Normen
ABGB §366
ABGB §1313a
Unabhängigkeitserklärung 1945 ArtIII
Vorläufige Verfassung 1945 §12
Vorläufige Verfassung 1945 §30
ABGB §366
ABGB §1313a
Unabhängigkeitserklärung 1945 ArtIII
Vorläufige Verfassung 1945 §12
Vorläufige Verfassung 1945 §30
Spruch:
Rechtspersönlichkeit einer politischen Partei und ihrer Zweigorganisationen.
Entscheidung vom 8. März 1947, 1 Ob 122/47.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes Folge.
Rechtliche Beurteilung
Begründung
Das Klagebegehren ist nach § 366 ABGB. auf die Herausgabe von Sachen gerichtet, welche, was als unbestritten gelten kann, die Sektion III der Sozialistischen Partei Österreichs (SPÖ.) der Klägerin am 12. und 18. Oktober 1945 aus ihrer Wohnung weggeführt hat. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, indem es auf Grund des Artikels III der Unabhängigkeitserklärung vom 27. April 1945, StGBl. Nr. 1, und der §§ 12, Abs. 1 und 30, Abs. 2 des Verfassungsgesetzes vom 1. Mai 1945, StGBl. Nr. 5, über die vorläufige Einrichtung der Republik Österreich die Rechtspersönlichkeit der Beklagten, aber nach den Organistionsstatuten dieser auch die ihrer genannten Sektion bejahte und, da die Voraussetzungen nach § 1313a ABGB. für eine Haftung der Beklagten für Handlungen dieser Sektion nicht vorlägen, nicht die Beklagte, sondern diese Sektion von der Klägerin zu belangen gewesen wäre.
Der dagegen von dieser ergriffenen Berufung, welche ausführt, daß die erwähnte Sektion nur ein Teil der Beklagten ohne jede Rechtpersönlichkeit sei, gab das Berufungsgericht im Sinne einer Aufhebung des Urteiles des Erstgerichtes und einer Zurückweisung der Streitsache an dieses unter Rechtskraftvorbehalt Folge; es schloß sich zwar der Rechtsansicht des Erstgerichtes an, daß der Beklagten Rechtpersönlichkeit zukomme, nicht aber auch dessen Ansicht, daß auch die fragliche Sektion diese Eigenschaft habe; denn eine Gruppe innerhalb einer Assoziationsform sei nicht selbständig, sondern stelle vielmehr nur eine unselbständige Mehrheit von einzelnen Mitgliedern dieser dar, da die Rechtspersönlichkeit schaffende Kraft der Zusammenfassung der einzelnen Mitglieder bereits in der Person der Beklagten in Erscheinung getreten sei. Die fragliche Sektion sei also nur ein Teil der Beklagten und könne daher unabhängig von dieser eine selbständige Rechtsperson nicht sein.
Dagegen wendet sich der fälschlich als Revisionsrekurs bezeichnete Rekurs der Beklagten. Dieser bekämpft die Rechtsansicht der Untergerichte, daß der Beklagten Rechtspersönlichkeit zukomme, und führt aus, daß selbst dann, wenn dies der Fall wäre, die in Frage kommende Sektion nach dem Statut der Landesorganisation Wien der SPÖ. vom 23. November 1946, welches sie ihrem Rekurse anschloß, eine selbständige Organisation und nicht ein unselbständiger Organisationsteil der Beklagten wäre.
Hiezu hat der Oberste Gerichtshof folgendes erwogen:
Der Oberste Gerichtshof schließt sich aus den durchaus zutreffenden Gründen der Untergerichte deren Rechtsansicht an, daß der Beklagten Rechtspersönlichkeit zukommt, und fügt dem noch bei, daß sie mit Rücksicht auf § 33 der schon dem Erstgericht vorgelegenen Organisationsstatuten der SPÖ vom 14. Dezember 1945 handlungs- und prozeßfähig ist; denn nach dieser Bestimmung werden die laufenden Geschäfte der Partei vom Parteivorstand besorgt, welcher ein Teil der vom Parteitag gewählten Parteivertretung ist. Die Beklagte verfügt daher über vertretungsberechtigte Organe.
