OGH 3Ob175/49

OGH3Ob175/4929.6.1949

SZ 22/100

Normen

ABGB §292
Mietengesetz §19 Abs2 Z3
Mietengesetz §19 Abs2 Z10
Strafgesetz §127
Strafgesetz §128
Strafgesetz §129 I litb
ZPO §234
ZPO §562
ABGB §292
Mietengesetz §19 Abs2 Z3
Mietengesetz §19 Abs2 Z10
Strafgesetz §127
Strafgesetz §128
Strafgesetz §129 I litb
ZPO §234
ZPO §562

 

Spruch:

Die Überlassung der Mietrechte an die Ehegattin nach der Kündigung ist im Kündigungsprozeß unbeachtlich.

Entscheidung vom 29. Juni 1949, 3 Ob 175/49.

I. Instanz: Bezirksgericht Hietzing; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Das Prozeßgericht hob die auf den Kündigungsgrund des § 19 Abs. 2 Z. 3 MietG. gestützte Aufkündigung der von den Klägern dem Beklagten vermieteten Wohnung Nr. 16 im Hause Wien, XIII., E.gasse 7, auf. Es stellte fest, daß der Beklagte rechtskräftig wegen Verbrechens nach den §§ 127, 128, 129 Ib StG., begangen an zahlreichen mj. Kindern, darunter auch solchen, die im gleichen Hause wohnen, zur Strafe des schweren Kerkers in der Dauer von zehn Jahren verurteilt worden sei, daß aber die Kläger es unterlassen hätten, einen Beweis dafür zu erbringen, daß diesen Mitbewohnern das Zusammenwohnen mit dem Beklagten verleidet wurde. Das Berufungsgericht erklärte die Kündigung für rechtswirksam. Es bezeichnete die Rechtsmeinung des Prozeßgerichtes als irrig, da auf die vorliegende Kündigung der zweite Fall des § 19 Abs. 2 Z. 3 MietG. anzuwenden sei, nach welchem es als wichtiger Kündigungsgrund anzusehen ist, daß der Mieter sich gegenüber einer im Hause wohnenden Person einer strafbaren Handlung gegen das Eigentum, die Sittlichkeit oder körperliche Sicherheit schuldig gemacht habe, ohne daß in einem solchen Fall verlangt werde, daß durch dieses Verhalten den Mitbewohnern das Zusammenwohnen verleidet werde. Da es sich um besondere schwere Sittlichkeitsverbrechen handle, könne nicht davon gesprochen werden, daß ein nach den Umständen als geringfügig zu bezeichnender Fall vorliege. Hinsichtlich der Einwendung des Beklagten, dieser habe seine Mietrechte gemäß § 19 Abs. 2 Z. 10 MietG. seiner Gattin, von der er am 16. Jänner 1948 geschieden wurde, abgetreten und sei ausgezogen, verwies das Berufungsgericht darauf, daß diese Behauptung nicht in den Einwendungen, sondern erst im Zuge des Rechtsstreites vorgebracht worden sei, weshalb auf sie im Hinblick auf die Bestimmung des § 562 ZPO. keine Rücksicht genommen werden könne. Außerdem sei die Einwendung gemäß § 234 ZPO. unbeachtlich, da die Übertragung der Mietrechte erst nach der Kündigung erfolgte.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Beklagten, die unter Geltendmachung des Revisionsgrundes der unrichtigen rechtlichen Beurteilung die Abänderung des Urteiles des Berufungsgerichtes und die Wiederherstellung des Urteiles des Prozeßgerichtes begehrt.

Die Revision blieb ohne Erfolg.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Eine unrichtige rechtliche Beurteilung erblickt die Revision lediglich in der Rechtsmeinung des Berufungsgerichtes, daß die Überlassung der Mietrechte an die Ehegattin nach Einbringung der Kündigung unbeachtlich sei. Die Revision ist nicht begrundet.

Zunächst ist darauf zu verweisen, daß der Beklagte die Behauptung, er habe die Mietrechte seiner Gattin überlassen und sei aus der Wohnung ausgezogen, nicht in den Einwendungen, sondern erst bei der fortgesetzten Streitverhandlung nach Aufhebung des Urteiles des Prozeßgerichtes vorgebracht hat. Diese Behauptung stellt sich als Einwendung des Mangels der passiven Klagslegitimation dar, da der Beklagte nicht mehr Mieter sei, somit nicht als eine Einrede, die sich auf die Bestimmungen des Mietengesetzes stützt. Sie hätte daher gemäß § 562 ZPO. bereits in den Einwendungen vorgebracht werden müssen und kann schon aus diesem Gründe keine Berücksichtigung finden.

