Normen
GewO 1994 §59
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §1
GewO 1994 §59
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §1
Spruch:
Die Verteilung von Bestellscheinen, die in Form von Fragebogen gehalten sind, durch die Hausbesorger ist kein unlauterer Wettbewerb.
Entscheidung vom 19. Oktober 1949, 1 Ob 388/49.
I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Wie die klagende Partei, eine Wirtschaftsgenossenschaft der Brennmaterialienhändler, in der Klage ausführt, vertreibt die beklagte Partei durch ihre Vertreter an die Hausbesorger gerichtete Drucksorten mit einer Bestellerliste auf der Rückseite, in denen die sofortige Lieferung von Brennmaterial (zerkleinertem Brennholz) angeboten und auf die vordringliche Verwertung von Bürdel- und Stockholz (d. i. hartes und weiches Astholz, sogenanntes Schwachholz) hingewiesen wird, die von den Forstbehörden gewünscht und gefördert werde. Die klagende Partei erblickt in der Art und Aufmachung dieser Druckschrift, in ihrem Inhalt und ihrer Verbreitung unlautere und gegen die guten Sitten verstoßende Wettbewerbshandlungen, weil die erwähnte Drucksorte eine Irreführung des Personenkreises, an den sie sich wendet, dadurch erziele, daß von der holzwirtschaftlich wichtigen Verwertung von Bürdel- und Stockholz gesprochen und so in den Kunden die Vorstellung einer wirtschaftlich wichtigen, von den zuständigen Behörden ausgehenden Aktion erweckt werde, obwohl vom Beklagten kein anderes als das bei jedem anderen Holzhändler erhältliche Brennmaterial geliefert werde. Die Klägerin begehrt die Unterlassung der Verwendung dieser Drucksorte zu Wettbewerbszwecken, Vernichtung der vorhandenen Exemplare und Schadenersatz von 4000 S sowie Erlassung einer einstweiligen Verfügung durch sofortige Untersagung der Verwendung dieser Drucksorte.
Das Prozeßgericht bewilligte die einstweilige Verfügung, indem es in einer derartigen Aufforderung zu Brennholzbestellungen eine grob unsittliche Wettbewerbshandlung erblickte, weil sie infolge der abgedruckten Lang- und Rundstempel von vier Forstdienststellen den Anschein einer von öffentlichen Stellen genehmigten Aktion oder einer amtlichen Werbung erwecke und die private Natur dieser Werbung nicht erkennen lasse. Das tatsächliche Verhalten der Beklagten in der Ausgabe der Druckschrift an die Hausbesorger werde vom Gericht als wettbewerbsfremd und gegen die guten Sitten verstoßend empfunden.
Das Rekursgericht wies den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ab.
Aus der Begründung des Rekursgerichtes:
Allerdings dürfen die üblichen Mittel zur Kundengewinnung nicht durch Maßnahmen überboten werden, die der ruhige und anständige Mitbewerber verschmäht. Ob aber die Grenzen des lauteren Wettbewerbes überschritten werden, ist nach dem Gesamtcharakter der Handlung im Rahmen der Begleitumstände zu prüfen (Rsp. 1934, Nr. 306). Die Kundenwerbung durch Agenten mittels Anbietung günstiger Vertrags- und Lieferungsbedingungen ist eine im Geschäftsverkehr übliche und nicht zu beanstandende Form des Wettbewerbes, auch wenn die Werbung sich auf Kunden der Konkurrenzunternehmungen bezieht (Rsp. 1931, Nr. 407, RZ. 1932, S. 57). Die Unlauterkeit der Kundenwerbung durch das gegenständliche Bestellformular wurde vom Erstgericht darin erblickt, daß der Name und die Anschrift des Beklagten in kleinerem Druck gehalten ist als die Anschriften der verschiedenen Forstdienststellen, so daß der Anschein einer amtlichen Werbung oder zumindest einer von einer öffentlichen Stelle genehmigten Aktion erweckt werde. Ein Irrtum in dieser Richtung kann aber selbst bei nicht aufmerksamer Durchsicht kaum entstehen. Auch wird wohl ernstlich nicht behauptet werden können, es sei nach dem Inhalt dieser Drucksorte anzunehmen, daß von der Landesforstinspektion in Wien oder von der Generaldirektion der österreichischen Staatsforste Brennholz zum Detailverkauf angeboten werde. Die Geschäftsadresse des Beklagten ist keineswegs so unauffällig angebracht, daß sie gänzlich übersehen werden könnte. Unrichtig ist auch, daß sich die Aufforderung zur Bestellung nur