Die vom Rekurs erhobenen Einwände gegen die Rechtspersönlichkeit der Beklagten sind nicht stichhältig.
Die von Herrnritt in seinem Werke "Österreichisches Verwaltungsrecht", 1925, S. 181, vertretene Rechtsansicht, daß politischen Parteien eine Rechtspersönlichkeit nicht zukomme, weil sie "unvollkommene Assoziationen" seien, ist überholt; die drei in Österreich zugelassenen politischen Parteien sind, wie die Untergerichte richtig ausgeführt haben, zur Stellung der Mitglieder der provisorischen Regierung des Staates nach § 12, Abs. 1 des Verfassungsgesetzes vom 1. Mai 1945 über die vorläufige Einrichtung der Republik Österreich und der Länder nach § 30, Abs. 2 dieses Gesetzes berufen worden und es geht daher nicht an, sie auf der einen Seite als Träger öffentlichen Rechts anzuerkennen und ihnen auf der anderen seit die danach selbstverständliche Fähigkeit abzusprechen, Träger privater Rechte zu sein. Eine politische Partei ist eben im Gegensatz zur Meinung Herrnritts nicht nur eine Zusammenfassung von Personen gleicher politischer Richtung zum Zwecke der Wahl, sondern auch eine eigene, für die Errichtung ihrer politischen Ziele geschaffene Korporation. Damit ist auch ihre Rechtspersönlichkeit gegeben.
Die vom Rekurs herangezogene Entscheidung des Obersten Gerichtes in Brünn vom 10. Jänner 1929, ZBl. 1929, Nr. 190 hat andere Verhältnisse im Auge und paßt nicht auf den vorliegenden Fall.
Die weiteren Ausführungen des Rekurses, daß in der Vergangenheit gewissen politischen Organisationen und Parteien, wie z. B. der Vaterländischen Front und der NSDAP., durch Gesetze ausdrücklich Rechtpersönlichkeit zuerkannt wurde, beweisen nichts gegen die Rechtspersönlichkeit von politischen Parteien, bei denen eine solche ausdrückliche Anerkennung durch ein Sondergesetz nicht ausgesprochen worden ist, weil die sondergesetzliche Regelung der Stellung dieser Parteien in Umständen begrundet war, die auf allgemeine Geltung nicht Anspruch erheben können.
Der Rekurs verweist ferner auf § 1 der Verordnung der Bundesregierung vom 12. Februar 1934, BGBl. I Nr. 78, wonach der sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs jede Betätigung verboten und ihre Organisationen aufgelöst wurden; denn wäre dieser Partei Rechtspersönlichkeit zugekommen, so hätte es der Gesetzgeber nicht nötig gehabt, auch die Auflösung ihrer Organisationen noch besonders zu verfügen. Aber auch dies ist kein durchschlagender Beweis gegen die Rechtspersönlichkeit dieser damaligen politischen Partei und es geht gerade aus dem vom Rekurs noch herangezogenen § 1 der Verordnung vom 17. Februar 1934, BGBl. I Nr. 104, die Rechtspersönlichkeit dieser Partei deswegen hervor, weil sie darin als Eigentümerin von Guthaben bei Geldinstituten angesehen wurde. Eigentümer von Guthaben kann aber nur sein, wer rechtsfähig ist. Daß schließlich, wie die Rekurswerberin ausführt, nach einem erst zu erlassenden Gesetze die Rückgabe desiim Jahre 1934 entzogenen Vermögens aufgelöster oder verbotener demokratischer Organisationen nicht an die betreffende politische Partei selbst, sondern an einen Restitutionsfonds erfolgen werde, kann gegen die Rechtspersönlichkeit der Beklagten nichts beweisen.
Es ist also den Untergerichten beizupflichten, daß der Beklagten Rechtspersönlichkeit zukommt. Sie konnte daher ohne weiteres geklagt werden. Ob aber im vorliegenden Fall die Klage gerade gegen sie zu richten gewesen wäre, ist eine andere Frage.
