Normen
ABGB §1157
ABGB §1325
Reichsversicherungsordnung §182
Reichsversicherungsordnung §537
Reichsversicherungsordnung §559g
Reichsversicherungsordnung §559h
Reichsversicherungsordnung §633
Reichsversicherungsordnung §898
Reichsversicherungsordnung §899
Reichsversicherungsordnung §901
ZPO §503 Z2
ZPO §503 Z3
ZPO §503 Z4
ABGB §1157
ABGB §1325
Reichsversicherungsordnung §182
Reichsversicherungsordnung §537
Reichsversicherungsordnung §559g
Reichsversicherungsordnung §559h
Reichsversicherungsordnung §633
Reichsversicherungsordnung §898
Reichsversicherungsordnung §899
Reichsversicherungsordnung §901
ZPO §503 Z2
ZPO §503 Z3
ZPO §503 Z4
Spruch:
Die Haftung des Unternehmers für den aus einem Betriebsunfall entstandenen Schaden ist nach § 898 RVO. auch dann beschränkt, wenn den Unfall nicht ein auf Grund eines Arbeits-, Dienst- oder Lehrverhältnisses Beschäftigter, sondern eine Person erlitten hat, die wie ein solcher Beschäftigter, wenn auch nur vorübergehend, tätig geworden ist (§ 537 Nr. 10 RVO.).
Die Bestimmung des § 898 RVO. erstreckt sich auf alle nach den §§ 1325 ff. ABGB. zustehenden Ersatzansprüche.
Entscheidung vom 17. Dezember 1949, 1 Ob 261/49.
I. Instanz: Kreisgericht St. Pölten; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Der Kläger brachte zur Begründung seines Schadenersatzbegehrens vor, sein Vater habe dem Beklagten am 9. Juni 1946 einen Stier verkauft, welcher vereinbarungsgemäß zum Fleischhauer H. in A. gebracht worden sei. Als der Kläger dem Beklagten von der Überstellung des Stieres nach A. Mitteilung gemacht habe, habe ihn der Beklagte ersucht, den Stier am nächsten Tag (11. Juni 1946) in sein Anwesen zu treiben. Der Kläger hat zu diesem Zweck die Beistellung eines stärkeren Mannes und die Bezahlung eines entsprechenden Entgeltes verlangt. Der Beklagte habe ihm nur eine Magd schicken können und er habe auch selbst dem Kläger, als dieser den Stier in den Stall getrieben habe, was der Beklagte gesehen habe, dabei nicht geholfen, obwohl er als Landwirt und Fleischhauer habe wissen müssen, daß auch ein gutmütiger Stier, wenn er in einen Stall getrieben werde und dabei die bei einem Fleischhauer immer vorhandene Blutwitterung aufnehme, gefährlich werden könne. Der Stier sei dann im Stall plötzlich wild geworden, worauf die Magd die Kette habe fallen lassen und geflüchtet sei. Der Stier habe nun den Kläger in eine Ecke gedrückt, wobei dieser eine Fraktur des Oberschenkels erlitten habe.
Das Erstgericht erkannte mit Zwischenurteil vom 4. Juni 1948 zu Recht, daß der Klagsanspruch dem Gründe nach zur Hälfte zu Recht bestehe, und führte in den Entscheidungsgründen aus, daß es sich um einen Werkvertrag handle und die Vorschrift des § 898 RVO. daher nicht anwendbar sei, daß der Unfall durch ein Verschulden des Beklagten und das Selbstverschulden des Klägers herbeigeführt worden sei, da beide vermöge ihres Berufes die mit dem Transport eines Stieres verbundenen Gefahren hätten ermessen können und beide eine auffallende Sorglosigkeit an den Tag gelegt hätten, der Beklagte dadurch, daß er, obwohl er ebenso wie der Kläger gewußt habe, daß der Stier keinen Nasenring trage, mit dem er am leichtesten und sichersten zu beherrschen wäre, an Stelle eines kräftigen Mannes eine Magd beigestellt und auch beim Eintreiben des Stieres in den Stall nicht für eine entsprechende Hilfe gesorgt habe, und der Kläger, indem er gleichwohl das Wagnis unternommen habe, den Stier zum Beklagten in den Stall zu treiben, sich überdies dort beim Abschirren vor das Tier gestellt habe.
