtes für die Darlehensforderung per 10.000 Goldschilling samt Nebengebühren einverleibt werden könne.

Das Erstgericht hat der Klage Folge gegeben und die Widerklage abgewiesen.

Das Berufungsgericht hat auch die Klage abgewiesen. Diese Entscheidung des Berufungsgerichtes wird von beiden Teilen angefochten, von den Klägern, soweit das erstrichterliche Urteil abgeändert, von der Beklagten, soweit es bestätigt wurde.

Der Oberste Gerichtshof wies die Revision der Beklagten als unzulässig zurück, gab dagegen der Revision der Klägerin rücksichtlich der Abweisung des Klagebegehrens gegen die Erstbeklagte Folge und hob in diesem Umfang das berufungsgerichtliche Urteil auf; der Revision der Klägerin rücksichtlich der Zweitbeklagten gab er nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Revision der Klägerin unterläßt es, die Revisionsgrunde anzuführen, doch ist aus den Ausführungen immerhin ersichtlich, daß sie die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes bekämpft. Sie mußte daher trotz dieses formellen Mangels einer meritorischen Prüfung unterzogen werden.

Das Berufungsgericht hat das erstrichterliche Urteil im wesentlichen mit der Begründung abgeändert, daß im Punkt 12 des Vertrages vom 12. Mai 1933 eine dem § 1371 ABGB. widersprechende Bestimmung zu erblicken sei; dagegen hat das Berufungsgericht die Auffassung abgelehnt, daß die Einwendung der laesio enormis verjährt sei.

Mit Recht wendet sich die Revision gegen diese Rechtsauffassung der Untergerichte, die übereinstimmend entschieden haben, daß die Verjährung der Einwendung der laesio enormis erst in dem Zeitpunkte zu laufen beginne, da die Gläubigerin ihr Vertragsrecht auf Übertragung der Grundstückquote geltend gemacht hat. Der Oberste Gerichtshof kann dieser Meinung nicht beitreten. Nach dem bisher noch in Kraft stehenden Judikat 36 alt (E. v. 30. Jänner 1861, Z. 11.876) kann die Einwendung der laesio enormis nur innerhalb von drei Jahren nach Vertragsabschluß erhoben werden. Auf den Zeitpunkt, wann die Erfüllung des Vertrages verlangt worden ist, kommt es nicht an. Da die Beklagten die Aufhebung des Darlehensvertrages vom 12. Mai 1933 nicht innerhalb von drei Jahren verlangt haben, so können sie sich nach Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist auf § 934 ABGB. nicht berufen, wenn die Gläubigerin nunmehr die Vertragsklausel geltend macht, nach der Erstbeklagter verpflichtet ist, ihr unter gewissen Bedingungen eine Grundstückquote zu überlassen. Jeder Vertrag bildet eine Einheit; es kann den Beklagten nicht das Recht zugebilligt werden, die Vorteile eines Vertrages durch viele Jahre zu genießen und nach 15jähriger Laufzeit des Vertrages den Vertrag anzufechten, weil die Klägerin nunmehr eine bestimmte Vertragsklausel geltend macht. Wenn die Beklagten diesen Vertrag hätten wegen laesio enormis anfechten wollen, so hätten sie den ganzen Vertrag, und nicht etwa den Punkt 12, innerhalb von drei Jahren nach Abschluß des Vertrages anfechten müssen.

Daß die im Punkt 12 des Vertrages vorgesehenen Voraussetzungen nicht vorliegen, wird im Revisionsverfahren gar nicht behauptet; auch der Oberste Gerichtshof ist der Meinung, daß die dort vorgesehenen Bedingungen eingetreten sind. Daß Österreich, wenn auch nur als leidendes Objekt und nicht selbst kriegführend, von den schweren Folgen der größten Kriegskatastrophe der Menschheit in Mitleidenschaft gezogen wurde, bedarf keiner weiteren Erörterung. Auch der eingetretene Währungsverfall steht fest. 1933 war der Dollar fünf Schilling wert, heute 26 S; dabei darf nicht außer acht gelassen werden, daß zwei neue Schilling drei alten Schillingen im Werte gleichstehen. Der Schilling ist daher im Verkehr mit dem Ausland seit 1933 auf den achten Teil gesunken. Da ferner der neue Schilling mit dem alten nicht identisch ist, sondern nur den gleichen Namen gemein hat, so ist auch die Voraussetzung der "Auflassung der Schillingwährung" gegeben. Punkt 12 ist demnach mit Recht von der ersten Instanz für anwendbar erklärt worden.

Es war daher zu untersuchen, inwieweit § 1371 mit Punkt 12 vereinbar ist.

§ 1371 ABGB. bestimmt, daß der Gläubiger das Pfandstück nicht um einen voraus bestimmten Preis für sich behalten könne. Diese Bestimmung will verhindern, daß sich der Gläubiger anläßlich der Darlehensgewährung oder während der Laufzeit des Darlehens bei der Stundung von Zinsen usw. in Ausnützung der wirtschaftlichen Lage des Schuldners eine Option auf das Pfandstück zu einem Preis einräumen läßt, der dem wirtschaftlichen Wert des Pfandes nicht entspricht. Diese Erwägungen führen dazu, daß die Einräumung einer solchen Option zu einem festen Preis auch dann über die traditionelle Auslegung der lex commissoria hinaus als unwirksam anzusehen ist, wenn die Ausübung der Option nicht an die Nichteinhaltung der Verfallszeit geknüpft wird.

