Normen
Wohnungsanforderungsgesetz §23
Wohnungsanforderungsgesetz §23
Spruch:
Ist die 2. Anordnung zur Wohnraumlenkung vom 25. April 1945 durch das Wohnungsanforderungsgesetz aufgehoben?
Einweisungsscheine auf Grund der 2. Anordnung haben nur die Bedeutung der behördlichen Genehmigung eines Untermietverhältnisses, legen aber dem Hauptmieter keine weitere Beschränkung auf.
Entscheidung vom 26. Februar 1947, 1 Ob 90/47.
I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision gegen das abändernde Urteil des Berufungsgerichtes Folge und stellte das erstrichterliche Urteil wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen des Obersten Gerichtshofes:
Die Klägerin hat dem Beklagten das von ihm bei ihr gemietete Zimmer für den 30. April 1946 aufgekundigt und diese Kündigung damit begrundet, daß es sich um die Untervermietung eines Zimmers handle, das am 31. Juli 1925 nicht weitervermietet war und daher den Bestimmungen des Mietengesetzes über die Kündigungsgrunde nicht unterliege. Der Beklagte hat dagegen eingewendet, daß er in die Wohnung vom Wohnungsamte der Stadt Wien eingewiesen sei, daß infolgedessen eine gerichtliche Kündigung unzulässig und das Gericht zur Überprüfung dieser Kündigung nicht berufen sei. Er hat weiter behauptet, daß zwischen ihm und der Klägerin gar kein Mietvertrag abgeschlossen worden sei, er vielmehr, wie aus dem vorgelegten Meldezettel hervorgeht, bei der Klägerin nur als Gast gemeldet war und erst auf Grund des Einweisungsscheines des Magistrates der Stadt Wien vom 29. Jänner 1946 in die Wohnung eingewiesen worden sei. Das Erstgericht hat die Kündigung für wirksam erkannt und dies damit begrundet, daß zwischen den Streitteilen ein gültiger Untermietvertrag zustande gekommen sei, daß die nachträgliche Einweisung durch das Wohnungsamt der Stadt Wien an dem Rechtsverhältnis der Streitparteien nichts geändert hätte und nichts bedeute, als die Zustimmung des Wohnungsamtes zu dem bereits abgeschlossenen Bestandverhältnis. Da das Erstgericht als erwiesen annahm, daß das Zimmer am 31. Juli 1925 nicht untervermietet war, sei daher die Klägerin zur freien Kündigung berechtigt.
Das Berufungsgericht hat dieses Urteil des Erstgerichtes dahin abgeändert, daß die Aufkündigung aufgehoben und der Beklagte nicht schuldig erkannt werde, das untergemietete Zimmer der Klägerin geräumt zu übergeben. Es hat diese Entscheidung damit begrundet, daß durch den Einweisungsschein vom 29. Jänner 1946 der Beklagte in dieses Zimmer auch behördlich eingewiesen wurde und daß es belanglos sei, auf Grund welcher gesetzlichen Vorschriften diese Einweisung angesprochen wurde. Das Gericht sei zur Überprüfung der Gesetzmäßigkeit dieser Verfügung nicht berufen und es komme dem Beklagten neben dem Untermietvertrag auch noch das öffentliche Recht zur Benützung des Zimmers zu. Es widerspräche dem Zwecke der Anforderung (Einweisung), wenn dem Vermieter das Recht eingeräumt würde, den eingewiesenen Mieter sogleich ohne Geltendmachung eines Kündigungsgrundes zu kundigen, weil das Mietverhältnis nicht den Bestimmungen des Mietengesetzes unterliege.
Gegen das Berufungsurteil hat die Klägerin die Revision eingebracht, in welcher sie das Berufungsurteil seinem ganzen Umfange nach wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung ... anficht. Sie stellt den Antrag, das angefochtene Berufungsurteil aufzuheben - richtig abzuändern - und das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen, allenfalls das Berufungsurteil aufzuheben und dem Berufungsgerichte eine neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme von seiner Rechtsauffassung aufzutragen. Der Beklagte hat in seiner Revisionsbeantwortung die Bestätigung des Berufungsurteiles beantragt ...
In rechtlicher Beziehung ist von entscheidender Bedeutung der Inhalt des Einweisungsscheines vom 29. Jänner 1946, welcher die Einweisung des Beklagten in das Zimmer ausspricht. Dieser Einweisungsschein beruft sich auf die "2. Anordnung zur Wohnraumlenkung vom 29. April 1945". Diese 2. Anordnung ist, wie aus dem vom Obersten Gerichtshof beigeschafften Abdruck hervorgeht, nicht am 29., sondern am 25. April 1945 erlassen worden und enthält im Punkte 1 folgende Bestimmung: "Zur Sicherstellung der Wohnraumreserve für Fliegebeschädigtenquartiere wird die Untermietkontrolle wieder eingeführt. Dementsprechend bedarf der Abschluß von Untermietverträgen der amtlichen Genehmigung." Die weiteren Bestimmungen der erwähnten Anordnung haben für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreites keine Bedeutung. Es kann dahingestellt bleiben, ob dieser Anordnung nach Erlassung des Wohnungsanforderungsgesetzes noch weitere Geltung zukam. Sie ist zwar durch § 23 Wohnungsanforderungsgesetz nicht ausdrücklich aufgehoben worden, was sich daraus erklärt, daß diese Anordnung mit Rücksicht auf den im Zeitpunkt ihrer Erlassung bestehenden Mandel von Publikationsorganen nirgends verlautbart war. Es ist aber wohl mit Rücksicht auf den Zweck des Wohnungsanforderungsgesetzes und die kassatorische Klausel des § 23 dieses Gesetzes anzunehmen, daß auch diese Anordnung nicht mehr als gültig anzusehen ist. Wenn man aber auch von der entgegengesetzten Meinung ausgeht, so ergibt der Inhalt der Anordnung, daß sie weder die Absicht, noch den Zweck hatte, die Verfügung des Hauptmieters in dem Sinne zu beschränken, daß ihm auch gegen seinen Willen Untermieter zugewiesen werden konnten. Die Anordnung verfügt vielmehr nur, daß zum Zwecke der Untermietkontrolle der Abschluß von Untermietverträgen der amtlichen Genehmigung bedürfe. Der vorliegende Einweisungsschein der MagAbt. III/2 hat daher nur die Bedeutung einer Genehmigung des Untermietvertrages zwischen den Streitteilen, legt aber der Hauptmieterin keine Beschränkung in ihrem auf Grund sonstiger gesetzlicher Vorschriften sich ergebenden Verfügungsrechte über ihre Wohnung auf. Dieser Einweisung kommt daher nicht die Bedeutung einer Einweisung nach dem Wohnungsanforderungsgesetze zu, was sich schon daraus ergibt, daß ihr eine Anforderung nicht vorausgegangen ist. Sie kann daher auch das der Klägerin auf Grund des ABGB. und des MietG. zustehende Kündigungsrecht nicht beschränken.
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, daß das Berufungsgericht von einer irrigen Auffassung der vermeintlichen Einweisung ausgegangen ist und sein Urteil der Sach- und Rechtslage nicht entspricht. Das Zimmer ist nach den Feststellungen des Erstrichters mieterschutzfrei gewesen, der Kündigung durch die Klägerin stand daher ein gesetzliches Hindernis nicht im Wege. Es war deshalb der Revision der Klägerin Folge zu geben und das angefochtene Berufungsurteil dahin abzuändern, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
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