OGH 1Ob428/49

OGH1Ob428/495.10.1949

SZ 22/145

Normen

ABGB §932
ABGB §1052
ABGB §932
ABGB §1052

 

Spruch:

Zulässigkeit der Wandlungseinrede, wenn die Beseitigung der Mängel in absehbarer Zeit nicht möglich ist oder der Gewährleistungspflichtige bei einem zur Beseitigung der Mängel erforderlichen unverhältnismäßig großen Aufwand sich nicht bereit erklärt, ihn zu tragen.

Entscheidung vom 5. Oktober 1949, 1 Ob 428/49.

I. Instanz: Landesgericht Feldkirch; II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck.

Text

Kläger hat am 8. Dezember 1947 mit dem Beklagten einen Tauschvertrag abgeschlossen, wonach er seinen Lastkraftwagen, MAN 90 PS, gegen den Lastkraftwagen des Beklagten, Opel Blitz, 3 1/2 Tonnen, mit Ersatzmotor, beide Wagen unbereift, tauschte und seinen Lastkraftwagen sofort in dem damaligen Zustande in die Austro-Fiat-Reparaturwerkstätte in Salzburg, P.straße, zu überstellen und der Beklagte seinen Lastkraftwagen samt Ersatzmotor sofort auf seine Kosten nach L. zu versenden hatte. Kläger hat vereinbarungsgemäß seinen Wagen in die Reparaturwerkstätte nach Salzburg gebracht, Beklagter weigerte sich, seine Verpflichtung aus dem Tauschvertrag zu erfüllen, weil der Kläger den Vertrag nicht ordnungsgemäß erfüllt habe, da der klägerische Lastkraftwagen, den der Beklagte selbst habe nach Salzburg schleppen lassen müssen, entgegen den Qualitätszusicherungen bestimmte schwere und unbehebbare Mängel aufgewiesen habe, die den Gebrauch des Wagens derzeit unmöglich machen, zumal Ersatzteile in Österreich derzeit nicht erhältlich seien und die Batterien, Felgen und Wagenpapiere überhaupt nicht übergeben worden seien. Kläger änderte auf Grund dieses Vorbringens des Beklagten sein Klagebegehren dahin ab, daß der Beklagte seinen Lastkraftwagen nur gegen Beistellung eines neuen Differentials und einer neuen Hinterachse zu dem Lastkraftwagen MAN nach L. zu senden habe.

Das Erstgericht gab mit dem Urteil vom 30. November 1948 dem geänderten Klagebegehren mit der Begründung statt, daß das Vorbringen des Beklagten entweder die Einrede des nicht gehörig erfüllten Vertrages oder die Geltendmachung eines Gewährleistungsanspruches darstelle, die erstere Einrede aber, abgesehen von den nicht mitgelieferten Bestandteilen, unzulässig sei, da die vom Kläger zu erbringende Gegenleistung eine bestimmte Sache sei und daher nicht eine andere Sache geliefert werden könne, dem Beklagten ein Wandlungsanspruch aber nicht zustehe, da er selbst den Wagen als nur derzeit unbrauchbar bezeichnet und angegeben habe, wie die Mängel behoben werden könnten, es sich daher nicht um unbehebbare Mängel handle. Ob der Beklagte bei Nichtvorliegen des Wandlungsanspruches Preisminderung oder Verbesserung verlange, habe er nicht erklärt.

