VwGH Ro 2022/13/0014

VwGHRo 2022/13/001420.9.2023

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser, die Hofräte MMag. Maislinger und Dr. Sutter sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des Finanzamtes für Großbetriebe in 1030 Wien, Radetzkystraße 2, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 22. April 2022, Zl. RV/7100203/2021, betreffend Rückerstattung der Kapitalertragsteuer 2013 (mitbeteiligte Partei: F in S [Vereinigte Staaten von Amerika], vertreten durch die KPMG Alpen‑Treuhand GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 1090 Wien, Porzellangasse 51), den Beschluss gefasst:

Normen

AIFMG 2013 §1 Abs2 Z2
EStG 1988 §93 idF 2012/I/112
InvFG 1963 §23
InvFG 2011 §186 idF 2011/I/077
InvFG 2011 §188 idF 2011/I/077
InvFG 2011 §2 Abs2 idF 2011/I/077
InvFG 2011 §2 idF 2011/I/077
InvFG 2011 §46 idF 2011/I/077
KStG 1988 §1 Abs3 Z1 lita
KStG 1988 §21 Abs1 Z1a idF 2012/I/112
12010E063 AEUV Art63
12010E267 AEUV Art267
32009L0065 OGAW-RL
62012CJ0190 Emerging Markets Series of DFA Investment Trust Company VORAB
62016CJ0480 Fidelity Funds VORAB
62016CJ0685 EV VORAB
62017CJ0416 Kommission / Frankreich
62020CJ0342 A SCPI VORAB

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RO2022130014.J00

 

Spruch:

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden gemäß Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Stellt eine Bestimmung wie § 188 InvFG 2011, die bewirkt, dass ausländische Gebilde, die einer inländischen Körperschaft vergleichbar sind, in Österreich von der Rückerstattung der Kapitalertragsteuer ausgenommen werden, wenn sie materiell einem OGAW im Sinne der Richtlinie 2009/65/EG entsprechen und daher im Inland nicht als Körperschaft tätig sein dürften, weil für derartige Gebilde in Österreich nur die Rechtsform als transparentes Sondervermögen vorgesehen ist, eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art. 63 AEUV dar?

2. Wenn diese Frage bejaht wird: Liegt eine objektiv vergleichbare Situation zwischen einer inländischen Körperschaft, die ihr Vermögen nach den Grundsätzen der Risikostreuung anlegt, aber mangels beim Publikum beschaffter Gelder kein OGAW ist und deshalb auch im Inland als Körperschaft tätig sein darf, einerseits und einer ausländischen Investmentfondsgesellschaft, die wegen beim Publikum beschaffter Gelder nach inländischen Grundsätzen ein OGAW wäre und deshalb im Inland nicht als Körperschaft tätig sein dürfte, andererseits vor?

3. Wenn diese Frage bejaht wird: Liegt für die Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit der Rechtfertigungsgrund der Wahrung der ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse vor, weil die §§ 186 und 188 InvFG 2011 sicherstellen wollen, dass weder ein inländischer noch ein ausländischer Publikumsfonds in Bezug auf die Anteilinhaber eine steuerliche Abschirmwirkung entfalten kann und damit eine Entlastung der Kapitalertragsteuer nur in jenen Fällen auf Ebene der Anteilinhaber erfolgen soll, in denen Österreich in einem Doppelbesteuerungsabkommen auf sein Besteuerungsrecht verzichtet hat?