an Personen richtet, deren Bildungsgrad für gewöhnlich nicht so hoch eingestellt ist, denn als Kunden sollen die Wohnparteien angeworben werden, die den verschiedensten Volksschichten angehören können. Die Drucksorte enthält auch keine wahrheitswidrige Behauptung. Es wird vom Beklagten aus eigenen Schlägerungen erzeugtes Bürdel- und Stockholz als ofenfertiges Brennholz in Säcken von je 30 kg, in den Keller abgetragen, zum Preise von 10 S zum Kauf angeboten. Daß die Schwachholzverwertung als vordringlich seitens der unterzeichneten Forstinspektion tatsächlich befürwortet wird, wird schon in der Klage behauptet und ergibt sich aus der mit der Klagebeantwortung vorgelegten Photokopie der Offerte und aus den nicht beglaubigten Amtsbescheinigungen der unterzeichneten Forstdienststellen. Darnach ist die sachgerechte Schlägerung und Aufarbeitung von Bürdel- und Stockholz, um sie vor dem Verfaulen im Walde zu bewahren, sowie die Absetzung dieser Brennholzsorten an die Bevölkerung zum Verbrauch im privaten Haushalt eine Verwertungsart dieses Schwachholzes, die im forstwirtschaftlichen Interesse gelegen ist, und deshalb wird auch die vorliegende Bestellwerbung des Beklagten von den forstlichen Dienststellen befürwortet, eine Befürwortung, die auch jeder anderen Holzhändlerfirma bei fachgerechter Schlägerung und Aufarbeitung dieses Schwachholzes zugesagt wird. Es ist daher nicht einzusehen, inwiefern diese Offerte zum Verkauf von Schwachholz eine gegen die guten Sitten verstoßende Wettbewerbshandlung darstellen soll. In der Klage wird allerdings behauptet, daß entgegen dem Inhalte der Drucksorte B vom Beklagten kein anderes Brennholz als das bei jedem anderen Holzhändler erhältliche geliefert werde. Aber auch wenn dies richtig sein sollte, so wäre es keine unlautere Wettbewerbshandlung, wenn der Beklagte wertvolleres Brennholz zu demselben Preis wie das offerierte Bürdelholz verkaufen würde; denn eine Preisunterbietung ist an sich im geschäftlichen Verkehr nicht sittenwidrig. Es würde sonst jeder redliche Wettbewerb ausgeschlossen sein.
In der Ausgabe der Offerte Beilage B ist daher keine wettbewerbsfremde, gegen die guten Sitten verstoßende Handlung im Sinne des § 1 UnlWG. zu erblicken. Der zu sichernde Unterlassungsanspruch ist demnach nicht bescheinigt, weshalb in Abänderung des angefochtenen Beschlusses der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung abzuweisen war.
Der Revisionsrekurs der gefährdeten Partei blieb ohne Erfolg.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung des Obersten Gerichtshofes:
Der zutreffenden Begründung des angefochtenen Beschlusses, auf die hiemit verwiesen wird, sei im Hinblick auf die Ausführungen des Revisionsrekurses noch folgendes beigefügt:
Die Behauptung, daß es mit Rücksicht auf die in den letzten Jahren oft erfolgte Verteilung von Fragebogen geradezu selbstverständlich sei, wenn infolge der Gewohnheit bei den Hausbesorgern eine gewisse Geneigtheit zur Verteilung der Drucksorten der beklagten Partei und ebenso eine Geneigtheit bei den Hausparteien zur Ausfüllung besteht, verkennt, daß die Bevölkerung gerade durch die häufige Nötigung, den Behörden Auskünfte durch Ausfüllung von Fragebogen zu erteilen, eher abgeneigt geworden ist, einen solchen Bogen auszufüllen, wenn nicht ein direkter Zwang dazu besteht. Diese Einstellung wird aber in aller Regel der Fälle dazu führen, daß jeder, der einen solchen Bogen vorgelegt erhält, ihn genauer auf seinen Inhalt prüft und sich nicht schon durch die Anführung von einigen Behörden in seinem Handeln bestimmen läßt. Im vorliegenden Falle gilt dies um so mehr, als die Empfehlungen auf der Drucksorte der beklagten Partei durchwegs von Forstbehörden herstammen, mit denen der Großstadtbewohner im gewöhnlichen Leben überhaupt nicht in Berührung kommt und deren Anordnungen daher in sein gewohntes Leben kaum jemals unmittelbar eingreifen. Seine Aufmerksamkeit wird dadurch um so mehr auf den Inhalt des Angebotes abgelenkt, so daß die Meinung, es handle sich bei der Drucksorte um einen behördlichen Auftrag, nicht leicht aufkommen kann.
