OGH 3Ob36/49

OGH3Ob36/492.2.1949

SZ 22/15

Normen

Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897. DRGBl. S. 219 §17
Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897. DRGBl. S. 219 §19
Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897. DRGBl. S. 219 §22
Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897. DRGBl. S. 219 §24
Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897. DRGBl. S. 219 §17
Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897. DRGBl. S. 219 §19
Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897. DRGBl. S. 219 §22
Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897. DRGBl. S. 219 §24

 

Spruch:

§ 24 Abs. 1 HGB.: Bei Eintritt eines Gesellschafters in das bestehende Handelsunternehmen eines Einzelkaufmannes kann die bisherige Firma ohne Hinzufügung eines auf das Gesellschaftsverhältnis hindeutenden Zusatzes weitergeführt werden.

Entscheidung vom 2. Februar 1949, 3 Ob 36/49.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Oberlandesgericht Graz.

Text

Das Registergericht wies den Antrag auf Bewilligung der Eintragung, daß die Firma J. S. Wwe. nunmehr seit 17. September 1948 offene Handelsgesellschaft sei und daß offene Handelsgesellschafter J. K. und W. L. seien, mit der Begründung ab, daß eine bei Fortführung neu gegrundete offene Handelsgesellschaft der Firma einen Zusatz beifügen müsse, der auf das Gesellschaftsverhältnis hindeute, die Antragsteller aber trotz Aufforderung durch das Registergericht sich geweigert hätten, den gemäß § 19 HGB. vorgeschriebenen Beisatz dem Firmenwortlaut hinzuzufügen, und daß weder ein Gesellschaftsvertrag vorgelegt, noch die Kapitalsgrundlage und die wesentlichsten Vertragsbestimmungen, wie Fortsetzung oder Auflösung im Todesfalle, bekanntgegeben worden seien.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß. Es stellte fest, daß zwar das Registergericht die Vorlage eines Gesellschaftsvertrages nicht erzwingen könne, da ein solcher gar nicht errichtet werden müsse, und daß auch die Mitteilung der für den Todesfall etwa getroffenen Vereinbarungen und der Kapitalseinlagen nicht vorgeschrieben sei, daß aber die Rechtsansicht des Registergerichtes bezüglich der Verpflichtung, bei Eintritt eines Gesellschafters in das Unternehmen eines Einzelkaufmannes einen das Gesellschaftsverhältnis andeutenden Zusatz in die Firma aufzunehmen, zutreffe.

Der Oberste Gerichtshof gab dem außerordentlichen Revisionsrekurs der Gesellschafter Folge und bewilligte die beantragte Eintragung.

