OGH 1Ob81/49

OGH1Ob81/492.3.1949

SZ 22/28

Normen

ABGB §850
ABGB §851
Zweite Teilovelle zum allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch §4
JN §1
JN §42
ZPO §240
ABGB §850
ABGB §851
Zweite Teilovelle zum allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch §4
JN §1
JN §42
ZPO §240

 

Spruch:

Die Klage auf Beseitigung eines Zaunes gehört auf den Rechtsweg, auch wenn die Frage, wem der Grundstreifen, auf dem der Zaun errichtet wurde, gehört, streitig ist.

Entscheidung vom 2. März 1949, 1 Ob 81/49.

I. Instanz: Bezirksgericht Gmunden; II. Instanz: Kreisgericht Wels.

Text

Mit ihrer am 7. April 1948 überreichten Klage beantragen die Kläger, die Beklagten zur ungeteilten Hand zu verurteilen, den im eigenen Namen und im Auftrage der Zweitbeklagten A. N. von K. N. auf dem Gründe der Liegenschaft der Kläger EZ. 61 KG. J. errichteten Holzzaun zu entfernen.

Nach dem klägerischen Vorbringen bildete seinerzeit die Grenze zwischen den beiden Liegenschaften der Streitteile eine kleine Mauer, teilweise ein hölzener Zaun, der Mitte Dezember 1947 von dem Erstbeklagten weggerissen wurde. Es wurde dann eine neuer Lattenzaun errichtet, der aber nicht von den Beklagten in der Flucht des alten Zaunes gelegt worden sei, sondern in das klägerische Grundstück hinein, somit auf dem Gründe der Kläger. Die Differenz zwischen dem alten und dem neuen Zaun betrage im Durchschnitt 15 cm, sie werde gegen die Stelle, an der der Holzzaun an die Grenzmauer anschließe, geringer. Seinerzeit habe auf dem klägerischen Gründe, ungefähr 15 bis 20 cm vom alten Zaune entfernt, eine Waschküche gestanden, die wieder abgetragen werden mußte. Die Betonmauer, auf der diese Waschküche stand, sei noch vorhanden. Der neue Zaun führe aber jetzt genau über diese Betonmauer. Nahe der Grenze stehe auf dem Gründe der Beklagten eine kleine Holzhütte, von der immer Wasser auf den klägerischen Grund abtropfte. Das Wasser tropfe auch weiterhin ab, aber wegen der neuen Zaunziehung auf den Grund der Beklagten.

Die Beklagten bestritten das klägerische Vorbringen mit der Behauptung, der neu aufgestellte Zaun stehe auf ihrem Gründe.

Das Bezirksgericht Gmunden als - delegiertes - Erstgericht hat mit Urteil vom 12. Juli 1948 im Sinne des Klagebegehrens entschieden.

Das Kreisgericht Wels als Berufungsgericht hat mit Beschluß vom 15. Jänner 1949 der Berufung Folge gegeben, das Urteil und das gesamte, diesem Urteil vorausgegangene Verfahren als nichtig aufgehoben und die Klage von Amts wegen zurückgewiesen. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens wurden gegenseitig aufgehoben, die klagende Partei weiter schuldig erkannt, der beklagten Partei die Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.

In der Begründung wird darauf verwiesen, daß das Verfahren selbst nicht die Möglichkeit geschaffen habe, den strittigen Grundstreifen genau festzulegen, weil weder aus dem Ergebnisse des Lokalaugenscheines, wonach die Entfernung vom Dachrand der dem Beklagten gehörigen Holzhütte, auf den Boden projiziert, vom neuen Zaun 21 cm beträgt, dem die Behauptung der Kläger gegenübersteht, daß das Wasser von diesem Dache zum Zeitpunkte des Bestehens des alten Zaunes auf ihren Grund abgetropft wäre, noch aus den Aussagen der vernommenen Zeugen, von denen keiner in der Lage war, den genauen Verlauf der Grenze anzugeben, ein Schluß über den "tatsächlichen" Grenzverlauf gezogen werden könne. Die Entscheidung des Rechtsstreites sei somit - führt das Berufungsgericht aus - nicht ausschließlich von der Feststellung abhängig, ob der jetzige Zaun sich tatsächlich an derselben Stelle befinde wie der alte oder nicht, weswegen ein eigentlicher Grenzstreit im Sinne der §§ 850, 851 ABGB. vorliege, zu dessen Austragung sich der ordentliche Rechtsweg nicht eigne.

Gegen diesen Beschluß haben die Kläger den gegenständlichen Rekurs erhoben.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und trug dem Berufungsgericht auf, über die Berufung zu entscheiden.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Rekurs ist begrundet.

Die Vorschriften der zweiten Teilnovelle sind nur dann anwendbar, wie aus der Überschrift der Kaiserlichen Verordnung vom 22. Juli 1915, RGBl. Nr. 208, und aus dem Zusammenhang ihrer Bestimmungen zu entnehmen ist, wenn um Erneuerung und Berichtigung der Grenzen angesucht worden ist. Doch sollen, wenn Grenzen tatsächlich unkenntlich oder streitig geworden sind, die Beweisergebnisse und Kosten des durchgeführten Außerstreitverfahrens nicht vergeblich aufgewendet sein; daher hat das Gericht in diesem Falle die Parteien nicht sofort auf den Rechtsweg zu verweisen, sondern das außerstreitige Verfahren fortzusetzen, auf die Ergebnisse dieses Verfahrens Bedacht zu nehmen und die Grenze auf die im § 851 ABGB. angegebene Art vorläufig festzustellen. Den Parteien bleibt es freilich vorbehalten, unter den Voraussetzungen des § 4 der zweiten Teilnovelle ihr besseres Recht im Prozeßwege nachzuweisen.

Im vorliegenden Rechtsstreit handelt es sich nicht um die Erneuerung oder Richtigstellung der Grenzen, auch wurde kein Antrag in diesem Sinne eingebracht. Die Vorschriften der zweiten Teilnovelle sind daher überhaupt nicht anwendbar. Die Frage, wem das Grundstück gehört, auf dem der Zaun errichtet worden ist, ist vielmehr eine Vorfrage für die Entscheidung der Klage auf Entfernung des auf dem streitigen Grundstücke angebrachten Zaunes. Sie muß daher auch wie jede Vorfrage im Rahmen dieses Rechtsstreites gelöst werden. Da das behauptete Eigentum an dem strittigen Grundstück der Klagsgrund der eingebrachten Eigentumsfreiheitsklage (actio negatoria) ist, so muß die klagende Partei ihr Eigentum nachweisen, widrigenfalls die Klage meritorisch abzuweisen ist.

Die Annahme des Berufungsgerichtes, daß die Klägerin einen Antrag nach §§ 850 ff. ABGB. im Prozeßwege geltend zu machen versuche, ist daher rechtsirrig. Es mußte daher dem Rekurs Folge gegeben und wie oben entschieden werden.

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