European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023160084.L00
Spruch:
Die Revision wird, soweit sie die Kraftfahrzeugsteuer betrifft, zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheiden vom 18. Oktober 2017 setzte das Finanzamt gegenüber der Revisionswerberin Kraftfahrzeugsteuer für die Monate April 2014 bis Dezember 2016 in jeweils näher angeführter Höhe fest.
2 Einer u.a. dagegen erhobenen Beschwerde gab das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidungen keine Folge, woraufhin die Revisionswerberin die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht beantragte.
3 Das Bundesfinanzgericht führte ein Vorhalteverfahren und einen Erörterungstermin durch und wies die Beschwerde mit dem angefochtenen Erkenntnis, in dem eine Revision für nicht zulässig erklärt wurde, als unbegründet ab. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens stellte es im Wesentlichen fest, der Familienwohnsitz der Revisionswerberin befinde sich seit 2005 in Österreich, wo sie mit ihrem Ehemann und ihren beiden Kindern lebe. In Deutschland betreibe sie ein Einzelunternehmen (Einzelhandel), das acht Kilometer von ihrem Wohnsitz entfernt sei (Fahrtstrecke: 5 km in Österreich, 3 km in Deutschland). In Deutschland ‑ in einer anderen Stadt ‑ befinde sich zudem eine Filiale des Einzelunternehmens. Von Juli 2016 bis Juni 2017 sei am Hauptsitz des Einzelunternehmens in Deutschland auch ein Imbissstand betrieben worden. Der Ehemann sei mit einem Bezug von 450 € monatlich im Einzelunternehmen der Revisionswerberin angestellt gewesen und arbeite auch von Österreich aus.
4 Die streitgegenständlichen Fahrzeuge seien ab der Anschaffung in Österreich verwendet worden. Abends hätten sie sich jedenfalls täglich am Familienwohnsitz befunden und Fahrten seien jeweils von Österreich aus angetreten worden.
5 Die im Streitzeitraum vorhandenen Fahrzeuge seien auf das Einzelunternehmen der Revisionswerberin zugelassen gewesen und hätten sich im Betriebsvermögen des Einzelunternehmens befunden, das auch die Aufwendungen für die Fahrzeuge getragen habe. Die Fahrzeuge seien von der Revisionswerberin, ihrem Ehemann und ab Herbst 2015 auch von ihrem Sohn genutzt worden.
6 Für die Fahrzeuge seien keine Fahrtenbücher geführt worden und aus den im Beschwerdeverfahren vorgelegten Unterlagen gehe nicht hervor, wo (im In- oder Ausland) die Fahrzeuge jeweils überwiegend genutzt worden seien.
7 Der Ehemann der Revisionswerberin habe im Rahmen seiner Einvernahme angegeben, die betriebliche Verwendung der Fahrzeuge habe sich im Wesentlichen auf Fahrten zwischen Wohnsitz und Arbeitsstelle („ins Geschäft“) beschränkt. Die Kunden seien zu 99,9 % zu ihnen gekommen. Ab und zu sei es möglich gewesen, dass sie zu Kunden nach Hause gefahren seien. Fahrten zur Post und zum Steuerberater sowie Einkäufe für das Geschäft seien in geringem Ausmaß dazukommen. In der Regel sei es nicht notwendig gewesen, in die Filiale des Einzelunternehmens zu fahren; es sei hauptsächlich alles online abgewickelt worden. In etwa zweimal im Jahr sei eine Messe besucht worden. In Österreich wäre man zum Einkaufen und Tanken gefahren. Die Richtigkeit dieser Angaben seien von der Revisionswerberin und ihrem Ehemann bestätigt worden. Die später gemachten Angaben, wonach die Fahrzeuge ‑ bezogen auf die Anzahl der Jahreskilometer ‑ hauptsächlich für geschäftliche Zwecke in Deutschland verwendet worden seien, seien durch keinerlei Beweise untermauert worden. Bloße Behauptungen betreffend die Art und den Ort der Nutzung der gegenständlichen Fahrzeuge stellten keinen Gegenbeweis iSd § 82 Abs. 8 KFG dar, der ‑ vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ‑ nur dann als erbracht anzusehen sei, wenn das Fahrzeug weitaus überwiegend nicht in Österreich verwendet werde, wobei es keinen Unterschied mache, ob es überwiegend betrieblich oder privat genutzt werde.
