OGH 4Ob21/48

OGH4Ob21/489.11.1948

SZ 21/150

 

Spruch:

Die unter öffentliche Verwaltung gestellte inländische Zweigniederlassung kann nicht für Schulden der ausländischen Zentrale in Anspruch genommen werden.

Entscheidung vom 9. November 1948, 4 Ob 21/48.

I. Instanz: Arbeitsgericht Wien; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Der Kläger hat als Dienstnehmer die beklagte Partei, eine Aktiengesellschaft, auf Leistung von Bezügen aus dem Dienstverhältnisse vor dem Arbeitsgerichte Wien in Anspruch genommen. Die beklagte Partei hat ihren Sitz im Ausland und im Inlande eine Zweigniederlassung. Der Kläger war bei der Hauptniederlassung im Auslande in Dienst gestanden. Die inländische Zweigniederlassung war nach dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Staates zunächst als selbständiger Wirtschaftskörper unter öffentliche Verwaltung gestellt worden; mit dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 26. Juli 1946, BGBl. Nr. 168, sind die inländischen Aktiven und Passiven der beklagten Partei in das Eigentum der Republik Österreich übergegangen. Alle drei Instanzen haben das Klagebegehren abgewiesen.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung der oberstgerichtlichen Entscheidung:

Es ist richtig, daß Hauptniederlassung und Zweigniederlassung nur organisatorische Formen eines einzigen Betriebes sind und daß Träger der Rechte und Verbindlichkeiten bei beiden der Inhaber des Geschäftes ist. Nach dem Gesetz über die Bestellung von öffentlichen Verwaltern und öffentlichen Aufsichtspersonen können aber einzelne Unternehmungen oder Vermögenschaften und Vermögensrechte unter öffentliche Verwaltung gestellt werden. Es kann also zur Bildung von Vermögensmassen kommen, die aus dem sonstigen Vermögen desjenigen, gegen den sich die öffentliche Verwaltung richtet, ausgeschieden und der Verfügung des Verwalters unterstellt werden. Da das Verwaltegesetz keine Bestimmungen über das rechtliche Schicksal dieser Sondermassen getroffen hat und das Rechtsverhältnis mit der Zwangsverwaltung nach der Exekutionsordnung viel gemein hat, ist es naheliegend, die Bestimmungen der Exekutionsordnung über die Zwangsverwaltung heranzuziehen. Die Zwangsverwaltungsmasse wird aber in den Grenzen der dem Zwangsverwalter erteilten Befugnisse als aktiv und passiv parteifähig angesehen (E. v. 2. April 1913, GlUNF. 6389), so daß auch im vorliegenden Fall das Ergebnis des Rechtsstreites gegen die inländische Zweigniederlassung der beklagten Partei als Sondermasse ein anderes sein kann als gegenüber der Gesellschaft. Die unter öffentliche Verwaltung gestellte Zweigniederlassung kann nicht für Schulden der ausländischen Zentrale

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