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European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023190144.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein syrischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Kurden, stellte am 3. Oktober 2021 einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu seinen Fluchtgründen gab er an, Angst vor dem syrischen Regime zu haben und nicht kämpfen zu wollen. Er möchte niemanden töten bzw. nicht selbst getötet werden.
2 Mit Bescheid vom 9. September 2022 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab, erkannte ihm jedoch den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr.
3 Die gegen die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten gerichtete Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab (Spruchpunkt A.) und sprach aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt B.).
4 Begründend führte das BVwG im Wesentlichen aus, dass es dem Revisionswerber nicht gelungen sei, eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen in seinem Herkunftsstaat Syrien in ausreichendem Maß substantiiert vorzubringen und glaubhaft zu machen.
Im Herkunftsgebiet des Revisionswerbers, das sich unter Kontrolle der Kurden befinde, habe keine Verfolgung durch das syrische Regime festgestellt werden können. Auch sei eine Verfolgung des Revisionswerbers durch andere Gruppen (insbesondere durch kurdische Milizen) aus einem in der GFK genannten Grund nicht wahrscheinlich. Der Revisionswerber habe dort bis zur Ausreise ohne entsprechende Probleme leben können.
5 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit vor, das angefochtene Erkenntnis stehe nicht im Einklang mit (näher bezeichneter) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach den vom UNHCR und von der EUAA herausgegebenen Richtlinien besondere Beachtung zu schenken sei („Indizwirkung“). Diese Indizwirkung bedeute zwar nicht, dass die Asylbehörden bzw. das BVwG in Bindung an entsprechende Empfehlungen in den Richtlinien internationalen Schutz gewähren müssten. Allerdings hätten sich die Asylbehörden (und dementsprechend auch das BVwG) mit den Stellungnahmen, Positionen und Empfehlungen in den Richtlinien des UNHCR und der EUAA auseinanderzusetzen.
Wäre das BVwG dem nachgekommen, hätte es dem Revisionswerber den Asylstatus zuerkennen oder sich zumindest im Detail damit auseinandersetzen müssen, warum ihm trotz der dort klar dargestellten Risiken einer Verfolgung im konkreten Fall kein Asylstatus zustehen solle. Das habe das BVwG aber nicht getan. Vielmehr habe es lediglich aus dem Umstand, dass der Revisionswerber Kurde sei und aus einem von Kurden kontrollierten Gebiet geflohen sei, geschlossen, dass ihm keine Verfolgung drohe.
Diese Begründung des BVwG entspreche „materiell dem Argument der inländischen Fluchtalternative nach § 11 AsylG“, weil davon ausgegangen werde, dass dem Revisionswerber in einem Teil des Herkunftsstaates Schutz gewährleistet werden könne. Schutz sei aber nach dem Gesetz nur dann gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK vorliegen könne und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben seien.
8 Werden Verfahrensmängel (wie hier Begründungsmängel) für die Zulässigkeit der Revision ins Treffen geführt, so muss auch schon in der Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel dargelegt werden, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise, also fallbezogen darzulegen (vgl. für viele VwGH 21.2.2022, Ra 2021/01/0373 bis 0376, mwN).
9 Diesem Erfordernis wird die vorliegende Revision aus folgenden Erwägungen nicht gerecht:
10 Die Revision bringt zwar vor, dass eine Befassung mit den aktuellen Richtlinien des UNHCR und der EUAA im vorliegenden Fall zur Zuerkennung des Asylstatus geführt hätte.
11 Allerdings stellt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Furcht vor der Ableistung des Militärdienstes bzw. der bei seiner Verweigerung drohenden Bestrafung im Allgemeinen keine asylrechtlich relevante Verfolgung dar, sondern könnte nur bei Vorliegen eines Konventionsgrundes Asyl rechtfertigen. Wie der Verwaltungsgerichtshof zur möglichen Asylrelevanz von Wehrdienstverweigerung näher ausgeführt hat, kann auch der Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern bzw. Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung asylrechtliche Bedeutung zukommen, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht oder dem Betroffenen wegen dieses Verhaltens vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und den Sanktionen ‑ wie etwa der Anwendung von Folter ‑ jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Unter dem Gesichtspunkt des Zwanges zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen kann auch eine „bloße“ Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung sein.
Fehlt ein kausaler Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen, kommt die Asylgewährung nicht in Betracht (vgl. zu alldem zuletzt VwGH 31.10.2023, Ro 2023/19/0002, mwN).
12 Im vorliegenden Fall zeigt die Revision nicht auf und ist auch nicht ersichtlich, dass der Revisionswerber in Bezug auf die ihm drohende Einziehung zum Wehrdienst im Verfahren vor dem BFA oder im Beschwerdeverfahren ein Vorbringen erstattet hätte, das einen kausalen Zusammenhang zu einem Konventionsgrund im Sinn der oben wiedergegebenen Rechtsprechung erkennen lässt.
Vor diesem Hintergrund vermag die Revision mit ihrem Vorbringen auch nicht die Relevanz der von ihr gerügten Verfahrensmängel aufzuzeigen.
13 Fehlt dem Vorbringen zur drohenden Einziehung zum Wehrdienst der kausale Zusammenhang zu einem Konventionsgrund im oben beschriebenen Sinn, so ist damit auch dem ‑ auf der Prämisse des Vorliegens eines Verfolgungsgrundes des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK aufbauenden ‑ Revisionsvorbringen zur innerstaatlichen Fluchtalternative der Boden entzogen.
14 Soweit die Revision schließlich rügt, das angefochtene Erkenntnis stehe im deutlichen Widerspruch zu einer näher bezeichneten, fast zeitgleich ergangenen Entscheidung des BVwG, in der einem syrischen Staatsangehörigen, der sich dem Wehrdienst in Syrien entzogen habe, der Asylstatus zuerkannt worden sei, ist ihr entgegen zu halten, dass eine uneinheitliche Rechtsprechung eines oder mehrerer Verwaltungsgerichte für sich genommen nicht den Tatbestand des Art. 133 Abs. 4 B‑VG erfüllt (vgl. etwa VwGH 9.5.2023, Ra 2023/04/0018, mwN).
15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 14. Dezember 2023
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