OGH 1Ob350/47

OGH1Ob350/4728.5.1947

SZ 21/35

Normen

ABGB §1330
ABGB §1330

 

Spruch:

Für die Erwirkung einer einstweiligen Verfügung zur Sicherung eines Anspruches nach § 1330, Abs. 2 ABGB. ist nicht nur die Unwahrheit der verbreiteten Tatsache zu bescheinigen, sondern auch, daß der Verbreiter Kenntnis dieser Unwahrheit hatte oder haben mußte.

Entscheidung vom 28. Mai 1947, 1 Ob 350/47.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Die gefährdete Partei beantragte, mittels einstweiliger Verfügung der Antragsgegnerin zu verbieten, gegenüber dritten Personen nachstehende Behauptungen aufzustellen: a) ihr Vater Dr. H. T. sei von 1920 bis 1938 Eigentümer von 92 Prozent der Aktien der S. A. G. gewesen, b) dieser Aktienbesitz sei ihm 1938 enteignet worden, c) seine Einwilligung hiezu sei erzwungen worden, d) Dr. F. N. (die gefährdete Partei) hätte ihrem Vater diese Aktien entzogen.

Das Erstgericht hat die erbetene einstweilige Verfügung mit der Begründung erlassen, es sei als bescheinigt anzusehen, daß die Gegnerin die behaupteten Änderungen gemacht habe, die den Kläger tatsächlich in seiner Ehre und seinem Erwerb und Kredit und sogar in seiner Freiheit gefährden können, wobei es vorläufig dahingestellt bleiben mag, ob die seitens der Beklagten in ihrer Eingabe an die Verwaltungsbehörde aufgestellten diesbezüglichen Behauptungen auf Wahrheit beruhen oder nicht. Die beiden oberen Instanzen wiesen in Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses die beantragte einstweilige Verfügung ab.

Rechtliche Beurteilung

Begründung des Obersten Gerichtshofes:

Das Rekursgericht hat seine Entscheidung damit begrundet, daß die Bescheinigung für den Bestand des eingeklagten Anspruches vom Antragsteller nicht erbracht worden sei. Hiegegen richtet sich der Revisionsrekurs des Klägers, welcher die Wiederherstellung des erstrichterlichen Beschlusses beantragt.

Zufolge § 1330, Abs. 2 ABGB. kann ein Schadenersatzanspruch des dort angegebenen Inhaltes dann erhoben werden, wenn jemand den Kredit, den Erwerb oder das Fortkommen eines anderen durch Verbreitung von Tatsachen gefährdet, deren Unwahrheit er kannte oder kennen mußte. Voraussetzung des Bestandes eines solchen Anspruches ist daher nicht die Verbreitung unwahrer Tatsachen an sich; es muß vielmehr noch die Kenntnis des Verbreiters von der Unwahrheit dieser Tatsachen hinzukommen. Diese Kenntnis der Unwahrheit gehört daher zum Klagefundament und muß, wenn es sich um die Bescheinigung des Klagsanspruches handelt, ebenso bescheinigt werden wie die Tatsache der Verbreitung der Nachrichten an sich. Nun hat der Erstrichter nicht nur diese Kenntnis der Unwahrheit der verbreiteten Tatsachen auf Seiten der Beklagten nicht festgestellt, er hat vielmehr ausdrücklich erklärt, es möge vorläufig dahingestellt bleiben, ob die seitens der Beklagten in ihrer Eingabe an die Verwaltungsbehörden aufgestellten diesbezüglichen Behauptungen auf Wahrheit beruhen oder nicht. Er hat daher nicht einmal die objektive Unwahrheit der von der Beklagten verbreiteten Tatsachen als bescheinigt festgestellt, so daß von einer Bescheinigung der Kenntnis dieser Unwahrheit auf Seiten der Beklagten nicht die Rede sein kann. Das Rekursgericht ist daher mit Recht von der Anschauung ausgegangen, daß der zu sichernde Anspruch nicht als bescheinigt angesehen werden könne, und hat deshalb in Abänderung des erstrichterlichen Beschlusses den Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abgewiesen. Diese Entscheidung entspricht nach den früheren Darlegungen der Rechts- und Sachlage und war deshalb zu bestätigen.

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