OGH 1Ob451/49

OGH1Ob451/4928.9.1949

SZ 22/141

Normen

ABGB §1295
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §1
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §11
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §16
ZPO §273
ABGB §1295
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §1
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §11
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §16
ZPO §273

 

Spruch:

Eine unter die Strafnorm des § 11 UnlWG. fallende Handlung fällt jedenfalls auch unter § 1 UnlWG.

Es reicht zur Annahme eines Handelns zu Wettbewerbszwecken aus, wenn durch die Handlung des Täters ein Konkurrent des Klägers begünstigt werden sollte, auch wenn zwischen den Streitteilen kein Wettbewerbsverhältnis besteht.

Förderung des Wettbewerbes eines Dritten, wenn dieser in die Lage versetzt werden soll, die Patentverleihung an einen anderen zu verhindern, wodurch dem Dritten der österreichische Markt und eventuell auch der in anderen Staaten verschlossen zu werden droht.

Unlustgefühle infolge eines perfiden Vertrauensmißbrauches rechtfertigen einen Ersatzanspruch nach § 16 Abs. 2 UnlWG.

Entscheidung vom 28. September 1949, 1 Ob 451/49.

I. Instanz: Kreisgericht Leoben; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.

Text

Der Kläger hat ein Verfahren zur Herstellung von Dauerformplatten für Rüttelformmaschinen am 18. Oktober 1947 zum Patent angemeldet und beim Patentamt die Erteilung eines Patentes auf diese Erfindung beantragt. Er hat nach erfolgter Patentanmeldung diese Erfindung seiner Dienstgeberin, bei der er als Werksdirektorstellvertreter angestellt ist, der Hütte L. Ges. m. b. H., zur Auswertung angeboten. Der leitende Direktor, Anton Sch., beauftragte den Beklagten, die Grundlagen des Verfahrens zu studieren und darüber ein Expose auszuarbeiten. Das hat der Beklagte nicht getan, sondern sich nur kurz ungünstig über das Projekt geäußert. Dagegen hat er am 30. März 1948 an mehrere Firmen in Deutschland nachstehendes Schreiben gerichtet:

"An ........

Betrifft: Österreichische Patentanmeldung, Verfahren zur Herstellung von Dauerformplatten für Rüttelformmaschinen.

Es wurde beim österreichischen Patentamt am 18. Oktober 1947 ein Patent unter obigem Titel angemeldet. Ich lege Ihnen die Abschrift des Patentanspruches bei. Da ich glaube, daß dieses Verfahren keine Originalerfindung des Einreichers ist, sondern schon lange in Deutschland in Gebrauch war und im besonderen von Ihrem Modellwerk, Modellfabriken, angewendet wurde, teile ich Ihnen diese Anmeldung mit. Wenn Sie dagegen Einspruch erheben wollen, so haben Sie diesen an das Österreichische Patentamt, Wien, I., Kohlmarkt 8 - 10, unter der Nummer A 4534-47, Klasse 31 b, Anm.-Abt. VII, zu richten.

Das Patent wurde von Hans H. eingereicht.

Ich bin gerne bereit, Ihnen mit weiteren Unterlagen zu dienen, möchte jedoch bitten, daß beim Einspruch mein Name nicht erwähnt wird.

Hochachtungsvoll".

Auf Grund dieser Zuschrift des Beklagten hat die Firma M. & W., Modellwerk in W. a. d. L., am 15. April 1948 einen Einspruch beim Patentamt erhoben, in dem sie behauptet, daß dieses Verfahren bereits seit Jahren bekannt sei. Dieser Einspruch wurde zurückgewiesen, da die Patenanmeldung A 4534-47 noch nicht zur Bekanntmachung geführt hat.

Der Kläger erblickt in diesem Vorgehen des Beklagten eine unlautere Wettbewerbshandlung nach §§ 1, 11 UnlWG. und begehrt, gestützt auf § 16 Abs. 2 UnlWG. und auf § 1295 ABGB., vom Beklagten die Zahlung eines Schadenersatzbetrages von 10.000 S. Das Erstgericht hat unter Berufung auf § 273 ZPO. dem Kläger diesen Betrag zugesprochen.

