OGH 3Ob59/48

OGH3Ob59/489.7.1948

SZ 21/114

Normen

Cechoslovakisches Nationalisierungsdekret (Dekret des Präsidenten der cechoslovakischen Republik vom 24) Oktober 1945. Slg. 100, §7
Cechoslovakisches Nationalisierungsdekret (Dekret des Präsidenten der cechoslovakischen Republik vom 24) Oktober 1945. Slg. 100, §8
EO §9
EO §78
ZPO §271
Cechoslovakisches Nationalisierungsdekret (Dekret des Präsidenten der cechoslovakischen Republik vom 24) Oktober 1945. Slg. 100, §7
Cechoslovakisches Nationalisierungsdekret (Dekret des Präsidenten der cechoslovakischen Republik vom 24) Oktober 1945. Slg. 100, §8
EO §9
EO §78
ZPO §271

 

Spruch:

Ausländische Verstaatlichung in ihrer Rechtswirkung auf im Inlande befindliches Vermögen.

Entscheidung vom 9. Juli 1948, 3 Ob 59/48.

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Die betreibende Gläubigerin J. K. & Söhne, Strumpffabrik, CSR., hat am 1. August 1944 beim Bezirksgericht Innere Stadt gegen die verpflichtete Partei R. Spiritusfabrik und Raffinerie A. G. in R. zur Hereinbringung eines Betrages von 864.000 RM s. A. die Exekution mittels Zwangsversteigerung der Liegenschaften GB. Innere Stadt EZ. 1753, 1754, 1755, 1756, 1757 und 1758 beantragt. Die Exekution wurde mit Beschluß vom 10. August 1944, 122 E 27/44-2, bewilligt. Es kam zur Schätzung der Liegenschaften. Noch vor der endgültigen Bestimmung des Schätzwertes trat am 27. Februar 1947 Rechtsanwalt Dr. B., als Vertreter der Feinstrumpffabriken Nationalunternehmen, früher J. K. & Söhne, Strumpffabrik, CSR., auf, legte einen Auszug aus dem Handelsregister des Kreisgerichtes B.-L. vom 15. November 1946 und die Kundmachung des tschechoslowakischen Ministers für Industrie vom 7. März 1946 vor und beantragte, gemäß § 9 EO. die Rechtnachfolge auf Seite der betreibenden Partei zur Kenntnis zu nehmen. Mit Beschluß vom 13. März 1947, 71 E 2/47-41, hat das Bezirksgericht Innere Stadt die Rechtsnachfolge zur Kenntnis genommen und mit Beschluß vom gleichen Tage, ON 42, den Schätzwert endgültig mit 1.286.626.90 S bestimmt.

Mit Beschluß vom 23. Mai 1947, 71 E 2/47-48, wurde vom Bezirksgericht Innere Stadt für die ursprüngliche betreibende Partei J. K. & Söhne, Strumpffabrik, CSR., in der Person des Rechtsanwaltes Dr. S. ein Abwesenheitskurator bestellt. Dieser hat den oben erwähnten Beschluß vom 13. März 1947 und den Beschluß über die Festsetzung des Schätzwertes mit Rekurs angefochten.

Das Rekursgericht hob beide Entschlüsse auf.

Begründung des Rekursgerichtes:

Die entscheidende Vorfrage für die Beurteilung, ob die Rechtsnachfolge gemäß § 9 EO. zur Kenntnis zu nehmen war, liegt darin, ob die Nationalisierung der betreibenden Partei im Sinne des Dekretes des Präsidenten der tschechoslowakischen Republik vom 24. Oktober 1945, Slg. 100, in Österreich anerkannt wird oder nicht. Im ersten Falle wäre das tschechoslowakische Nationalunternehmen als betreibende Partei anzusehen und der Firma J. K. & Söhne wäre die Parteirolle zu versagen. Im anderen Falle könnte die Rechtsnachfolge nicht zur Kenntnis genommen werden. Die betreibende Partei müßte, soweit es sich um deren inländisches Vermögen handelt, ohne Rücksicht auf die Nationalisierung als weiterbestehend angenommen werden. Das Erstgericht hat bloß auf Grund des Auszuges aus dem tschechoslowakischen Handelsregister die Rechtsnachfolge als nach § 9 EO. nachgewiesen angenommen, ohne sich mit der Frage des internationalen Privatrechtes zu befassen, ob die in der Tschechoslowakei zweifellos zustande gekommene Rechtnachfolge auch für den Bereich der Republik Österreich Geltung beanspruchen kann.

Das Rekursgericht hat zunächst eine Stellungnahme des Bundesministeriums für Justiz herbeizuführen versucht. Da es sich jedoch letzten Endes nicht um eine Frage des ausländischen Rechts allein (§ 271, Abs. 2 ZPO., § 78 EO.), sondern auch um eine solche des internationalen Privatrechts, also um eine Frage des österreichischen Rechts, handelt, überließ das Bundesministerium die Lösung der Rechtsfrage dem Gerichte.