Damit wird auch der Einwand des Revisionsrekurses hinfällig, die Sittenwidrigkeit in der Werbungsart der Beklagten liege darin, daß ihre Agenten nicht die Parteien persönlich aufsuchen, um Bestellungen zu erlangen, sondern sich mit einer Drucksorte von quasi amtlichem Charakter an Außenstehende, nämlich an die Hausbesorger, die in Wien halbamtlichen Charakter haben, wenden, um sie zur Aufnahme von Bestellungen für die Beklagte zu veranlassen. Da die Drucksorte selbst, wie ausgeführt wurde, nicht geeignet ist, einen Menschen, der die durchschnittliche und gewohnte Aufmerksamkeit anwendet, irrezuführen, und von einem halbamtlichen Charakter des Hausbesorgers ernstlich nicht gesprochen werden kann, bleibt bloß die Frage offen, ob in der indirekten Bearbeitung der Kunden auf dem Umwege über die Hausbesorger ein Verstoß gegen § 1 UnlWG. erblickt werden kann. Das ist aber nicht der Fall, weil sich die Beklagte durch diesen Vorgang, der offenbar der Ersparung von Agenten dient, keine Überlegenheit gegenüber anderen Firmen im Wettbewerb verschafft, sondern sogar auf den Vorteil der direkten Aussprache zwischen Agenten und Kunde verzichtet, die häufig genug das eigentlich auslösende Moment für eine Bestellung bildet.
Wenn der Revisionsrekurs ferner behauptet, daß die Hausbesorger durch die Aufnahme von Bestellungen eine gewerbliche Tätigkeit ausüben, die ihnen ohne eine besondere Berechtigung nach § 59 GewO. nicht zukommt, so ist das für die Entscheidung im vorliegenden Rechtsstreite belanglos, weil es sich hier nur darum handelt, ob die beklagte Partei die Grenzen der zulässigen Werbung überschritten hat. Die Klägerin meint allerdings, daß der Gebrauch dieser Art von Werbung gegen § 1 UnlWG. verstoße, weil dadurch eine Benachteiligung anderer Mitbewerber eintrete, die sich an die Vorschriften der Gewerbeordnung halten.
Demgegenüber ist zu sagen, daß nicht einzusehen ist, welchen Vorteil sich die beklagte Partei verschafft, wenn sie an Stelle eines Agenten, der sich schon im eigenen Interesse bemühen wird, Bestellungen zu erhalten, den Hausbesorger verwendet, der sich einen Vorteil aus dieser Tätigkeit nicht erwarten kann und daher in den meisten Fällen wenig Mühe aufwenden wird, um die Hausparteien zu einer Bestellung zu bewegen.
Schließlich kann aber der Oberste Gerichtshof auch im Inhalt der Drucksorte nichts erblicken, was als sittenwidrig im Sinne des § 1 UnlWG. bezeichnet werden könnte. Daß die in der Drucksorte angeführten Forstbehörden die Schwachholzverwertung tatsächlich empfehlen, die Angaben der Drucksorte also der Wahrheit entsprechen, ist unbestritten. Eine Empfehlung der erwähnten Art kann jede andere Firma erhalten, die sich der gleichen Aufgabe unterzieht wie die Beklagte. Die Kunden werden auch durch die Drucksorte deutlich darauf aufmerksam gemacht, daß ihnen nicht gewöhnliches Brennholz (Scheitholz), sondern Schwachholz angeboten wird, das aus forstwirtschaftlichen Gründen, also schließlich im Interesse der Allgemeinheit, aus den Wäldern entfernt werden muß. Es darf aber auch nicht übersehen werden, daß bei den Preisschwankungen, die seit dem Jahre 1945 die Versorgung der Bevölkerung mit Bedarfsgegenständen wesentlich erschwert haben, und bei den allgemeinen Einkommensverhältnissen der breiten Massen jeder einzelne wohl überlegen wird, ehe er sich zu einer Bestellung entschließt.
Weder im Inhalt der verwendeten Drucksorte, noch in der Art, wie sie den Kunden zur Kenntnis gebracht wird, kann also eine Sittenwidrigkeit im Sinne des § 1 UnlWG. erblickt werden. Der angefochtene Beschluß erweist sich vielmehr als rechtlich einwandfrei, weshalb dem gegen ihn gerichteten Revisionsrekurs nicht Folge zu geben war.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)