Begründung

A. Sachverhalt und bisherige Verfahren

1 Die mitbeteiligte Partei ist eine in den USA ansässige Investmentgesellschaft und wurde im Jahr 2001 errichtet. Sie ist eine sogenannte „Series“ ‑ also ein eigenständiges Teilvermögen ‑ eines in den USA (Delaware) ansässigen Trusts, der aus insgesamt sieben „Series“ besteht. Nach US-amerikanischem Recht (Delaware Statutory Trust Act, 12 Del. C. §§ 3801 ff) gilt der Trust als eigenständige juristische Person, die klagen und geklagt werden kann. Er ist nach US‑amerikanischem Recht zivilrechtlicher Eigentümer des Teilvermögens, das der mitbeteiligten Partei zuzurechnen ist, und die mitbeteiligte Partei ist ‑ laut deren Angaben in den Anträgen auf Erstattung der Quellensteuer ‑ wirtschaftliche Eigentümerin dieses Teilvermögens. Jede „Series“ bildet einen eigenen Rechnungskreis und ist nach US‑amerikanischem Recht eine steuerpflichtige Körperschaft. Der Steuerpflicht in den USA unterliegen alle in- und ausländischen Einkünfte einschließlich der Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen. Die Zurechnung von Einkünften an die Anteilinhaber in den USA setzt eine Ausschüttung voraus; andernfalls erfolgt sie an die „Series“ (keine Durchgriffsbesteuerung). Für „Series“ besteht in den USA eine Steuerbegünstigung: Sofern sie mindestens 90 % der steuerpflichtigen Einkünfte (ohne realisierte Wertsteigerungen) ausschütten, sind sie berechtigt, die Ausschüttung steuerlich geltend zu machen. Dadurch kann die zu zahlende US‑Bundeseinkommensteuer auf bis zu null reduziert werden. Nach den insoweit unbestrittenen Feststellungen des Bundesfinanzgerichts hat die mitbeteiligte Partei für 2013 eine Vollausschüttung vorgenommen, sodass keine US‑Bundeseinkommensteuer zu entrichten war.

2 Die mitbeteiligte Partei ist nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts ein frei handelbarer Publikumsfonds, der vorwiegend in europäische börsenotierte Aktien investiert und im Ansässigkeitsstaat einer Finanzmarktaufsicht ‑ nach einem dem europäischen und nationalen Aufsichtsrecht vergleichbaren Regelwerk ‑ unterliegt. Ihr Fondsmanagement erfolgt nach den gleichen Grundsätzen und Investitionskriterien wie dasjenige eines gleichnamigen in Luxemburg zugelassenen Investmentfonds. Die Tätigkeit entspricht in allen wesentlichen Belangen (Anlegerschutz, Informationspflichten, insbesondere Prospektpflicht, Halbjahres- und Jahresberichte, zulässige Geschäftstätigkeit, Wirksamkeit der Aufsicht und Kontrolle) einem inländischen Investmentfonds und damit einem „Organismus für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren“ (OGAW) im Sinne der Richtlinie 2009/65/EG .

3 Aufgrund von Portfoliobeteiligungen an zwei österreichischen börsenotierten Aktiengesellschaften wurden im Kalenderjahr 2013 Dividenden in Höhe von 387.679 € an die mitbeteiligte Partei ausgeschüttet. Die ausschüttenden Gesellschaften behielten die 25%ige Kapitalertragsteuer ein und führten diese an das Finanzamt ab. Die einbehaltene Quellensteuer betrug im Jahr 2013 96.920 €.

4 Über einen für ihre Anteilinhaber in deren Namen gestellten Antrag der mitbeteiligten Partei setzte das Finanzamt ‑ auf Grundlage des Abkommens zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen, BGBl. III Nr. 6/1998 ‑ die Kapitalertragsteuer auf 15 % herab und erstattete der mitbeteiligten Partei für ihre in den USA ansässigen und abkommensberechtigten Anteilinhaber den Differenzbetrag zur mit 25 % einbehaltenen Kapitalertragsteuer. Die Rückerstattung betrug für das Jahr 2013 38.768 €. Mit weiteren ‑ auf § 21 Abs. 1 Z 1a KStG 1988 gestützten ‑ Anträgen begehrte die mitbeteiligte Partei im eigenen Namen die Rückerstattung der verbleibenden Quellensteuer für dieselben Erträge für das Jahr 2013 (58.152 €), so dass in Summe die Kapitalertragsteuer auf Null reduziert würde. Zur Begründung führte sie auf das Wesentliche zusammengefasst aus, § 21 Abs. 1 Z 1a KStG 1988 sei zwar vom Wortlaut her nur auf beschränkt Steuerpflichtige, die ihren Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes, mit dem eine umfassende Amts- und Vollstreckungshilfe bestehe, anwendbar, unter Berücksichtigung des Unionsrechts ‑ insbesondere der unionsrechtlichen Judikatur zur Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art. 63 AEUV ‑ sei jedoch auch Rechtsträgern aus Drittstaaten eine Möglichkeit zur Beantragung einer Rückzahlung von entrichteten Quellensteuern zu gewähren.

5 Das Finanzamt wies die Anträge ab und führte zur Begründung aus, die mitbeteiligte Partei sei nicht berechtigt, eine Rückzahlung der Kapitalertragsteuer von Inlandsdividenden zu begehren, weil sie nicht im EU/EWR‑Raum ansässig sei.

