OGH 3Ob263/48

OGH3Ob263/488.9.1948

SZ 21/125

Normen

ABGB §1116
Mietengesetz §1
Mietengesetz §19 Abs2 Z3
Mietengesetz §21
ABGB §1116
Mietengesetz §1
Mietengesetz §19 Abs2 Z3
Mietengesetz §21

 

Spruch:

Das Vorliegen der Mieterschutzfreiheit hat die kundigende Partei zu beweisen.

Entscheidung vom 8. September 1948, 3 Ob 263/48.

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Das Erstgericht erkannte die auf Mieterschutzfreiheit und den Kündigungsgrund des § 19, Abs. 2, Z. 3 MietG. gestützte Kündigung des der Beklagten untervermieteten Zimmers der Wohnung der Klägerin für rechtswirksam, weil das Zimmer am 31. Juli 1925 nicht untervermietet war und nicht mit Einrichtungsgegenständen der Beklagten ausgestattet ist, daher die Bestimmungen des Mietengesetzes auf das Untermietverhältnis keine Anwendung zu finden haben.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es stellte sich auf den Standpunkt, daß für den Umstand, ob ein Bestandverhältnis den Bestimmungen oder Kündigungsbeschränkungen des Mietengesetzes unterliege, die gekundigte Partei, die eine derartige Behauptung aufstelle, beweispflichtig sei, daß aber die beklagte Partei einen derartigen Beweis weder angeboten noch erbracht habe.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei Folge und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an das Berufungsgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Revision ist begrundet, soweit sie aus dem Revisionsgrunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung die Rechtsmeinung des Berufungsgerichtes bekämpft, daß die gekundigte Partei dafür beweispflichtig sei, daß das gekundigte Bestandverhältnis den Bestimmungen oder den Kündigungsbeschränkungen des Mietengesetzes unterliege. Nach § 1, Abs. 1 MietG. finden die Bestimmungen dieses Gesetzes auf die Miete von Wohnungen oder von einzelnen Wohnungsbestandteilen Anwendung. Schon aus dieser Bestimmung im Zusammenhalte mit dem Eingangssatz des zweiten Absatzes des § 1 ergibt sich, daß bei allen Bestandverhältnissen der Mieterschutz die Regel und die im zweiten Absatz angeführten Fälle, die hinsichtlich der Kundigigungsbeschränkungen durch § 1 der Änderungsverordnung vom 5. September 1939, DRGBl. I S. 1671, noch weiter eingeschränkt wurden, die Ausnahme bilden. Die im § 1116 ABGB. getroffene Regelung für die Aufkündigung von Bestandverträgen ist daher durch das Mietengesetz so weitgehend eingeschränkt, daß die Mieterschutz- oder Kündigungsfreiheit einen Ausnahmefall darstellt. § 21, Abs. 1 MietG. spricht zwar nur aus, daß die aufkundigende Partei, auch wenn sich der Bestandnehmer in den Einwendungen nicht auf das Mietengesetz beruft, das Vorhandensein eines Kündigungsgrundes nachzuweisen hat. Damit wollte aber das Gesetz, wie die Regierungsvorlage ausdrücklich sagt, zum Ausdruck bringen, daß jede Kündigung gegen die Einwendungen erhoben werden, vom Standpunkt des Mietengesetzes aus zu beurteilen ist. Es bedarf nicht einmal einer förmlichen Einwendung der gekundigten Partei, daß kein Kündigungsgrund nach dem Mietengesetz vorliege oder daß der Bestandvertrag dem Mietengesetz unterliege, vielmehr muß, wenn die gekundigte Partei überhaupt fristgerecht Einwendungen erhebt, die kundigende Partei, selbst wenn sie keinen Kündigungsgrund, sondern nur die Nichtanwendbarkeit des Mietengesetzes geltend macht, dies beweisen. Es ist daher die Rechtsprechung und Lehre einhellig der Ansicht, daß die bloße Erhebung von Einwendungen genügt, um die kundigende Partei zu zwingen, entweder das Vorliegen des geltend gemachten Kündigungsgrundes oder die behauptete Mieterschutzfreiheit zu beweisen (Hesse, Anm. 2 a zu § 21 MietG.; Sternberg, Das Mietengesetz, S. 478; Begründung zur Regierungsvorlage, 1922, Blg. 723; SZ. VI/33; 1 Ob 1113/36, RZtg. 1937, S. 58).

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