8 In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesfinanzgericht im Hinblick auf die Anwendbarkeit der Bestimmung des § 82 Abs. 8 KFG aus, in der Gesamtbetrachtung der beruflichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebensbeziehungen der Revisionswerberin sei ein überwiegendes Naheverhältnis zum inländischen Wohnsitz anzunehmen, der somit als Hauptwohnsitz zu betrachten sei. Aufgrund der Verwendung der verfahrensgegenständlichen Fahrzeuge im Inland greife die Standortvermutung des § 82 Abs. 8 KFG, weil der Verwaltungsgerichtshof nicht danach differenziere, ob die Verwendung eines Fahrzeuges dem ausländischen Einzelunternehmen oder dem Unternehmer in seiner Eigenschaft als inländische Privatperson zuzurechnen sei. Den nach dieser Bestimmung möglichen Gegenbeweis habe die Revisionswerberin nicht erbracht.
9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die vom Bundesfinanzgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt wurde.
10 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
13 Die Revision führt zu ihrer Zulässigkeit aus, das Bundesfinanzgericht habe in der angefochtenen Entscheidung lediglich auf ein nicht vorhandenes Fahrtenbuch und auf die im Zuge des Erörterungstermins vorgelegten Unterlagen verwiesen, ohne dabei konkret auf die vorgelegten Beweismittel und die Gründe einzugehen, warum aus diesen nicht hervorgehen solle, wo die überwiegende Nutzung der Fahrzeuge stattfinde. Die vorgelegten Beweise seien weder konkret erwähnt, noch sei auf diese verwiesen worden. Das Bundesfinanzgericht sei auf das Vorbringen, wonach die betriebliche Tätigkeit nur in Deutschland entfaltet worden sei, sich der Verwandtschafts- und Freundeskreis in Deutschland befunden habe und die Kinder in Passau zur Schule gegangen seien, nicht eingegangen, weshalb die Revisionswerberin diese „Tatsachen“ als unstrittig erachtet und diesbezüglich keine weiteren Beweise vorgelegt habe.
14 Ob der Gegenbeweis im Sinne des § 82 Abs. 8 erster Satz KFG als erbracht anzusehen ist, ist eine Frage der Beweiswürdigung (vgl. VwGH 23.9.2021, Ra 2019/16/0152; 28.10.2009, 2008/15/0276).
15 Nach ständiger Rechtsprechung ist der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen. Einer Rechtsfrage des Verfahrensrechtes kann nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung entfaltet, und setzt einen schwerwiegenden Verstoß gegen tragende Verfahrensgrundsätze voraus (vgl. etwa VwGH 26.7.2019, Ra 2019/16/0082, mwN).
16 Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung läge dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall erfolgte Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte. Eine im Einzelfall gepflogene, nicht als grob fehlerhaft erkennbare Beweiswürdigung wirft dagegen im Allgemeinen keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG auf. Beruht die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes also nicht auf einer geradezu unvertretbaren Auslegung von Inhalt und Umfang der Begründungspflicht, liegt eine grundlegende Verkennung tragender Verfahrensgrundsätze nicht vor (vgl. erneut VwGH 26.7.2019, Ra 2019/16/0082, mwN).
17 Im vorliegenden Revisionsfall hat das Bundesfinanzgericht in Ansehung der von ihm erörterten Beweisergebnisse den Gegenbeweis nach § 82 Abs. 8 KFG als nicht erbracht gesehen und auf eine überwiegende Verwendung des Fahrzeuges im Inland geschlossen. Das stößt im Hinblick auf die Ausführungen des Ehemannes der Revisionswerberin anlässlich seiner Einvernahme als Auskunftsperson ‑ auf die im angefochtenen Erkenntnis Bezug genommen wird ‑ und auf die davon abweichenden Angaben der Revisionswerberin im Beschwerdeverfahren ‑ für die selbst laut Zulässigkeitsvorbringen der Revision keine weiteren Beweise vorgelegt wurden ‑ auf keine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Bedenken.
18 Die vorliegende Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 133 Abs. 4 B‑VG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 5. Oktober 2023
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