OGH 3Ob222/48

OGH3Ob222/4810.11.1948

SZ 21/158

Normen

ABGB §672
ABGB §938
ABGB §1487
ABGB §672
ABGB §938
ABGB §1487

 

Spruch:

Auf das Recht des Widerrufes einer Schenkung wegen groben Undankes kann im vorhinein rechtswirksam nicht verzichtet werden.

Entscheidung vom 10. November 1948, 3 Ob 222/48.

I. Instanz: Kreisgericht Ried; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.

Text

Der Beklagte war seit 1. März 1926 im Kloster der klagenden Partei als Mesner bedienstet und hatte auch in der Wirtschaft mitzuhelfen. Für diese Tätigkeit erhielt er eine Entlohnung von monatlich 25 S im Winter und von 30 S im Sommer nebst freier Wohnung und Verpflegung und gelegentlichen Geschenken. Mit dem notariellen, als Ausgedingsvertrag bezeichneten Vertrag vom 24. Oktober 1939 wurde ihm das Wohnrecht und der volle Unterhalt im Sinne des § 672 ABGB. eingeräumt und die Einverleibung der Dienstbarkeit der Wohnung und der Reallast des vollen Unterhaltes auf bestimmten Liegenschaften der klagenden Partei bewilligt. Im Punkte "Drittens" des Vertrages erklärte die Klägerin ausdrücklich, auf das Recht, diesen Vertrag zu widerrufen, zu verzichten. Mit der am 7. November 1947 eingelangten Klage begehrte dennoch die klagende Partei den Ausspruch, daß der bezeichnete Vertrag infolge Widerrufes wegen groben Undankes des Beklagten aufgehoben werde.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren Folge. Es beurteilte auf Grund der Ergebnisse des Beweisverfahrens den abgeschlossenen Vertrag als einen reinen Schenkungsvertrag im Sinne des § 938 ABGB., da dem Beklagten das Wohnungs- und Ausgedingsrecht nicht als Anerkennung und Entschädigung für minderen Verdienst, sondern ohne Gegenleistung, also unentgeltlich, eingeräumt wurde. Den Widerruf wegen groben Undankes fand es berechtigt, da der Beklagte durch Jahre in seinem im Klostergebäude gelegenen Wohnzimmer gleichgeschlechtlichen Verkehr gepflogen hat und deshalb wegen Verbrechens der Unzucht wider die Natur zu einer schweren Kerkerstrafe verurteilt worden sei und dadurch dem Kloster Schmach und Schande zugefügt habe, überdies aber, weil er wiederholt in beleidigenden Äußerungen dieEEhre der Klosterinsassen in empfindlicher Weise gekränkt habe. Obgleich vertraglich der Widerruf des Vertrages ausgeschlossen worden war, anerkannte das Erstgericht das Recht der Klägerin auf Widerruf der Schenkung wegen groben Undankes, da ein Verzicht auf diesen Widerrufungsgrund dem Wesen des Schenkungsvertrages widersprechen und gegen die guten Sitten verstoßen würde. Die Verjährung des Widerrufungsrechtes nahm das Erstgericht nicht an, da seit dem Zeitpunkte, da die Vertreter der Klägerin Kenntnis von den Verfehlungen des Beklagten erhielten, bis zur Einbringung der Klage weniger als drei Jahre verstrichen waren.

Das Berufungsgericht schloß sich allen diesen Ausführungen an, mit Ausnahme der Wertung der homosexuellen Verfehlungen des Beklagten als groben Undanks, mit der Begründung, daß mit Rücksicht auf das im Strafverfahren eingeholte gerichtspsychiatrische Gutachten nicht als erwiesen angenommen werden könne, daß sich der Beklagte dessen bewußt war, daß er durch seine homosexuelle Betätigung die Ehre der Klosterinsassen verletzte.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Hinweis der Revision auf die Entscheidung SZ. V/113 (die Revision bezeichnet sie unrichtig als SZ. IV/113) ist gänzlich verfehlt. Anders wäre der Fall zu beurteilen, wenn der Beklagte für unentgeltlich geleistete Dienste das lebenslängliche Wohn- und Unterhaltsrecht erhalten hätte. So aber stellt sich der Vertrag vom 24. Oktober 1939 als nichts anderes dar als ein Geschenk aus Anerkennung für langjährige Dienste, wie solche auch sonst üblich sind.