Das Berufungsgericht gab mit dem angefochtenen Urteil der Berufung des Beklagten nicht Folge und führte in den Entscheidungsgründen unter Billigung der erstrichterlichen Beweiswürdigung aus, daß die Ablehnung der vom Beklagten über die Unbehebbarkeit der Mängel angebotenen Beweise keine Mangelhaftigkeit des Verfahrens begrunde, weil sich die Behebbarkeit der Mängel schon aus der Übernahme der Verpflichtung zur Beistellung eines neuen Differentials und einer neuen Hinterachse durch den Kläger ergebe und die Behauptung der Unbehebbarkeit auch mit dem eigenen Vorbringen des Beklagten, wonach die Mängel den Gebrauch des Wagens nur derzeit unmöglich machen, im Widerspruch stehe, eine zeitweilige Unmöglichkeit oder eine besondere Kostspieligkeit der Instandsetzung jedoch die Mängel nicht als unbehebbar erscheinen lasse, ferner daß die Annahme des Erstgerichtes, der Beklagte habe den Lastkraftwagen des Klägers als Erfüllung angenommen, durch das Parteivorbringen und die aufgenommenen Beweise gedeckt sei, weiters daß die Einrede des nicht gehörig erfüllten Vertrages schon deshalb nicht erhoben werden könne, weil die Gegenleistung des Klägers eine bestimmte Sache sei und daher dem Beklagten nur Gewährleistungsansprüche zustunden, der Anspruch auf Wandlung aber deshalb nicht, weil die Mängel nicht unbehebbar seien.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten Folge und hob die beiden untergerichtlichen Urteile auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Entscheidend ist in erster Linie die rechtliche Beurteilung der Rechtssache, u. zw. auch für die Frage, ob ein Verfahrensmangel vorliegt. Die Frage der Anwendbarkeit des § 1052 ABGB. braucht auf Grund des Vorbringens des Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren, soweit es sich um die Mangelhaftigkeit des vom Kläger gelieferten Lastkraftwagens handelt, eigentlich gar nicht aufgeworfen zu werden, da die Einwendungen des Beklagten in dieser Richtung zumindest vorwiegend auf die Geltendmachung des Wandlungsanspruches im Sinne des § 932 ABGB. zugeschnitten sind, die ja im Falle der Stichhältigkeit zur Abweisung des Klagebegehrens führen würde, während eine Anwendung des § 1052 ABGB. in der Regel eine Verurteilung Zug um Zug gegen Erbringung noch fehlender Leistungen des Klägers zur Folge hätte (vgl. Pisko bei Klang Kommentar, 1. Aufl., II/2, S. 565). Dem Beklagten ist darin beizupflichten, daß es zur Annahme der Behebbarkeit der Mängel nicht hinreicht, daß der Kläger sich zur Lieferung eines neuen Differentials und einer neuen Hinterachse bereit erklärt hat und daß der Beklagte von einer derzeitigen Unbrauchbarkeit des Wagens gesprochen, die Art der vorzunehmenden Verbesserungen angeführt und für ihre Unbehebbarkeit auch darauf hingewiesen hat, daß derzeit die erforderlichen Bestandteile in Österreich nicht zu haben sind und daß die Höhe des zur Verbesserung notwendigen Aufwandes für die Frage der Behebbarkeit der Mängel eine Rolle spielt; denn eine Unbehebbarkeit der Mängel liegt nicht nur dann vor, wenn sie überhaupt nicht beseitigt werden können, vielmehr ist ein Mangel auch dann als unbehebbar anzusehen, wenn die zur Verbesserung erforderliche Zeit nicht abzusehen ist, was ja auch in dem Falle zutreffen würde, wenn die dazu notwendigen Bestandteile in absehbarer Zeit nicht aufzutreiben sind (vgl. Pisko, a. a. O., S. 556). Wenn die Verbesserung einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde, kommt es darauf an, ob sich der Gewährleistungspflichtige gleichwohl zur Vornahme der Verbesserung bzw. zum Tragen der Kosten bereit erklärt. Trifft dies zu, so wären die Mängel als behebbar, andernfalls aber als unbehebbar anzusehen (vgl. Pisko, a. a. O., Ehrenzweig, System, II/1, S. 224). Demnach reicht die auf das Beklagtenvorbringen und die Bereitschaft des Klägers zur Lieferung bestimmter Bestandteile gestützte Annahme der Untergerichte, die Mängel seien nicht endgültig unbehebbar, zur Beurteilung nicht hin, ob alle vom Beklagten behaupteten und vom Kläger nicht bestrittenen Mängel als behebbar oder unbehebbar im Sinne des § 932 ABGB. anzusehen sind; vielmehr bedarf es einer Prüfung, ob die Beseitigung aller dieser die Fahrbarkeit des Lastkraftwagens ausschließenden Mängel in absehbarer Zeit möglich ist und, wenn die Behebung einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde, ob der Kläger die Kosten zu tragen bereit ist. Darin, daß das Berufungsgericht alle Mängel, deren Behebung nicht überhaupt ausgeschlossen ist, nicht als unbehebbar im Sinne des § 932 ABGB. ansieht, liegt eine unrichtige rechtliche Beurteilung. Daher macht das Fehlen von Feststellungen darüber, ob die Behebung in absehbarer Zeit möglich ist, und falls der Aufwand, der hiezu erforderlich wäre, unverhältnismäßig groß wäre, ob der Kläger ihn zu tragen bereit wäre, die Aufhebung des angefochtenen Urteiles notwendig. Da diese Feststellungen aber in den Urteilen beider Untergerichte fehlen und zu deren Vornahme wohl die im erstinstanzlichen Verfahren in dieser Richtung angebotenen Beweise aufgenommen werden müssen, war der Revision Folge zu geben und die Rechtssache unter Aufhebung der Urteile beider Untergerichte zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Damit erübrigt es sich, zu den weiteren Ausführungen in der Revision Stellung zu nehmen.

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