Spruch:
Das Landesgericht Klagenfurt hat durch den VPräs Dr. Lutschounig als Vorsitzenden und die weiteren Richter Dr. Pasterk und Dr. Schofnegger in der Strafsache gegen ***** wegen der Vergehen nach § 27 Abs 1 (erster, zweiter und sechster Fall) SMG über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Bezirksgerichtes St. Veit an der Glan vom 23. August 2007, 1 U 66/07m -5, am 14.1.2008 in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Text
Aus Anlass (§ 477 Abs 1 StPO) der Berufung der Staatsanwaltschaft werden das Urteil und der gemäß § 494 a StPO gefasste Beschluss in amtswegiger Wahrnehmung des Nichtigkeitsgrundes nach §§ 281 Abs 1 Z 10 a iVm 468 Abs 1 Z 4 StPO gemäß § 470 Z 3 StPO aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung
verwiesen.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ***** geborene ***** (richtig) der Vergehen nach § 27 Abs 1 (erster, zweiter und sechster Fall) SMG schuldig erkannt und hiefür (zu ergänzen: unter Bedachtnahme auf § 28 StGB) nach § 27 Abs 1 SMG zu einer Geldstrafe von 250 Tagessätzen € 10,--, im Uneinbringlichkeitsfall zu 125 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe sowie gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt. Gleichzeitig wurde einerseits gemäß § 494 a Abs 1 Z 2 StPO vom Widerruf der in den Urteilen des Landesgerichtes Klagenfurt zu 17 Hv 32/04 p und 15 Hv 166/04 d ausgesprochenen bedingten Strafnachsichten abgesehen und andererseits gemäß § 494 a Abs 1 Z 4 StPO die im Urteil des Bezirksgerichtes St. Veit an der Glan zu 1 U 43/03 y gewährte bedingte Strafnachsicht widerrufen.
Nach dem Schuldspruch hat er in der Zeit von Anfang 2006 bis 20.2.2007 in St. Veit an der Glan den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtmittel und zwar mehrmals Cannabiskraut und Cannabisharz sowie Kokain erworben, besessen und anderen überlassen. Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Staatsanwaltschaft wegen des Ausspruchs über die Strafe, mit der sie die Verhängung einer Freiheitsstrafe anstrebt. Ihre gleichzeitig erhobene Beschwerde hat den Widerruf der bedingten Strafnachsichten zum Ziel.
Rechtliche Beurteilung
Bereits die Prüfung in nicht öffentlicher Beratung ergibt, dass das angefochtene Urteil mit dem nicht geltend gemachten, jedoch amtswegig wahrzunehmenden Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 10 a iVm § 468 Abs 1 Z 4 StPO insofern behaftet ist, als dem Schuldspruch ein prozessuales Verfolgungshindernis entgegen steht, das dessen Aufhebung unumgänglich macht. Vorweg ist festzuhalten, dass nach dem Strafprozessreformbegleitgesetz I (BGBl. I Nr. 93/2007) und dem Strafrechtsänderungsgesetze 2008 (BGBl. I Nr. 109/2007) die durch das Strafprozessreformgesetz geänderten Verfahrensbestimmungen - mit Ausnahme der hier nicht relevanten, im § 516 Abs 1a StPO angeführten Normen - in Strafsachen nicht anzuwenden sind, in denen vor ihrem Inkrafttreten das Urteil in erster Instanz gefällt worden ist (§ 516 Abs 1 StPO).
Abweichend von dieser Regelung sieht die Suchtmittelgesetznovelle 2007 (BGBl. I 110/2007) vor, dass sämtliche neu gefassten Bestimmungen bereits mit 1.1.2008 in Kraft treten (§ 47 Abs 9 SMG). Nach der unverändert gebliebenen Übergangsbestimmung des § 48 SMG sind aber die Strafbestimmungen diese Gesetzes nicht in Strafsachen anzuwenden sind, in denen vor ihrem Inkrafttreten das Urteil in erster Instanz gefällt worden ist.