Dabei ist daran festzuhalten, daß das wirtschaftlich Bedenkliche einer solchen Klausel nur im Ausbedingen eines festen Preises zu erblicken ist; wird dagegen die Preisfestsetzung dem Richter überlassen, so entfällt damit die Ausbeutungsmöglichkeit und muß daher die getroffene Nebenvereinbarung als wirksam angesehen werden.

Von diesem Gesichtspunkt aus müssen auch Optionsrechte beurteilt werden, die wirtschaftlich als Wertsicherungsklauseln zu qualifizieren sind, wenn der Gläubiger sich den Wert, den er bei der Darlehenshingabe hingegeben hat und den er infolge positiv gesetzlicher Vorschriften nicht im aufgewerteten Gelde verlangen kann, sich dadurch zu sichern sucht, daß er diesen Wert wenigstens in Form einer Quotenbeteiligung am Pfandstück erhalten will. Der Oberste Gerichtshof steht grundsätzlich, wie er insbesondere in der Entscheidung SZ. XXII/206 ausgesprochen hat, auf dem Standpunkt, daß alle Wertsicherungsklauseln, die nicht geradezu verboten sind, als zulässig anzusehen sind. Das muß auch von der Einräumung von Optionsrechten am Pfandstück gelten, wofern die oben angedeuteten Schranken eingehalten sind.

Wenn, wie oben dargelegt, die Überlassung des Pfandstückes oder einer Quote an den Pfandgläubiger zulässig ist, wenn dem Gericht die Bestimmung des Preises vorbehalten bleibt, so muß umgekehrt auch die Einräumung einer Option des Pfandgegenstandes gültig sein, wenn das Gericht die Quote zu bestimmen hat. Die beiden Fälle sind gleichgelagert, nur erfolgt in dem einen Falle die Anpassung von der Geld-, in der anderen von der Warenseite her. Wirtschaftlich gesehen ist es aber dasselbe, ob die zu leistende Sache als fix angesehen wird und der Preis variabel oder der zu zahlende Preis als fest vereinbart gilt und die diesem Preise entsprechende Warenmenge oder Quote vom Gericht zu bestimmen ist. In beiden Fällen fehlt die Ausbeutungsmöglichkeit, die Anlaß zur oben angeführten Verbotsbestimmung des § 1371 ABGB. gegeben hat.

Optionsverträge, die das Geldentwertungsrisiko ausgleichen sollen, sind daher dann zulässig, wenn aus dem Inhalt des Vertrages zu entnehmen ist, daß durch die Optionseinräumung der Gläubiger nur davon befreit werden soll, die Geldentwertungsgefahr zu tragen, daß ihm aber ein über die Geldentwertung hinausgehender Substanzgewinn nicht zufallen soll, und wenn überdies dem Richter die Anpassung der vereinbarten Vertragsklausel an die im Zeitpunkt der Ausübung der Option geltenden Verhältnisse vorbehalten ist.

Beides muß aber im vorliegenden Fall angenommen werden. Im Punkt 11 des Vertrages wurde anläßlich der Einräumung des klagsgegenständlichen Wahlrechtes ausdrücklich vereinbart, daß als oberster Grundsatz zu gelten habe, daß die Gläubigerin keinerlei Schaden oder Nachteil erleiden, aber auch keine übermäßige Gegenleistung verlangen dürfe. Diese Klausel muß im Zusammenhang mit Punkt 12, dem eingeräumten Optionsrecht, ausgelegt werden. Die Anschauung des Erstrichters, daß diese Bestimmung mit Punkt 11 in keinem inneren Zusammenhang steht, ist verfehlt.

Punkt 12 muß daher im Zusammenhang mit Punkt 11 mit Rücksicht auf die Übung des redlichen Verkehrs dahin verstanden werden, daß die Einräumung einer Option an zwei Dritteln der klagsgegenständlichen Liegenschaft nur als Höchstgrenze anzusehen ist, daß aber die Quote, auf die die Klägerin Anspruch erheben kann, vom Gerichte entsprechend herabzusetzen ist, wenn bei starrer Festhaltung an dieser Quote der Klägerin eine übermäßige Gegenleistung zufallen sollte. Die richtige Auslegung des Vertrages führt daher dazu, daß der Klägerin diejenige Quote an der Liegenschaft gebührt, die dem Verhältnis des Darlehensbetrages, der durch diese Klausel gesichert werden sollte, zum Gesamtwerte der Liegenschaft im Zeitpunkte der Hingabe der beiden Darlehen entspricht, wobei Wertänderungen, die seither eingetreten sind und die nicht auf die Geldentwertung zurückzuführen sind, sondern auf eine Substanzwerterhöhung, entsprechend berücksichtigt werden müssen.

Da die unteren Instanzen, von einer anderen Rechtsauffassung ausgehend, diese Untersuchung unterlassen haben, so waren die beiden unterinstanzlichen Entscheidungen aufzuheben, u. zw. auch die erstinstanzliche Entscheidung, weil es schon jetzt erkennbar ist, daß die Rückverweisung an die erste Instanz sich nicht wird vermeiden lassen.

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