Normen
B-VG Art133 Abs4
B-VG Art133 Abs5
B-VG Art135 Abs3
B-VG Art87 Abs2
B-VG Art87 Abs3
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2024:RA2021040163.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 1. Mit Spruchpunkt III. des Bescheides der belangten Behörde vom 28. Jänner 2020 erteilte die belangte Behörde der mitbeteiligten Partei die gewerbebehördliche Betriebsanlagengenehmigung für die Änderung ihrer ‑ in der Gemeinde A gelegenen ‑ Betriebsanlage für Fahrzeugbau, Hydrauliktechnik, die Ausübung von Schlossereitätigkeiten, die Reparatur von und den Handel mit Land‑ und Forstmaschinen, Baggern etc. unter einer näher beschriebenen Auflage.
2 Zudem wurde mit Spruchpunkt I. dieses Bescheides die naturschutzrechtliche und mit Spruchpunkt II. die baurechtliche Bewilligung für das gegenständliche Vorhaben erteilt.
3 2.1. Die gegen die Spruchpunkte II. und III. (Erteilung der baurechtlichen und der gewerbebehördlichen Genehmigung) erhobene Beschwerde der revisionswerbenden Parteien wies das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis ab und sprach aus, dass die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.
4 2.2. In seiner Begründung kam das Verwaltungsgericht zum Ergebnis, dass die in der Gewerbeordnung normierten Voraussetzungen für die Erteilung der Betriebsanlagengenehmigung gegeben seien. Eine Gefährdung der Gesundheit der Nachbarn sei nach Darstellung der befassten Sachverständigen nicht zu erwarten. Was unzumutbare Beeinträchtigungen der Nachbarn betreffe, so bestehe eine (wenn auch geringe) Überschreitung hin zu den Abendstunden, bedingt durch Staplerfahrten. Aus medizinischer Sicht seien hier in Absprache mit dem gewerbetechnischen Amtssachverständigen Maßnahmen umzusetzen, um eine (wenn auch geringe) Reduktion der Lärmbelastung für den nächstgelegenen Wohnnachbarn zu erreichen. Damit solle eine mittel‑ bis längerfristige Belastung, die zu einer unzumutbaren Lärmstörung führen könne, größtmöglich verhindert werden.
5 Der gewerbetechnische Amtssachverständige habe bereits im behördlichen Verfahren detailliert zum Vorbringen der revisionswerbenden Parteien Stellung genommen und in diesem Rahmen die dem gegenständlichen Projekt beiliegende schalltechnische Begleitplanung neuerlich und ins Detail gehend hinsichtlich der Auswirkungen auf den Immissionsbereich der revisionswerbenden Parteien geprüft. Dabei zeige sich, dass eine Abweichung zwischen der Betriebs‑ und Ablaufbeschreibung des Projekts und der schalltechnischen Begleitplanung insoweit gegeben sei, als in der schalltechnischen Begleitplanung in der Betriebszeit nach 19:00 Uhr keine Staplerfahrten zur und aus der Tiefgarage berücksichtigt würden. In seiner ergänzenden Stellungnahme habe der Amtssachverständige auch einen Staplerbetrieb bis 20:00 Uhr berücksichtigt und beide Varianten (Staplerbetrieb bis 19:00 Uhr und Staplerbetrieb bis 20:00 Uhr) in zwei Tabellen einander gegenübergestellt. Der Amtssachverständige sei zum Schluss gekommen, dass sich bei Staplerverkehr zur Tiefgarage bis 20:00 Uhr eine Überschreitung von einem dB in der Abendzeit ergebe. Bei genauer Betrachtung der Berechnungswerte und unter Hinweis auf die Vertrauensbereiche von schalltechnischen Messungen und Berechnungen von +/‑ 1 dB bilde die Differenz von einem dB praktisch keine Relevanz. Auch der medizinische Amtssachverständige habe im Rahmen seines ‑ in der mündlichen Verhandlung abgegebenen ‑ Gutachtens ausgeführt, dass Änderungen im Rahmen von einem dB vom menschlichen Organismus nicht wahrnehmbar seien.
6 3. Die von den revisionswerbenden Parteien gegen die Abweisung der Beschwerde betreffend die baurechtliche Genehmigung erhobene außerordentliche Revision wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 7. Oktober 2021, Ra 2021/06/0140 und 141, mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zurückgewiesen.