Das Berufungsgericht gab mit dem angefochtenen Urteil der Berufung des Beklagten Folge und wies in Abänderung des erstgerichtlichen Urteiles das Klagebegehren mit der Begründung ab, daß es sich nicht um einen Werkvertrag handle, weil der Kläger nicht als Unternehmer angesehen werden könne, der Beklagte den Kläger vielmehr als Dienstnehmer seines Vaters unter der stillschweigenden Zustimmung des Vaters diesem habe entlehnen wollen, womit der Vater einverstanden gewesen sei, da der Kläger tatsächlich am nächsten Tage den Transport durchgeführt habe, und es stunde dem Kläger daher ein Anspruch im Sinne des § 1157 ABGB. gegenüber seinem Vater zu, für den jedoch die Vorschrift des § 898 RVO. gelte, und komme diese haftbefreiende Wirkung des § 898 RVO. gemäß § 899 RVO. auch dem Beklagten als Entlehner zu. Würde hingegen ein Dienstverhältnis zwischen den Streitteilen angenommen, wobei dem Beklagten die Stellung eines Unternehmers im Sinne des § 633 RVO. zukäme, so würde den Beklagten zufolge § 898 und den dort angegebenen Voraussetzungen eine Haftung nicht treffen und wäre eine etwaige Zusage des Beklagten, dem Kläger den Schaden zu ersetzen, nicht verbindlich, da ihr die stillschweigende Voraussetzung zugrunde liege, daß den Beklagten eine Verpflichtung treffe, was jedoch nicht der Fall sei.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
In rechtlicher Hinsicht vermag der Oberste Gerichtshof die Ansicht des Berufungsgerichtes, die zwischen den Streitteilen getroffene Vereinbarung, wonach der Kläger gegen Zusicherung einer Jause und einer Geldleistung seitens des Beklagten den Stier mit Hilfe einer vom Beklagten beigestellten Kraft in den Stall des letzteren zu bringen hatte, sei so zu verstehen, daß es sich um eine Entlohnung des Klägers als Dienstnehmer seines Vaters von letzterem durch den Beklagten handle, nicht zu folgen. Die Feststellungen der Untergerichte bieten nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, daß der Kläger diese Vereinbarung mit dem Beklagten im Namen seines Vaters, wenn auch als falsus procurator oder unter der Bedingung einer nachträglichen Zustimmung durch den Vater, geschlossen hat. Nur dann, wenn der Kläger als Stellvertreter seines Vaters bei Abschluß der Vereinbarung aufgetreten wäre, käme der nachträglich erteilten Zustimmung des Vaters die Wirkung zu, daß der Vater Vertragskontrahent wäre. Daß die Landarbeiterversicherungsanstalt bei ihrer Entscheidung ebenfalls angenommen haben soll, es handle sich um einen im Betriebe des Vaters des Klägers erlittenen Betriebsunfall, bindet nach § 901 RVO. die Gerichte nur insoweit, als die Entscheidung ausspricht, daß ein entschädigungspflichtiger Betriebsunfall vorliege. Daß es sich um einen solchen handelt, für den nach der Reichsversicherungsordnung Ersatz zu leisten ist, wurde aber gar nicht bestritten. Übrigens hätte nach den Vorschriften der §§ 559g und 559h RVO., sofern eine Krankheit die Folge eines Unfalles ist, die Krankenkasse Krankenpflege, nämlich ärztliche Behandlung, Versorgung mit Heilmitteln und Krankengeld (§ 182 RVO.), zu gewähren. Demnach würde eine Entscheidung der Landarbeiterversicherungsanstalt, wonach der Kläger den Betriebsunfall als Arbeitnehmer seines Vaters erlitten habe, entgegen der anscheinend gegenteiligen Meinung des Berufungsgerichtes nach § 901 RVO. die Gerichte nicht binden, soweit