Das Berufungsgericht hat das erstrichterliche Urteil unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben. Es verneint entgegen der Entscheidung des Kreisgerichtes Leoben, "daß das Unlautere Wettbewerbsgesetz anwendbar sei" und trägt dem Erstgericht weitere Erhebungen über den dem Kläger zugefügten Schaden nach den Bestimmungen des ABGB. auf.

Der Rekurs des Klägers blieb ohne Erfolg.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung des Obersten Gerichtshofes:

Der Rekurs des Klägers ist nicht begrundet, obwohl der Oberste Gerichtshof sich den Rechtsausführungen des Berufungsgerichtes nicht in allen Punkten anschließen kann.

Das Berufungsgericht meint zunächst, daß das Erstgericht sich nicht auf § 1 und § 11 UnlWG. hätte stützen können, weil § 1 UnlWG. nur anwendbar sei, wenn eine Spezialbestimmung für den entscheidenden Fall nicht gegeben ist. Das ist im allgemeinen richtig, trifft aber im konkreten Fall nicht zu, weil § 11 UnlWG. nur eine Strafnorm enthält und daher nicht wie bei den gesetzlichen Spezialtatbeständen des Unlauteren Wettbewerbsgesetzes gesagt werden kann, daß § 1 UnlWG. nicht anwendbar sei, wenn nicht die Bedingungen des Spezialtatbestandes erfüllt sind. Zivilrechtlich gesehen ist § 11 UnlWG. immer ein besonders krasser Tatbestand des § 1 UnlWG. Das Verhältnis der Verbotstatbestände zu § 1 UnlWG. hat der Oberste Gerichtshof in dem Erkenntnis vom 14. Februar 1933, Rsp. 1933, Nr. 119, wie folgt umschrieben: "Erfüllt eine Handlung den Tatbestand einer der im Wettbewerbsgesetz im besonderen verbotenen Handlungen, so braucht sich das Gericht mit der Frage, ob die Handlung gegen die guten Sitten verstößt, nicht mehr zu befassen, weil das Gesetz schon selbst durch die Aufnahme des Tatbestandes unter seine Sonderverbote zum Ausdruck bringt, daß es die Handlung als eine mit den Grundsätzen des Wettbewerbes nicht vereinbarliche angesehen wissen will." Eine unter die Strafnorm des § 11 UnlWG. fallende Handlung fällt daher jedenfalls auch unter § 1 UnlWG. Insofern war daher die Kritik des Berufungsgerichtes am erstrichterlichen Urteil nicht gerechtfertigt.

Praktisch bedeutsamer ist es, daß das Berufungsgericht im Widerspruch mit dem Erstgericht das Vorliegen der Wettbewerbsabsicht verneint.

Das Erstgericht hat gemeint, daß der Beklagte "im geschäftlichen Verkehr" gehandelt habe, worunter es jede auf Erwerb gerichtete Tätigkeit im Gegensatz zur privaten und amtlichen versteht; es komme daher jede Handlung in Betracht, die in den geschäftlichen Bereich irgendeiner im Erwerb stehenden Person eingreift. Daraus folgert das Erstgericht, daß der Beklagte zu Zwecken des Wettbewerbes gehandelt habe. Diese Auffassung wird vom Berufungsgericht mit Recht abgelehnt. Das Berufungsgericht ist vielmehr der Ansicht, daß der Beklagte nicht in Wettbewerbsabsicht gehandelt habe. Er habe zwar das vom Kläger erfundene neue Verfahren deutschen Firmen bekanntgegeben, aber nicht in der Absicht, daß diese Firmen dieses Verfahren dadurch kennenlernen, sondern daß sie dem Beklagten (?) bzw. dem Patentamt in Wien bekanntgeben, daß dieses Verfahren nicht mehr neu sei, sondern von ihnen bereits längere Zeit gehandhabt werde. Es könne daher dem Beklagten eine Wettbewerbsabsicht tatsächlich nicht nachgewiesen werden, wenn er Briefe mit dem in der Klage angeführten Wortlaut an reichsdeutsche Firmen geschrieben hat.