Abgesehen davon wurde die Kündigung bereits am 3. November 1947 eingebracht; nach den Behauptungen des Beklagten selbst hat dieser die aufgekundigte Wohnung erst nach der am 16. Jänner 1948 erfolgten Scheidung seiner geschiedenen Ehegattin überlassen und ist aus der Wohnung ausgezogen. Es kommen daher die Bestimmungen des § 234 ZPO. zur Anwendung, nach welchen die Veräußerung einer im Streit verfangenen Sache auf den Prozeß keinen Einfluß hat. Da gemäß § 292 ABGB. Rechte, somit auch Mietrechte, zu den Sachen gehören, stellt die Abtretung des Mietrechtes eine Veräußerung im Sinne des § 234 ZPO. dar. Den Ausführungen der Revision, durch die Abtretung sei das Mietrecht des Beklagten erloschen, ist entgegenzuhalten, daß der Beklagte sein Mietrecht seiner Gattin überlassen, somit an diese übertragen und damit im Sinne des § 234 ZPO. veräußert hat. Die in der Revision bezogene Entscheidung 1 Ob 324/47 (JBl. 1947, S. 492), die sich übrigens auf einen ganz anderen Sachverhalt bezieht, spricht entgegen der Meinung der Revision keineswegs aus, daß eine Übertragung der Mietrechte nach erfolgter Kündigung auf den Kündigungsprozeß keinen Einfluß habe. Aus der Sachverhaltsdarstellung in dieser Entscheidung geht vielmehr hervor, daß im dortigen Falle der gekundigte Mieter mehrere Jahre vor der Kündigung die Wohnung verlassen und die Mietrechte an seine Frau übertragen hat.

Die Revision behauptet schließlich, daß die Bestimmung des § 19 Abs. 2 Z. 10 MietG. eine Sonderbestimmung sei, die eine von § 234 ZPO. abweichende Regelung enthalte, da sich aus ihr ergebe, daß der Übergang der Mietrechte kraft Gesetzes eintrete und daher keine Veräußerung vorliege. Diese Ausführungen zeugen von einer völligen Verkennung der Bestimmungen des § 19 Abs. 2 Z. 10 MietG. und des § 234 ZPO., welche Gesetzesbestimmungen miteinander in keinerlei Zusammenhang stehen. Der zweite Satz des § 19 Abs. 2 Z. 10 MietG., auf den sich die Revision beruft, statuiert lediglich eine Ausnahme von dem im ersten Satz angeführten Kündigungstatbestand (gänzliche Überlassung des Mietgegenstandes, ohne diesen in absehbarer Zeit für sich zu benötigen). Das Gesetz enthält keine Bestimmung, daß diese Überlassung auch nach erfolgter Kündigung rechtswirksam vorgenommen werden könne. Die Ansicht des Revisionswerbers, durch die Bestimmung des § 19 Abs. 2 Z. 10 MietG. sei eine von § 234 ZPO. abweichende Regelung getroffen worden, ist daher völlig verfehlt. Es ist aber auch unrichtig, daß, wie die Revision unter Bezugnahme auf die Entscheidung 3 Ob 726/31 vermeint, der Übergang der Mietrechte kraft Gesetzes eintrete und daher keine Veräußerung der Streitsache darstelle. Die bezogene Entscheidung bringt lediglich zum Ausdruck, daß die Abtretung der Mietrechte an nahe Angehörige im Hinblick auf die Bestimmung des § 19 Abs. 2 Z. 10 MietG. bereits durch die Überlassung der Wohnung und das Ausziehen aus dieser zustande komme und daher von der Anzeige an den Vermieter nicht abhängig sei und daß letztere vielmehr nur die Wirkung habe, daß von nun an nur die zurückgebliebenen Angehörigen als Mieter anzusehen und für den Mietzins zahlungspflichtig sind. Weder in dieser Entscheidung noch im Gesetze selbst kann die Rechtsmeinung der Revision, es handle sich bei der Überlassung der Mietrechte nicht um eine Veräußerung im Sinne des § 234 ZPO., eine Stütze finden.

Der unbegrundeten Revision war deshalb der Erfolg zu versagen.

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