Unter dem Begriff „Strafbestimmungen“ sind in diesem Zusammenhang jedoch nur die materiell-rechtlichen Normen der gerichtlichen Strafbestimmungen für Suchtgifte, psychotrope Stoffe und Drogenausgangsstoffe nach §§ 27 bis 32 SMG, nicht aber auch die Verfahrensbestimmungen des SMG zu verstehen, weil § 48 SMG konkret auch auf die - ausschließlich für das materielle Recht geltenden - Vorschriften der §§ 1, 61 StGB verweist. Darüber hinaus legt aber auch der Gesetzestext selbst diese Interpretation nahe, weil nur die Überschriften zu den §§ 27 bis 32 im 5. Hauptstücks des SMG den Begriff der „Strafbestimmung“ verwenden.
Daraus folgt, dass bei der Entscheidung über die Berufung der Staatsanwaltschaft in formeller Hinsicht die bis zum 31.12.2008 geltenden strafprozessualen Bestimmungen, in Bezug auf das SMG jedoch bereits die mit 1.1.2008 in Kraft getretenen neuen Verfahrensvorschriften, insbesonders die neue Regelung des § 35 Abs 1
SMG anzuwenden sind.
Nach § 35 Abs 1 SMG hat die Staatsanwaltschaft unter den in den Absätzen 3 bis 7 genannten Voraussetzungen und Bedingungen ein Strafverfahren wegen einer Straftat nach dem § 27 Abs 1 und Abs 2 SMG oder nach § 30 SMG, die ausschließlich für den eigenen persönlichen Gebrauch oder den persönlichen Gebrauch eines anderen begangen worden ist, ohne dass der Täter daraus einen Vorteil gezogen hat, unter Bestimmung einer Probezeit von einem Jahr bis zu zwei Jahren vorläufig zurückzutreten. Gemäß § 37 SMG hat nach Einbringung der Anklage das Gericht ua § 35 SMG anzuwenden und das Verfahren unter den zuvor genannten Voraussetzungen bis zum Schluss der Hauptverhandlung mit Beschluss einzustellen.
Diese Regelung verpflichtet nunmehr das Gericht selbst dann zwingend zur vorläufige Einstellung des Strafverfahrens, wenn vom Täter Suchtmittel auch an Dritte weitergegeben wurde, er daraus aber keinen Vorteil gezogen hat.
Nach den Urteilsfeststellungen (US 3 f) hat der Angeklagte in der Zeit von Anfang 2006 bis zum 20.2.2007 in wiederholten Angriffen Cannabisprodukte und Kokain erworben, besessen und dritten Personen zu deren persönlichen Gebrauch überlassen. Hinweise für eine entgeltliche Weitergabe von Suchtmitteln liegen nach der Aktenlage nicht vor.
Diese Konstatierungen bieten eine hinreichende Grundlage für die obligatorisch vorgesehene vorläufige Einstellung des Strafverfahrens nach den §§ 35 Abs 1, 37 SMG, deren Nichtbeachtung einen Verstoß gegen dieses temporäre Verfolgungshindernis begründet. Der Schuldspruch ist, weil sich die Nichtanwendung der §§ 35 Abs 1, 37 SMG für den Angeklagten jedenfalls nachteilig auswirkt, mit dem von Amtswegen wahrzunehmenden Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 10 a StPO behaftet, der zwangsläufig die Aufhebung des Ersturteils einschließlich der darin getroffenen Entscheidungen nach § 494 a StPO zur Folge hat.
Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht ausgehend von dieser Rechtsansicht die weiteren im § 35 Abs 3 bis 7 SMG genannten Voraussetzungen und Bedingungen für eine vorläufige Einstellung des Strafverfahrens abzuklären und auf Basis dieser Verfahrensergänzungen erneut zu entscheiden haben.
Mit ihrer weiteren Berufung war die Staatsanwaltschaft Klagenfurt auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.
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