European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023200277.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die aus der Russischen Föderation stammende und der tschetschenischen Volksgruppe zugehörige Revisionswerberin stellte am 1. April 2019 ihren ersten Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) im Bundesgebiet.
2 Dieser Antrag wurde letztlich im Instanzenzug abgewiesen, der Revisionswerberin kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt, gegen sie eine Rückkehrentscheidung erlassen, ihre Abschiebung in die Russische Föderation für zulässig erklärt sowie ihr eine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt. Die Revisionswerberin verließ das Bundesgebiet nicht.
3 Am 13. November 2022 stellte die Revisionswerberin einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz.
4 Mit Bescheid vom 6. März 2023 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Folgeantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück, erteilte der Revisionswerberin wiederum keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass ihre Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei, gewährte keine Frist für die freiwillige Ausreise und erließ gegen die Revisionswerberin ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot.
5 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Gemäß § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG hat die Revision die Bezeichnung der Rechte, in denen der Revisionswerber verletzt zu sein behauptet (Revisionspunkte), zu enthalten.
10 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt bei der Prüfung eines angefochtenen Erkenntnisses oder Beschlusses eines Verwaltungsgerichts dem Revisionspunkt nach § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG entscheidende Bedeutung zu, denn der Verwaltungsgerichtshof hat nicht zu prüfen, ob irgendein subjektives Recht des Revisionswerbers verletzt worden ist, sondern nur, ob jenes verletzt worden ist, dessen Verletzung der Revisionswerber behauptet. Durch den Revisionspunkt wird der Prozessgegenstand des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den dieser bei der Prüfung des angefochtenen Erkenntnisses oder Beschlusses gebunden ist. Wird der Revisionspunkt unmissverständlich ausgeführt, so ist er einer Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang der Revision nicht zugänglich (vgl. VwGH 30.5.2022, Ra 2021/20/0482, mwN).
11 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl keine Folge, mit dem unter anderem der Folgeantrag der Revisionswerberin auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen worden war. Es liegt daher insoweit eine ausschließlich verfahrensrechtliche Entscheidung vor, mit der die Entscheidung in der Sache abgelehnt wurde. Im Hinblick auf diesen normativen Gehalt des angefochtenen Erkenntnisses käme hier in diesen Punkten allein die Verletzung der Revisionswerberin im Recht auf meritorische Entscheidung über ihren Antrag, nicht aber die Verletzung in den, den Inhalt des Antrages auf internationalen Schutz bildenden Rechten in Betracht. Die Revisionswerberin konnte daher schon deswegen in den als Revisionspunkte genannten Rechten auf Zuerkennung des Status der Asylberechtigten und Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten nicht verletzt werden (vgl. VwGH 23.2.2022, Ra 2022/14/0017, mwN). Auf das diesbezügliche Zulässigkeitsvorbringen in der Revision ist daher nicht mehr einzugehen.
12 Auch die Verletzung von Verfahrensvorschriften (wie hier [Schreibweise im Original] „Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Parteigehör“ oder der „Verstoß gegen das Gebot der amtswegiger Sachverhaltserhebung und Erforschung der materiellen Wahrheit“) stellt keinen tauglichen Revisionspunkt dar, sondern zählt zu den Revisionsgründen. In welchem konkreten, aus einer Rechtsnorm ableitbaren subjektiven Recht die Revisionswerberin verletzt sein soll, wird durch die Behauptung der Verletzung von Verfahrensvorschriften nicht dargestellt (vgl. VwGH 18.5.2020, Ra 2020/20/0062, mwN).
13 Letztlich handelt es sich bei dem in der Revision weiter genannten Recht auf Schutz vor Willkürentscheidungen um ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht, dessen behauptete Verletzung gemäß Art. 144 Abs. 1 B‑VG die Prozessvoraussetzung für ein Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof bildet und deren Verletzung zu prüfen der Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 5 B‑VG nicht berufen ist (vgl. VwGH 20.9.2021, Ra 2021/14/0268, mwN).
14 Soweit sich die Revisionswerberin im übrigen ‑ von einem tauglichen Revisionspunkt erfassten ‑ Zulässigkeitsvorbringen gegen die Erlassung einer Rückkehrentscheidung wendet und dabei auf ein Abhängigkeitsverhältnis zu ihren in Österreich lebenden volljährigen Kindern und Verwandten beruft, ist festzuhalten, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen ‑ wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde ‑ nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist (vgl. VwGH 9.3.2023, Ra 2023/20/0041 bis 0043, mwN).
15 Das Bundesverwaltungsgericht hat bei seiner Beurteilung fallbezogen alle relevanten Umstände näher beleuchtet und ausreichend berücksichtigt. Entgegen den Revisionsausführungen hat sich das Bundesverwaltungsgericht in seiner rechtlichen Begründung mit den familiären Beziehungen der Revisionswerberin auseinandergesetzt und dargelegt, weshalb die Erlassung einer Rückkehrentscheidung nicht unverhältnismäßig sei.
16 Die Revisionswerberin zeigt mit ihrem pauschalen Vorbringen zu nicht näher konkretisierten Abhängigkeiten zu in Österreich lebenden Verwandten (vgl. zum Schutz familiärer Beziehungen unter Erwachsenen etwa VwGH 21.4.2021, Ra 2021/14/0109) nicht auf, dass dem Bundesverwaltungsgericht bei der Interessenabwägung ein vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifender Fehler unterlaufen wäre oder dass es die für die Abstandnahme von der Verhandlung in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien missachtet hätte.
17 Im Ergebnis mangelt es der vorliegenden Revision zum einen daher an der Berechtigung zu ihrer Erhebung, zum anderen werden aber auch keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 14. September 2023
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