OGH 3Ob131/49

OGH3Ob131/4911.5.1949

SZ 22/72

Normen

ABGB §1487 Fristengesetz §1 Mietengesetz §19 Abs2 Z10 Mietengesetz §19 Abs4 ZPO §500 ZPO §503 Z4
ABGB §1487 Fristengesetz §1 Mietengesetz §19 Abs2 Z10 Mietengesetz §19 Abs4 ZPO §500 ZPO §503 Z4

 

Spruch:

§ 19 Abs. 2 Z. 10 MietG.: Bei der Beurteilung, ob die Überlassung eines Geschäftsraumes gegen eine unverhältnismäßig hohe Gegenleistung erfolgt ist, haben die Gründe für die Untervermietung außer Betracht zu bleiben.

§ 19 Abs. 4 MietG.: Die Frist ist eine Präklusivfrist, die lediglich voraussetzt, daß die Kündigung fristgerecht bei Gericht überreicht wird; darauf, ob das Verfahren dann gehörig fortgesetzt wird, kommt es nicht an.

Über die Anwendung des Fristengesetzes im Falle des § 19 Abs. 4 MietG.

Entscheidung vom 11. Mai 1949, 3 Ob 131/49.

I. Instanz: Bezirksgericht Salzburg; II. Instanz: Landesgericht Salzburg.

Text

Die Klägerin kundigte dem Beklagten das diesem vermietete Geschäftslokal im Hause D.gasse unter Geltendmachung des Kündigungsgrundes des § 19 Abs. 2 Z. 10 MietG. mit der Begründung auf, daß der Beklagte einen Teil dieses Lokales, und zwar das gassenseitig gelegene Verkaufslokal, gegen eine im Verhältnis mit dem von ihm für das ganze Geschäftslokal zu entrichtenden Mietzins von 68 S monatlich unverhältnismäßig hohe Gegenleistung, und zwar gegen einen Untermietzins von 460 S monatlich, an O. M. untervermietet habe.

Das Prozeßgericht erklärte die Aufkündigung für rechtswirksam. Es stellte fest, daß der Beklagte einen Teil des von ihm gemieteten, bisher als Konditoreibetrieb verwendeten Geschäftslokales, nämlich das straßenseitig gelegene Verkaufslokal, für das er wegen des geringen Umfanges seines Konditoreibetriebes keinen Bedarf mehr hatte, samt Inventar dem O. M. gegen einen Untermietzins von 460 S monatlich im November 1947 untervermietete, daß es sich hiebei auch bei Berücksichtigung des beigestellten Inventars, dessen Wert 4000 S beträgt, im Vergleich mit dem zu entrichtenden Mietzins um eine unverhältnismäßig hohe Gegenleistung handle und daß die klagende Partei von der Untervermietung frühestens am 28. November 1947 Kenntnis erhalten, die Kündigung daher innerhalb der Frist des § 19 Abs. 4 MietG., nämlich am 26. Februar 1948, eingebracht habe.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach im Hinblick auf die Ausführungen der Berufung des Beklagten aus, daß die Gründe und Erwägungen, die den Beklagten zur Überlassung des Lokales bewogen haben, für die rechtliche Beurteilung ohne Bedeutung seien, daß eine unverhältnismäßig hohe Gegenleistung vorliege, weil der Mietwert des Inventars höchstens 60 S monatlich betrage, der vom Beklagten geforderte Untermietzins daher den dem Hauseigentümer bezahlten Zins auch bei Berücksichtigung der Miete für das Inventar um ein Vielfaches übersteige und daß hinsichtlich der Frist des § 19 Abs. 4 MietG. auf § 1 des Fristengesetzes zu verweisen sei. Das Berufungsgericht erklärte gemäß § 500 Abs. 3 ZPO. die Revision für zulässig.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Entscheidungsgründe:

Aus dem Revisionsgrunde des § 503 Z. 4 ZPO. macht die Revision geltend, der Umstand, daß der Beklagte nicht nur wegen der strengen Rohstoffbewirtschaftung, sondern auch wegen eines in seinem Geschäfte verübten Einbruchsdiebstahles, der zum Verluste der gesamten Materialvorräte und des Bargeldes geführt habe, zur Untervermietung gezwungen worden sei, da er sein Konditoreigeschäft nicht mehr habe fortführen können, sei für die rechtliche Beurteilung von Bedeutung, weil der Beklagte nicht fremdes Vermögen zu eigenem Gewinn verwerten, sondern lediglich für die Zeit, bis er die Erzeugung wieder aufnehmen könne, den Lebensunterhalt sichern wollte.