Das Rekursgericht folgt der Rechtsmeinung, die Seidl - Hohenveldern in seinem Aufsatze "Die Wirkung staatlicher Enteignungen und Konfiskationen auf das im Ausland gelegene Vermögen" (ÖJZ. 1947, S. 410), vertreten hat. Zur Frage der exterritorialen Wirkung von Gesetzen ist auch auf den Aufsatz von Abel, JBl. 1947, S. 442, hinzuweisen, der für das englische Recht zu denselben Ergebnissen gelangt. Seidl - Hohenveldern unterscheidet zwischen Enteignungen und Konfiskationen. Die erste Gruppe betrifft die Entziehung von Vermögenschaften mit Entschädigung, wogegen eine solche bei Konfiskationen nicht gewährt wird. Konfiskationen seitens fremder Staaten würden nach Völkerrecht im Inland bezüglich der dort befindlichen Sachen und Rechte nicht anerkannt. Es widerspräche dies dem inländischen ordre public. Es handelt sich dabei meist um Strafmaßnahmen des fremden Staates. Nach dem § 7 des oben erwähnten Dekretes des Präsidenten der tschechoslowakischen Republik vom 24. Oktober 1945 könnte dies auch auf den vorliegenden fall zutreffen, da es sich bei der betreibenden Partei anscheinend um ein Rechtssubjekt deutscher Nationalität handelt. Das Objekt der Exekution und damit Vermögensobjekt der betreibenden Partei ist das Pfandrecht der betreibenden Partei an inländischer Liegenschaften. Wie dem auch ist, jedenfalls könnte im Falle der Konfiskation ohne Bestehen eines Staatsvertrages die Anerkennung durch den inländischen Staat nicht gewährt werden.

Wenn es sich hingegen um eine Enteignung handelt, hängt die Anerkennung davon ab, ob eine nach den Umständen angemessene Entschädigung gewährt worden ist. Eine solche könnte im vorliegenden Falle nach § 8 des mehrfach erwähnten Dekretes gegeben worden sein.

Das Erstgericht hat Feststellungen darüber unterlassen, ob eine Enteignung - sei es mit, sei es ohne angemessene Entschädigung - oder eine Konfiskation anzunehmen ist. Dadurch erweist sich sein Verfahren als mangelhaft.

Vor der Entscheidung über die Rechtsnachfolge auf Seite der betreibenden Partei konnte aber auch der Schätzwert der Liegenschaften nicht endgültig festgestellt und überhaupt das Verfahren nicht fortgesetzt werden.

In Stattgebung der Rekurse waren beide angefochtenen Beschlüsse aufzuheben.

Der Oberste Gerichtshof bestätigte diesen Beschluß.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Es wird auf die Darstellung des Sachverhaltes im Beschlusse des Rekursgerichtes verwiesen. Das Rekursgericht hat den Rekursen der früheren betreibenden Partei J. K. & S. Folge gegeben, die angefochtenen Beschlüsse aufgehoben und dem Erstgericht unter Rechtskraftvorbehalt aufgetragen, nach Ergänzung des Verfahrens neuerlich zu entscheiden. Es erachtete, daß die Rechtsnachfolge der jetzigen betreibenden Partei Feinstrumpffabriken, Nationalunternehmen, nach der früheren betreibenden Partei J. K. & S. Strumpffabrik auf Grund der durch öffentliche Urkunden der CSR. nachgewiesenen Nationalisierung der früheren betreibenden Partei für deren im Inland befindliches Vermögen, nämlich für ihr auf den zu versteigernden Liegenschaften einverleibtes Simultanpfandrecht von 864.000 S samt Anhang von einem inländischen Gericht nicht ohneweiters anerkanntwerden könnte. Es müßte nämlich noch geklärt werden, ob es sich im Falle des erwähnten Rechtsüberganges um eine Expropriation auf Grund einer angemessenen Entschädigung oder um eine solche ohne oder ohne angemessene Entschädigung (Konfiskation) handelt. Nur bei einer den Umständen angemessenen Entschädigung könnte nach österreichischen Gesetzen die Rechtsnachfolge für das inländische Vermögen der expropriierten Firma anerkannt werden. Daß eine solche aber vorläge, sei zweifelhaft. Es müßte daher vom Erstgericht zunächst beim Bundesministerium für Justiz hierüber eine Auskunft eingeholt werden. Da dies nicht geschehen ist, sei das Verfahren mangelhaft geblieben, und es sei daher sowohl der Beschluß des Erstgerichtes über die Rechtnachfolge als auch der Beschluß auf Feststellung des Schätzwertes der Liegenschaft aufzuheben gewesen, da vor Klärung der oben erwähnten Frage das Verfahren überhaupt nicht fortgesetzt werden könnte.

Die Ausführungen des gegen diesen Beschluß von der jetzigen Betreibenden Partei Feinstrumpffabriken, Nationalunternehmen, erhobenen Revisionsrekurses vermögen die völlig zutreffende Begründung des Rekursgerichtes um so weniger zu erschüttern, als nicht feststeht, ob ein Gesellschafter der früheren betreibenden Partei, der offenen Handelsgesellschaft J. K. & S., Strumpffabrik, österreichische Staatsbürger ist, in welchem Falle jedenfalls österreichische Interessen durch die Rechtsnachfolge berührt würden.

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