Die Revision bekämpft auch die rechtliche Auffassung des Berufungsgerichtes hinsichtlich der Zulässigkeit des Widerrufes trotz Verzichtes auf dieses Recht und in der Hinsicht, daß die Untergerichte in den Äußerungen des Beklagten über die Klosterinsassen eine schwere Kränkung dieser und somit eine groben Undank erblickt haben. Hiezu vermeint die Revision in der rechtlichen Auffassung des Berufungsgerichtes insofern widerspruchsvolle Ausführungen erblicken zu können, als es dem Beklagten einerseits zubillige, daß er nicht die Einsicht gehabt habe, daß in seiner homosexuellen Betätigung in Räumen des Klosters eine schwere Kränkung und ein grober Undank gelegen sei, anderseits aber ihm diese Einsicht hinsichtlich seiner kränkenden Gespräche zumute. Der behauptete Widerspruch liegt aber nicht vor. Der Beklagte betätigte sich jahrelang homosexuell, ohne daß jemand im Kloster davon Kenntnis erhielt und ohne daß davon eine Nachricht in die Öffentlichkeit drang. Er war naturgemäß bestrebt, daß dies auch nicht geschehe. Wenn auch das Aufkommen seiner widernatürlichen Betätigung für die Klosterinsassen eine schwere Kränkung bedeutete, so fehlte ihm doch offenbar die Absicht, dadurch die Klosterinsassen zu kränken. Anders ist es bei jenen Äußerungen, durch die er - wie das Erstgericht feststellte - die Schwestern des Klosters, die seine Dienstgeber und Wohltäter waren, in einer Art in den Kot zog, die sich nicht mehr überbieten läßt. Es gibt kaum schwerere, die Schwestern eines Klosters tiefer kränkende Verdächtigungen als die, die der Beklagte gegen sie vorbrachte, wodurch er sie wehrlos dem Gespötte aussetzte und in ihrer Ehre tief verletzte. Diese Äußerungen können nicht anders als in dem Bewußtsein ihrer Niedrigkeit und der damit verbundenen Wirkung auf die Öffentlichkeit gebraucht worden sein. Wenn daher das Berufungsgericht gleich dem Erstgericht in diesem Verhalten des Beklagten einen groben Undank erblickte, dann entspricht dies durchaus der Sach- und Rechtslage.

Damit ergibt sich aber auch, daß im übrigen die rechtliche Beurteilung des Sachverhaltes durch die Untergerichte richtig ist.

Lehre und Rechtsprechung (siehe Klang II/2, S. 636, ZBl. 1924, Nr. 5, GlU. 13871, Zeiller 3, S. 171) stimmen darin überein, daß die Vereinbarung des Verzichtes auf den Widerruf sich nicht auch auf den Fall des Widerrufes wegen groben Undankes erstrecken könne. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß ein solcher Verzicht dem Wesen des Schenkungsvertrages widerspreche und gegen die guten Sitten verstoßen würde, wird demnach vom Obersten Gerichtshof geteilt.

Daß aber eine Verjährung nicht eingetreten ist, ergibt sich daraus, daß die klagende Partei von den Verfehlungen des Beklagten erst im Jahre 1947 erfuhr, sonach die erhobene Klage jedenfalls rechtzeitig eingebracht worden ist, da dies vom Zeitpunkt ihrer Kenntnis innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist erfolgte. Die Untergerichte haben zutreffend unter Hinweis auf Lehre und Rechtsprechung (siehe Klang II/2, S. 636, und GlUNF. 3168) den Standpunkt eingenommen, daß es nicht darauf ankommt, ob die erfolgten Beleidigungen strafrechtlich noch verfolgt werden können, wenn sie nur überhaupt solcher Art sind, daß sie strafrechtlich verfolgbar gewesen wären und die Verjährungsfrist des § 1487 ABGB. noch nicht abgelaufen ist. Dies haben aber die unteren Instanzen mit Recht angenommen.

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