Abgesehen davon, daß die Untergerichte nicht festgestellt haben, es sei in das Geschäft ein Einbruchsdiebstahl verübt worden, der zum Verlust der Materialvorräte und des Bargeldes geführt und den Beklagten zum Zwecke der Fristung seines Lebensunterhaltes zur Untervermietung gezwungen habe, und das Revisionsgericht an die tatsächlichen Feststellungen der Untergerichte gebunden ist, steht die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß es bei der rechtlichen Beurteilung, ob eine unverhältnismäßig hohe Gegenleistung vorliege, auf die Gründe, die zur Untervermietung geführt haben, nicht ankomme, sondern nur das Verhältnis zwischen dem vom Mieter bezogenen und dem an den Hauseigentümer bezahlten Mietzins in Betracht zu ziehen sei, mit der ständigen Rechtsprechung in Übereinstimmung. Die Unverhältnismäßigkeit der Gegenleistung ist nach objektiven Merkmalen festzustellen, die der Weitervermietung zugrunde liegende Absicht ist unbeachtlich. Die Unverhältnismäßigkeit der Gegenleistung ist auch nicht nach dem wirtschaftlichen Werte zu beurteilen, den der Geschäftsraum für den Dritten hat, sondern nur nach dem, was der Mieter an Zins dem Hauseigentümer entrichtet. Die ratio legis der Bestimmung des zweiten Falles des § 19 Abs. 2 Z. 10 MietG. ist die Verhinderung der aus allgemein sozialpolitischen Erwägungen verwerflichen Verwertung eines gemieteten Objektes zu übermäßigem Gewinn, mag letzterer auch nur zur Bestreitung des notwendigen Lebensunterhaltes bestimmt sein. Der Vermieter ist in einem solchen Falle zur Kündigung deshalb berechtigt, weil es unbillig wäre, daß die erzielbaren Erträgnisse nicht ihm, sondern dem Mieter zufließen (siehe auch Entscheidungen des OGH. v. 28. September 1927, 3 Ob 927/27, veröffentlicht in Hofmannsthal - Trnka, "Das neue Mietrecht", Z. 1 zu § 19 Abs. 2 Z. 10 MietG.; v. 3. Juli 1928, 1 Ob 601/28 in Sternberg, "Das Mietengesetz", S. 406, Anm. 117, ferner die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes Nr. 344 und Nr. 345 in Handl, "Praxis der Gerichte in Mietrechtssachen", erste Folge, schließlich die vom Berufungsgerichte bezogene Entscheidung ZBl. 1927, Nr. 180, u. a. m.). Es ist daher ohne jede rechtliche Bedeutung, ob der Beklagte einen Teil seines Mietobjektes deshalb untervermietet hat, weil er infolge der Rohstoffbewirtschaftung den Betrieb nicht weiterführen konnte, oder ob er es deshalb getan hat, weil er nicht mehr die Mittel hatte, um seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können; es kommt vielmehr lediglich darauf an, ob die Untervermietung gegen eine unverhältnismäßig hohe Gegenleistung erfolgte, was die Untergerichte zutreffend festgestellt haben und der Beklagte in der Revision gar nicht mehr bestreitet.

Die Revision bringt weiters vor, der Beklagte habe bei der Klägerin angefragt, ob diese etwas gegen die Untervermietung einzuwenden habe, die Klägerin habe so lange nicht geantwortet, daß der Beklagte habe annehmen müssen, die Klägerin wende gegen die Untervermietung nichts ein. Diese Ausführungen weichen gleichfalls von den tatsächlichen Feststellungen der Untergerichte ab, nach denen der Beklagte mit Schreiben vom 28. November 1947 den Hausverwalter der klagenden Partei ersuchte, die Untervermietung an M. zu genehmigen, der Hausverwalter dieses Schreiben in der nächsten Ausschußsitzung der klagenden Partei im Jänner 1948 vortrug, die die Untervermietung nicht genehmigte, und der Beklagte hievon zugleich schriftlich verständigt wurde. Der Beklagte konnte daher keineswegs annehmen, daß die klagende Partei die Untervermietung stillschweigend genehmige.

Dem weiteren Vorbringen der Revision, der Beklagte habe dem Untermieter gekundigt, ist entgegenzuhalten, daß für die Beurteilung, ob ein Kündigungsgrund gegeben ist, die Rechtslage im Zeitpunkte der Kündigung maßgebend ist; zu diesem Zeitpunkte bestand aber der Untermietvertrag mit M. noch aufrecht.

Die Revision bekämpft schließlich die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß die Bestimmungen des § 1 des Fristengesetzes auch für die Frist des § 19 Abs. 4 MietG. Anwendung zu finden haben, mit der Behauptung, daß das Fristengesetz nur auf die Überreichung der Kündigung, nicht aber auf den Antrag auf Fortsetzung des ruhenden Verfahrens Bezug habe. Nach den Feststellungen der Untergerichte hat die klagende Partei von der Tatsache der Untervermietung frühestens durch das Schreiben des Beklagten vom 28. November 1947 erfahren; da die Kündigung am 26. Februar 1948 bei Gericht einlangte, ist die Frist des § 19 Aas. 4 MietG. jedenfalls gewahrt. Diese Frist ist keine Verjährungs-, sondern eine Ausschlußfrist, auf welche weder die Bestimmungen über die Hemmung noch die über die Unterbrechung der Verjährung Anwendung zu finden haben; die Bestimmung des § 1497 ABGB., nach welcher die Klage gehörig fortgesetzt werden muß, um eine Unterbrechung der Verjährung herbeizuführen, kommt daher für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen des § 19 Abs. 4 MietG. eingehalten wurden, nicht in Betracht. Für die Einhaltung der Frist des § 19 Abs. 4 MietG. ist es nur von Bedeutung, ob die Kündigung innerhalb der Frist bei Gericht überreicht wurde; darauf, ob das Verfahren gehörig fortgesetzt wurde, kommt es nicht an und es kann daher die Frage unerörtert bleiben, ob das Fristengesetz bei einem Antrag auf Fortsetzung eines ruhenden Verfahrens anzuwenden ist.

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