Das Unlautere Wettbewerbsgesetz finde daher auf das Vorgehen des Beklagten keine Anwendung, zumal da ein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Streitteilen bzw. zwischen einem von ihnen und ihrer gemeinsamen Dienstgeberin nicht bestehe.

Auf das Bestehen eines Wettbewerbsverhältnisses zwischen den Streitteilen bzw. zwischen ihnen und ihrer Dienstgeberin kommt es aber entgegen der rechtsirrigen Auffassung des Berufungsgerichtes nicht an. Es reicht zur Annahme eines Handelns zu Zwecken des Wettbewerbes vielmehr aus, wenn durch die Handlung des Beklagten ein Konkurrent des Klägers begünstigt werden sollte, denn dann fördert der Beklagte einen fremden Wettbewerb.

Es ist daher entscheidend, ob der Beklagte in der Absicht gehandelt hat, den Wettbewerb der deutschen Firmen zu fördern. Das Berufungsgericht verneint das, weil die Adressaten der beanstandeten Briefe das Verfahren bereits kannten. Aber das ist nicht der entscheidende Gesichtspunkt; der Wettbewerb der deutschen Firmen würde auch dann gefördert, wenn sie in die Lage versetzt würden, die Verleihung eines Patentes eines Dritten in Österreich zu verhindern, wodurch diesem unter Umständen der österreichische Markt und bei Anerkennung dieses Patentes auch in anderen Staaten auch der Markt in weiteren Staaten verschlossen zu werden drohte.

Welche Absichten der Beklagte mit seinen Briefen verfolgt hat, hat das Erstgericht von seiner Rechtsauffassung aus nicht erhoben und festgestellt. Sollte die Absicht, die deutsche Konkurrenz des Klägers bzw. der Hütte L. Ges. m. b. H., der der Kläger seine Erfindung überlassen wollte, zu fördern, auch nur nebenbei neben der Absicht, dem Kläger zu schaden, mitgespielt haben, so müßte ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbes als vorliegend erachtet werden; die Aufhebung des erstrichterlichen Urteiles ist daher mit Recht erfolgt.

Es kann auch nicht gesagt werden, daß keinesfalls ein Ersatzanspruch nach § 16 Abs. 2 UnlWG. besteht, weil dieser nicht zu den regelmäßigen, aus dem Unlauteren Wettbewerbsgesetz abgeleiteten Ansprüchen gehört (SZ. XVIII/162). Das ist im allgemeinen richtig. Es müssen besondere Umstände vorliegen, die den Zuspruch einer Vergütung für erlittene Kränkung rechtfertigen. Das ist aber diesmal der Fall.

Das Verhalten des Beklagten stellt einen geradezu perfiden Vertrauensmißbrauch dar, indem der Beklagte die Tatsache, daß ihm sein Vorgesetzter eine Erfindung eines Werkskollegen zur Begutachtung übergeben hat, dazu benützt hat, um ausländische Firmen dazu zu veranlassen, das vom Kläger angemeldete Patent zu Fall zu bringen. Ein solches Verhalten mußte im Kläger Unlustgefühle erwecken, die über die mit jedem Eingriff in die Wettbewerbsphasen verbundenen Ärger und Aufregungen weit hinausgehen.

Sollte daher das Erstgericht zu dem Ergebnis kommen, daß eine Handlung zu Wettbewerbszwecken vorliegt, so werden wohl auch die Voraussetzungen zum Zuspruch einer Vergütung nach § 16 Abs. 2 UnlWG. als gegeben angesehen werden müssen.

Sollte die Anwendbarkeit des § 16 UnlWG. verneint werden, so wird das Erstgericht zu überprüfen haben, ob die Voraussetzungen eines Schadenszuspruches nach § 1295 ABGB. vorliegen. Mit Recht führt das Berufungsgericht aus, daß derzeit noch keine genügenden Feststellungen zum Zuspruch eines Schadensbetrages nach dieser Gesetzesstelle vorliegen und daß es Sache des Klägers sein wird, die Höhe seines Schadens näher zu präzisieren und Beweise hierüber anzubieten.

Die Aufhebung des erstrichterlichen Urteiles ist daher mit Recht erfolgt.

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