6 Das Bundesfinanzgericht versagte mit Erkenntnis vom 3. Oktober 2017, Zl. RV/7103986/2015, ebenfalls die Rückerstattung der Kapitalertragsteuer.

7 Der Verwaltungsgerichtshof hob diese Entscheidung mit Erkenntnis vom 13. Jänner 2021, Ro 2018/13/0003, wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes auf, weil für die Prüfung, ob eine Rückerstattung der Kapitalertragsteuer zu erfolgen hat, zunächst in einem Typenvergleich ermittelt werden muss, ob das ausländische Gebilde einer österreichischen Körperschaft vergleichbar ist, und in einem zweiten Schritt die Zurechnung der Einkünfte geprüft werden muss. Steht nur § 188 InvFG 2011 einer Zurechnung der Einkünfte an das ausländische Gebilde entgegen, liegt eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit vor, deren Rechtfertigung zu prüfen ist.

8 Im fortgesetzten Verfahren gewährte das Bundesfinanzgericht der mitbeteiligten Partei die Rückerstattung der strittigen Kapitalertragsteuer. Es ging davon aus, dass nach einem Typenvergleich die mitbeteiligte Partei einer österreichischen Körperschaft entspricht, der nach den allgemeinen Vorschriften auch die Einkünfte zuzurechnen sind. § 188 InvFG 2011 verhindere diese Zurechnung, weshalb eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit vorliege, für die es keine Rechtfertigung gebe.

9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision des Finanzamtes, die im Wesentlichen aus unionsrechtlicher Sicht vorbringt, in die Vergleichspaarbildung sei der Umstand miteinzubeziehen, dass es sich bei der mitbeteiligten Partei auch nach dem Aufsichtsrecht ihres Herkunftsstaates um einen Investmentfonds handle. Innerhalb der EU wäre die mitbeteiligte Partei nach der OGAW-Richtlinie genehmigungspflichtig. Inländische Gebilde, die aufsichtsrechtlich als Investmentfonds qualifiziert würden und einem OGAW entsprechen, unterlägen im Jahr 2013 ausnahmslos der transparenten Fondsbesteuerung. Im Fall eines ausländischen Gebildes, das nach ausländischem Aufsichtsrecht ebenfalls als Investmentfonds zu qualifizieren sei und einem OGAW entspreche, müsse Gleiches gelten. Selbst wenn man von einer Vergleichbarkeit ausginge, sei die Bestimmung durch die Wahrung der ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse, die Kohärenz des Steuersystems und zur Vermeidung von Missbräuchen gerechtfertigt.

B. Maßgebliche Bestimmungen des nationalen Rechts

10 § 2 InvFG 2011 in der Fassung BGBl. I Nr. 77/2011 lautete auszugsweise:

„Organismen zur gemeinsamen Veranlagung in Wertpapieren (OGAW)

§ 2. (1) Ein Organismus zur gemeinsamen Veranlagung in Wertpapieren (OGAW)

1. dient dem ausschließlichen Zweck der Veranlagung der beim Publikum beschafften Gelder für gemeinsame Rechnung nach dem Grundsatz der Risikostreuung in die in § 67 genannten liquiden Finanzanlagen und

2. seine Anteile werden auf Verlangen der Anteilinhaber unmittelbar oder mittelbar zu Lasten des Vermögens des OGAW zurückgenommen und ausgezahlt; diesen Rücknahmen und Auszahlungen gleichgestellt sind Handlungen, mit denen sichergestellt werden soll, dass der Kurs der Anteile des OGAW nicht erheblich von deren Nettoinventarwert abweicht; und

3. er ist gemäß § 50 bewilligt oder gemäß Art. 5 der Richtlinie 2009/65/EG in seinem Herkunftmitgliedstaat bewilligt.

(2) Ein OGAW kann in Österreich nur als Sondervermögen gemäß § 46, das in gleiche, in Wertpapieren verkörperte Anteile zerfällt und im Miteigentum der Anteilinhaber steht, errichtet werden. Sofern in diesem Bundesgesetz Pflichten des OGAW festgelegt werden, bezieht sich eine daraus folgende Handlungspflicht auf die diesen OGAW verwaltende Verwaltungsgesellschaft.