Hiezu ist zunächst zu prüfen, ob der Sektion III der SPÖ. Rechtpersönlichkeit zukommt, also ob sie eine selbständige Organisation oder nur ein unselbständiger Organisationsteil der Beklagten ist. Das Berufungsgericht bejaht das letztere und spricht ihr daher eine Rechtpersönlichkeit ab. Dieser Rechtsansicht kann sich aber der Oberste Gerichtshof nicht anschließen.
Diese Frage ist nur auf Grund der schon dem Erstgerichte vorgelegenen Organisationsstatuten der Beklagten zu beantworten. Auf das nunmehr mit dem Rekurs vorgelegte Statut der Landesorganisation Wien der SPÖ. vom 23. November 1946 kann dagegen nicht Bedacht genommen werden, weil diese Vorlegung eine Neuerung bedeutet, Neuerungen aber infolge der Eigentümlichkeit des Rekursverfahrens in diesem ausgeschlossen sind. Wie sich aus §§ 5 bis 9 der Organisationsstatuten der Beklagten ergibt, gliedert sich ihre Parteiorganisation in Lokal-, Bezirks- und Landesorganisationen. Die Bezirksorganisationen fallen in Wien mit den Gemeindebezirken zusammen und gliedern sich in Sektionen. Die hier in Betracht kommende Sektion III ist also offenbar eine Sektion der Bezirksorganisation der SPÖ.
§ 51 der Organisationsstatuten der Beklagten trägt die Überschrift:
"Die wirtschaftliche Betätigung von Parteimitgliedern und Parteiorganisationen". Da jedem Parteimitglied selbstverständlich Rechtspersönlichkeit zukommt und solchen hier Parteiorganisationen gleichgestellt werden, ist schon aus dieser Überschrift zu entnehmen, daß die Organisationsstatuten der Beklagten auch derenUUnterorganisationen als Rechtsubjekte betrachten. Nach § 51, Abs. 1 dieser Statuten ist es Lokal- und Bezirksorganisationen gestattet, wirtschaftliche Unternehmen zu errichten und sich an solchen zu beteiligen. Nach Punkt 4 dieser Bestimmung haben Parteiorganisationen vor Anlegung ihres Geldes den Rat ihres Parteivorstandes einzuholen. Sie werden also zum Eigentum von Geldbeträgen für befähigt erachtet. Dies ist aber nur möglich, wenn ihre Rechtspersönlichkeit vorausgesetzt ist.
Aus all dem geht hervor, daß die Organisationsstatuten der SPÖ. deren Unterorganisationen nicht als ihre unselbständige Organisationsteile, sondern als selbständige Organisationen und damit als juristische Personen betrachten. Daß nach diesen Statuen sich die SPÖ. gegenüber ihren Unterorganisationen nicht nur ein politisches, sondern auch ein wirtschaftliches Überwachungsrecht vorbehält, kann deren Rechtspersönlichkeit ebensowenig Eintrag tun wie die staatliche Überprüfung der Gebarung gewisser Assoziationsformen, z. B. der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften und der Aktiengesellschaften, diese nicht ihrer Rechtspersönlichkeit entkleiden kann.
Die Beklagte kann aber mangels der Voraussetzungen des § 1313a ABGB., wie das Erstgericht richtig erkannt hat, für die in Rede stehenden Handlungen der Sektion III nicht haftbar gemacht werden, wobei es dahingestellt bleiben kann, ob diese Sektion eine selbständige Organisation oder ein unselbständiger Organisationsteil der Bezirksorganisation ist.
Dem Revisionsrekurs war daher im Sinne einer Aufhebung des angefochtenen Aufhebungsbeschlusses Folge zu geben und dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung über die Berufung der Klägerin unter Abstandnahme von dem von ihm gebrauchten Abweisungsgrunde und unter Bindung an die vom Obersten Gerichtshof ausgesprochene Rechtsansicht aufzutragen.
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