7 4. Die vorliegende außerordentliche Revision richtet sich gegen die Abweisung der gegen die Erteilung der gewerbebehördlichen Betriebsanlagengenehmigung erhobenen Beschwerde.
8 5. Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
11 5. In der Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit vorgebracht, das angefochtene Erkenntnis weiche von (näher bezeichneter) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur festen Geschäftsverteilung ab.
Die im vorliegenden Fall maßgebliche Geschäftsverteilung des Verwaltungsgerichts für das Jahr 2020 sehe vor, dass Verfahren aus dem Bereich Umweltschutz‑, Wirtschafts‑ und Baurecht den nachfolgend angeführten Mitgliedern fortlaufend in der Reihenfolge Mag. N B, Dr. W H, Mag. B K, Dr. D E, Dr. E L, Dr. R K und Dr. M H zugewiesen würden. Der von der belangten Behörde übermittelte Verwaltungsakt sei ‑ zu einem aus dem Akt des Verwaltungsgerichts nicht mehr näher nachvollziehbaren Zeitpunkt ‑ am 4. März 2020 (Eingangsstempel) eingelangt und mit den weiteren im Lauf des Tages einlangenden Schriftstücken gleichzeitig ‑ und demnach nicht fortlaufend in der Reihenfolge des Einlangens ‑ zur Zuteilung dem Präsidenten des Verwaltungsgerichts vorgelegt worden. Dadurch werde weder die Einhaltung des Grundsatzes der festen Geschäftsverteilung gewährleistet noch sei diese nachvollziehbar und nachprüfbar. Der Eingangsvermerk des Verwaltungsgerichts beurkunde lediglich den Tag, nicht jedoch die (Uhr)Zeit des Einlangens. Auch beinhalte der Eingangsvermerk keine fortlaufende Nummerierung oder etwas Vergleichbares, aus dem der (Uhr)Zeitpunkt des Einlangens abgeleitet werden könne.
Dadurch sei insbesondere nicht sichergestellt und nachprüfbar, dass die zu verteilenden Geschäftsfälle fortlaufend den in der Geschäftsverteilung des Verwaltungsgerichts für das Jahr 2020 angeführten Einzelmitgliedern zugewiesen würden. Eine fortlaufende Zuweisung wäre nur durch fortlaufende Zuweisung nach dem Zeitpunkt des Einlangens der jeweiligen verfahrenseinleitenden Schriftstücke oder durch einen Eingangsvermerk samt Uhrzeit gewährleistet.
Aus den dargelegten Gründen verstoße die Zuweisung an den erkennenden Richter gegen den Grundsatz der festen Geschäftsverteilung und bewirke somit eine Unzuständigkeit.
12 Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts weiche aber auch von (näher bezeichneter) Rechtsprechung zu § 45 Abs. 3 AVG ab. Nach dieser sei der Sachverhalt vom Verwaltungsgericht vollständig aufzuklären und der Partei die Gelegenheit zur Äußerung zu Verfahrensergebnissen zu gewähren.
Die revisionswerbenden Parteien hätten in der mündlichen Verhandlung am 23. Juni 2020 erstmals Kenntnis vom medizinischen Amtsgutachten erhalten. Das Verwaltungsgericht habe den revisionswerbenden Parteien trotz entsprechendem Antrag keine Frist zur Vorlage eines privaten Gegengutachtens eingeräumt. Indem das Verwaltungsgericht den von den revisionswerbenden Parteien in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag auf Einräumung einer zumindest zweimonatigen Frist zur Vorlage eines Privatgutachtens abgewiesen habe, sei es von der genannten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Das Parteiengehör werde verletzt, weil nach der ständigen Rechtsprechung das Recht zur Stellungnahme zu einem Gutachten auch das Recht zur Beiziehung eines Privatsachverständigen zur Prüfung und Erstattung eines Gegengutachtens umfasse.