Rechtliche Beurteilung

Begründung

Die Rechtsansicht des Rekursgerichtes, daß bei Aufnahme eines Gesellschafters in das bereits bestehende Handelsunternehmen eines Einzelkaufmannes der Firma ein auf das Gesellschaftsverhältnis hindeutender Zusatz beizufügen sei, verstößt gegen die Bestimmung des § 24 Abs. 1 HGB. und ist deshalb offenbar gesetzwidrig. § 19 HGB., auf den sich die Entscheidungen der Untergerichte stützen, hat nur bei der Neuerrichtung eines Handelsunternehmens Anwendung zu finden, nicht aber bei Eintritt eines Gesellschafters in ein bereits bestehendes Handelsunternehmen. Gemäß § 17 HGB. ist die Firma eines Kaufmannes der Name, unter dem er seine Handelsgeschäfte betreibt und die Unterschrift abgibt. Wenn nun § 24 Abs. 1 HGB. gestattet, daß bei Aufnahme eines Gesellschafters in das bestehende Handelsgeschäft die bisherige Firma ungeachtet dieser Veränderung fortgeführt werden kann, so besagt dies, daß der bisherige Name, also die Firmenbezeichnung, ohne einen das Gesellschaftsverhältnis andeutenden Zusatz weitergeführt werden darf. Das Rekursgericht gibt selbst zu, daß diese Rechtsansicht mit der österreichischen Lehre und Rechtsprechung in Übereinstimmung steht. Auch die neueste Lehre (Haemmerle, "Lehrbuch des Handelsrechtes", S. 64) hält an dieser Rechtsansicht fest und spricht ausdrücklich aus, daß der Grundsatz der Firmenwahrheit in seiner strengen Fassung nur bei ursprünglichen Firmen durchgeführt, bei abgeleiteten Firmen aber durchbrochen ist, indem die Unwahrheit als unausbleibliches Übel hingenommen wird, wenn das Interesse an der Fortführung einer bereits bestehenden Firma auf Seite des Unternehmens vorhanden und eine Schädigung des Verkehrs nicht zu besorgen ist. Erfolgt nur ein teilweiser Wechsel der Geschäftsinhaber durch die Aufnahme eines Gesellschafters in das Unternehmen eines Einzelkaufmannes, so kann ungeachtet dieser Veränderung die alte Firma ohne jeden das neue Gesellschaftsverhältnis andeutenden Zusatz fortgeführt werden (im gleichen Sinne Demelius, JBl. 1946, S. 224). Entgegen der Meinung des Rekursgerichtes steht aber auch die deutsche Lehre und Rechtsprechung auf dem gleichen Standpunkte, so Flad - Gadow - Heinichen, I, S. 275, 276, Anm. 4 zu § 24; Baumbach, "Kurz-Kommentar", S. 98, 99, § 24, II/2; Staub - Pinner, I, S. 197, Anm. 4 zu § 24, und die dort angeführte Rechtsprechung. Aber auch Schlegelberger vertritt in Anmerkung 1, 2, 3 und insbesondere 8, letzter Satz, zu § 24 die gleiche Meinung. In der Anmerkung 9 wird lediglich zum Ausdruck gebracht, daß bei Änderung der Gesellschaftsform, also bei Umwandlung einer Kommanditgesellschaft in eine offene Handelsgesellschaft, der vorgeschriebene Zusatz in die Firma aufzunehmen ist. Diese Ansicht wird auch in der Entscheidung SZ. XII/100 vertreten, in der ausgesprochen wird, daß dann, wenn die Fortführung der alten Firma direkt der Täuschung dient, die Änderung der Gesellschaftsform durch eine Änderung des Zusatzes zur bisherigen Firma zum Ausdruck gebracht werden muß, und zwar, wenn eine Kommanditgesellschaft durch Austritt des Kommanditisten zu einer offenen Handelsgesellschaft oder Einzelfirma wird, weil in diesem Falle durch die Beibehaltung des Zusatzes "Kommanditgesellschaft" unzutreffende Vorstellungen von der Größe der Gesellschaft und von der Vertrauenswürdigkeit der persönlich haftenden Gesellschafter erweckt werden können, da Kommanditisteneinlagen erfahrungsgemäß ein Beweis dafür sind, daß der persönlich haftende Gesellschafter von einem Dritten als so tüchtig und vertrauenswürdig angesehen wird, daß er ihm sein Kapital anvertraut. Derartige Bedenken bestehen aber bei der Umwandlung des Unternehmens eines Einzelkaufmannes in eine offene Handelsgesellschaft durch Eintritt eines Gesellschafters nicht. Die vom Rekursgericht bezogenen Stellen aus deutschen Kommentaren beziehen sich auf § 22 HGB., somit auf den neuen Erwerb einer Firma, einen vollständigen Wechsel der Geschäftsinhaberschaft, nicht aber auf eine teilweise Änderung der Geschäftsinhaberschaft durch Beitritt eines Gesellschafters in eine bestehende Einzelfirma, in welchem Falle § 24 HGB. anzuwenden ist. Da somit der begehrten Eintragung kein gesetzliches Hindernis entgegensteht, war dem außerordentlichen Revisionsrekurs Folge zu geben.

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