sie darüber hinausgeht, daß es sich um einen entschädigungspflichtigen Betriebsunfall handelt. Wenn somit auch die vom Berufungsgericht gewählte rechtliche Konstruktion einer Entlehnung des Klägers von seinem Dienstgeber durch den Beklagten, abgesehen davon, daß es jedenfalls fraglich ist, ob die Vorschrift des § 899 RVO. dann auf den Kläger anzuwenden wäre, nicht als zutreffend erachtet werden kann, so ist dem Berufungsgerichte doch darin beizupflichten, daß eine Haftung des Beklagten nach § 898 RVO., wenn auch aus anderen Gründen, gleichwohl ausgeschlossen ist. Nach § 537 Nr. 1 RVO. sind ja nicht bloß die auf Grund eines Arbeits-, Dienst- oder Lehrverhältnisses Beschäftigten gegen Arbeitsunfall versichert, sondern nach § 537 Nr. 10 RVO. auch Personen, die wie ein nach den Nummern 1 bis 9 Versicherter tätig werden, auch wenn dies nur vorübergehend geschieht. Diese Bestimmung kann im Zusammenhang mit § 537 Nr. 1 nur so verstanden werden, daß im Falle der Nr. 10 das § 537 nur eine jener eines Beschäftigten im Sinne des § 537 Nr. 1 entsprechende Betätigung, wenn auch ganz vorübergehender Natur, ohne Vorliegen eines Angestellten- oder Arbeitsverhältnisses gegeben sein muß. Durch die Bestimmung des § 537 Nr. 10 RVO. wurde eben die Unfallversicherung über die Gefolgschaft hinaus auf Außenstehende ausgedehnt, wenn sie eine den Zwecken des Betriebes dienende Tätigkeit ausüben. Das Hertreiben eines Stieres gehört zweifellos auch zur Tätigkeit der Arbeitnehmer eines Fleischhauereibetriebes. Der Kläger hat diese Tätigkeit für den Beklagten, also im Interesse von dessen Fleischhauerei, ausgeübt. Ob der Kläger den Transport des Stieres zu besorgen und die Magd der Beklagten ihm dabei nur helfen sollte oder ob das Umgekehrte der Fall war, ist hiebei ohne entscheidende Bedeutung. Da der Klager die Tätigkeit für Rechnung des Beklagten ausgeübt hat, ist letzterer als Unternehmer im Sinne des § 633 RVO. anzusehen und haftet gegenüber dem Kläger als Versichertem für Schadenersatz bei einem Betriebsunfall nur im Rahmen des § 898 RVO. Daß der Beklagte den Unfall vorsätzlich herbeigeführt hat und daß dies strafgerichtlich festgestellt ist, wurde vom Kläger gar nicht behaftet gegenüber dem Kläger als Versichertem für Schadenersatznehmer offensichtlich von jeder Ersatzpflicht für die Betriebsunfälle befreit werden, sofern er den Unfall nicht vorsätzlich herbeigeführt hat. Diese Haftungsbefreiung muß sich entsprechend ihrem Zweck auf alle nach den §§ 1325 ff. ABGB. in Frage kommenden Ersatzansprüche erstrecken und nicht bloß auf den vom Versicherungsträger berichtigten oder zu berichtigenden Teil derselben. Da das Berufungsgericht angenommen hat, daß sich der Beklagte nur unter der Voraussetzung zur Gutmachung des Schadens bereit erklärt habe, daß ihn eine Verpflichtung treffe, daß er also kein echtes Anerkenntnis abgegeben habe - der Kläger hat ein solches eigentlich gar nicht behauptet -, und der Kläger diese Annahme des Berufungsgerichtes nicht aus den Revisionsgrunden des § 503 Z. 2 oder 3 ZPO. bekämpft hat, kann eine Erörterung in dieser Hinsicht entfallen. Da somit das Berufungsgericht den geltend gemachten Anspruch mit Recht verneint hat, erscheint der Revisionsgrund nach § 503 Z. 4 ZPO. nicht gegeben und mußte daher der Revision ein Erfolg versagt bleiben.
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