(3) Ein OGAW kann sich aus verschiedenen Teilfonds zusammensetzen; für die Zwecke des 2. Teiles 3. Hauptstück 3. Abschnitt gilt jeder Teilfonds eines OGAW als eigener OGAW. Für die Zwecke des 2. Teiles 3. Hauptstück 6. Abschnitt und 4. Hauptstück schließt ein OGAW die dazugehörigen Teilfonds ein.“

11 § 3 InvFG 2011 in der Fassung BGBl. I Nr. 77/2011 lautete auszugweise:

„§ 3. (1) Auf den Inhalt der in diesem Bundesgesetz verwendeten Begriffe sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht eigene Begriffsbestimmungen festgelegt sind, die Begriffsbestimmungen des Bankwesengesetzes - BWG (BGBl. Nr. 532/1993), des Kapitalmarktgesetzes - KMG (BGBl. Nr. 625/1991) sowie der Verordnungen (EU) Nr. 583/2010 und (EU) Nr. 584/2010 anzuwenden.

(2) Im Sinne dieses Bundesgesetzes sind:

[...]

19. Kapitalanlagefonds: OGAW in der Form eines Sondervermögens gemäß § 2 Abs. 2 und Alternative Investmentfonds (AIF) gemäß § 3 Abs. 2 Z 31 lit. a und c;

[...]“

12 § 46 InvFG 2011 in der Fassung BGBl. I Nr. 77/2011 lautete auszugsweise:

„(1) Ein OGAW in der Form eines Sondervermögens gemäß § 2 Abs. 2 hat keine eigene Rechtspersönlichkeit; es zerfällt in gleiche, in Wertpapieren verkörperte Anteile (Anteilscheine). Die Anteilscheine sind Finanzinstrumente (§ 1 Z 6 lit. c WAG 2007); sie verkörpern die Miteigentumsanteile an den Vermögenswerten des OGAW und die Rechte der Anteilinhaber gegenüber der Verwaltungsgesellschaft sowie der Depotbank. Die Anteilscheine können auf den Inhaber oder auf Namen lauten. Lauten sie auf Namen, so gelten für sie die §§ 61 Abs. 2 bis 5, 62 und 63 Aktiengesetz - AktG (BGBl. Nr. 98/1965) sinngemäß.

[...]“

13 § 186 InvFG 2011 in der Fassung BGBl. I Nr. 77/2011 lautete auszugsweise:

„Steuern vom Einkommen, vom Ertrag und vom Vermögen

§ 186. (1) Die ausgeschütteten Erträge aus Einkünften im Sinne des § 27 des Einkommensteuergesetzes 1988 abzüglich der damit in Zusammenhang stehenden Aufwendungen eines Kapitalanlagefonds sind beim Anteilinhaber steuerpflichtige Einnahmen. Ergibt sich aus den Einkünften im Sinne des § 27 Abs. 3 und 4 des Einkommensteuergesetzes 1988 nach Abzug der damit in Zusammenhang stehenden Aufwendungen ein Verlust, ist dieser mit anderen Einkünften des Fonds auszugleichen. Ist ein solcher Ausgleich nicht möglich, hat eine Verrechnung mit Einkünften des Fonds in den Folgejahren, vorrangig mit Einkünften des Fonds im Sinne des § 27 Abs. 3 und 4 des Einkommensteuergesetzes 1988 zu erfolgen. Erfolgt eine Ausschüttung, gelten für steuerliche Zwecke zunächst die laufenden und die in den Vorjahren erzielten Einkünfte im Sinne des § 27 des Einkommensteuergesetzes 1988 und danach Beträge, die keine Einkünfte im Sinne des § 27 des Einkommensteuergesetzes 1988 darstellen, als ausgeschüttet.

[...]“

14 § 188 InvFG 2011 in der Fassung BGBl. I Nr. 77/2011 lautete:

„§ 188. Die Bestimmungen des § 186 sind auch für ausländische Kapitalanlagefonds anzuwenden. Als solche gilt, ungeachtet der Rechtsform, jedes einem ausländischen Recht unterstehende Vermögen, das nach dem Gesetz, der Satzung oder der tatsächlichen Übung nach den Grundsätzen der Risikostreuung angelegt ist. Veranlagungsgemeinschaften im Sinne des § 42 des Immobilien-Investmentfondsgesetzes sind ausgenommen.“

15 § 93 EStG 1988 in der im Revisionszeitraum anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 112/2012 lautete:

„§ 93. (1) Bei inländischen Einkünften aus Kapitalvermögen wird die Einkommensteuer durch Steuerabzug erhoben (Kapitalertragsteuer). Dies gilt nicht für die in § 27a Abs. 2 genannten Einkünfte.