13 Darüber hinaus sei das Verwaltungsgericht von näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur maßgeblichen Zumutbarkeit einer Belästigung für die Genehmigung einer Betriebsanlage abgewichen. Es fehlten Feststellungen zu bereits bestehenden Immissionsbelastungen, insbesondere beim Immissionspunkt „S“. Es sei lediglich festgestellt worden, dass bei diesem Immissionspunkt der planungstechnische Grundsatz der ÖAL‑Richtlinie Nr. 3 um ein dB überschritten werde, was an sich schon die Unzulässigkeit indiziere. Der planungstechnische Grundsatz stelle die Grenze einer zulässigen Belastung dar. Deren Überschreitung sei unzulässig. Das Verwaltungsgericht gehe davon aus, dass eine Überschreitung des planungstechnischen Grundsatzes um ein dB irrelevant sei. Zudem wären zur Beurteilung der Zulässigkeit der Immissionsbelastung durch die Betriebsanlage Feststellungen zum Ist‑Maß erforderlich gewesen.
14 6.1. Dem Vorbringen der Revision, es liege ein Verstoß gegen den Grundsatz der festen Geschäftsverteilung und damit auch eine Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichts vor, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits im erwähnten Beschluss vom 7. Oktober 2021, Ra 2021/06/0140, entgegen gehalten, dass hier eine Verletzung des dem Art. 87 Abs. 3 B‑VG nachgebildeten Art. 135 Abs. 3 B‑VG durch die Geschäftsverteilung des Verwaltungsgerichts gerügt werde und dass ein solcher Verstoß gegen verfassungsrechtliche Bestimmungen keine vom Verwaltungsgerichtshof zu beantwortende grundsätzliche Rechtsfrage bewirken kann. Die Geschäftsverteilung als gemäß Art. 87 Abs. 2 ‑VG zu qualifizierender Akt ist überdies ‑ so der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Beschluss ‑ der Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof entzogen.
15 6.2. Mit dem Vorbringen, es sei das Recht auf Parteiengehör verletzt worden, weil keine Möglichkeit zur Beiziehung eines Privatsachverständigen zur Prüfung und Erstattung eines Gegengutachtens bestanden habe, wird ein Verfahrensfehler geltend gemacht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes reicht es aber nicht aus, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel konkret darzulegen (vgl. VwGH 25.5.2020, Ra 2019/19/0116, mwN; zur Relevanzdarlegung in Zusammenhang mit einer behaupteten Verletzung des Parteiengehörs siehe zudem VwGH 5.3.2020, Ra 2019/19/0071, mwN).
Eine solche Relevanzdarlegung ist der vorliegenden Revision nicht zu entnehmen. Es wird insbesondere nicht dargelegt, welches ‑ durch ein mögliches Gegengutachten untermauertes ‑ Vorbringen die revisionswerbenden Parteien im Fall der Einräumung des vermissten Parteiengehörs erstattet hätten und inwiefern das Verwaltungsgericht dadurch zu einer anderen (für sie günstigeren) Entscheidung hätte gelangen können; dies auch vor dem Hintergrund, dass von den revisionswerbenden Parteien bereits im bisherigen Verfahren ein Gutachten eines Privatsachverständigen vorgelegt wurde und sich die Amtssachverständigen mit den darin vorgebrachten Argumenten auseinandergesetzt haben.
6.3. Schließlich ist dem Vorbringen betreffend die maßgebliche Zumutbarkeit einer Belästigung für die Genehmigung einer Betriebsanlage zu entgegnen, dass sich das Verwaltungsgericht mit dieser Frage ‑ konkret in Bezug auf die Situation der revisionswerbenden Parteien ‑ auseinandergesetzt hat und zum Ergebnis gelangte, dass es zu Lärmimmissionen an der Grenze der zumutbaren Störung nach der ÖAL‑Richtlinie Nr. 3 komme, wobei hier Staplerfahrten bis 20:00 Uhr einberechnet worden seien. Dabei würden unzumutbare Einwirkungen für die Nachbargrundstücke der revisionswerbenden Parteien nicht eintreten und Auswirkungen auf den Organismus der revisionswerbenden Partei nicht zu erwarten sein.
Soweit die Revision rügt, eine Überschreitung des planungstechnischen Grundsatzes um ein dB sei als irrelevant angesehen worden, ist darauf zu verweisen, dass der gewerbetechnische Amtssachverständige bei einer solchen Differenz ‑ unter Hinweis auf die Vertrauensbereiche von schalltechnischen Messungen und Berechnungen von +/‑ 1 dB ‑ die praktische Relevanz verneinte und auch der medizinische Amtssachverständige eine Änderung in dieser Größenordnung als nicht vom menschlichen Organismus wahrnehmbar ansah (siehe oben Rn. 5).
16 7. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 4. November 2024
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