(2) Inländische Einkünfte aus Kapitalvermögen liegen vor:

1. Bei Einkünften aus der Überlassung von Kapital (§ 27 Abs. 2), wenn sich die auszahlende Stelle (§ 95 Abs. 2 Z 1 lit. b) im Inland befindet. Bei Einkünften aus der Überlassung von Kapital gemäß § 27 Abs. 2 Z 1, § 27 Abs. 5 Z 7 und Zinsen aus Geldeinlagen bei Kreditinstituten und aus sonstigen Forderungen gegenüber Kreditinstituten liegen auch dann inländische Einkünfte aus Kapitalvermögen vor, wenn der Schuldner der Kapitalerträge Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz im Inland hat oder inländische Zweigstelle eines ausländischen Kreditinstituts ist. Als Geldeinlagen bei Kreditinstituten gelten auch von Kreditinstituten treuhändig oder zur Verwaltung aufgenommene Gelder, für deren Verlust sie das wirtschaftliche Risiko tragen.

2. Bei Einkünften aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen (§ 27 Abs. 3) und bei Einkünften aus Derivaten (§ 27 Abs. 4), wenn eine inländische depotführende Stelle (§ 95 Abs. 2 Z 2 lit. a) oder eine inländische auszahlende Stelle (§ 95 Abs. 2 Z 2 lit. b) vorliegt und diese die Realisierung abwickelt.

[...]“

16 § 21 Abs. 1 KStG 1988 in der im Revisionszeitraum anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 112/2012 lautete:

„BESTEUERUNG BEI BESCHRÄNKTER STEUERPFLICHT

Einkünfte bei beschränkter Steuerpflicht

§ 21. (1) Bei beschränkt Steuerpflichtigen im Sinne des § 1 Abs. 3 Z 1 gilt folgendes:

1. Die Steuerpflicht erstreckt sich nur auf Einkünfte im Sinne des § 98 des Einkommensteuergesetzes 1988. Wie die Einkünfte zu ermitteln sind, bestimmt sich nach dem Einkommensteuergesetz 1988 und diesem Bundesgesetz. § 5 Z 6 ist sinngemäß anzuwenden, wenn die Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse

- ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung im übrigen Gemeinschaftsgebiet der Europäischen Union oder einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes hat oder

- der Förderung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke im Sinne des § 34 der Bundesabgabenordnung zumindest überwiegend im Bundesgebiet dient.

§ 10 ist nicht anzuwenden. Von den Einkünften sind nach Maßgabe des § 8 Abs. 4 Sonderausgaben abzuziehen; § 102 Abs. 2 Z 2 des Einkommensteuergesetzes 1988 ist anzuwenden.

1a. Beschränkt Steuerpflichtigen, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes, mit dem eine umfassende Amts- und Vollstreckungshilfe besteht, ansässig sind, ist die Kapitalertragsteuer für die von ihnen bezogenen Einkünfte gemäß § 27 Abs. 2 Z 1 lit. a, b und c des Einkommensteuergesetzes 1988 auf Antrag zurückzuzahlen, soweit die Kapitalertragsteuer nicht auf Grund eines Doppelbesteuerungsabkommens im Ansässigkeitsstaat angerechnet werden kann. Der Steuerpflichtige hat den Nachweis zu erbringen, dass die Kapitalertragsteuer ganz oder teilweise nicht angerechnet werden kann.

[...]“

C. Erläuterung zu den Vorlagefragen

17 Die zitierten gesetzlichen Bestimmungen und rechtlichen Ausführungen beziehen sich, soweit nicht anders angegeben, jeweils auf die für den Revisionsfall anzuwendende Gesetzesfassung.

18 Die Bestimmungen, die die (Wertpapier)Aufsicht über Investmentfonds und insbesondere OGAW regeln, sind im Investmentfondsgesetz 2011 (InvFG 2011) enthalten. Gemäß § 2 Abs. 2 InvFG 2011 durften österreichische Investmentfonds, die als OGAW anzusehen sind, aufsichtsrechtlich ausschließlich als Sondervermögen errichtet werden. Dieses Sondervermögen war gemäß § 46 InvFG 2011 den jeweiligen Anteilinhabern zuzurechnen; das Sondervermögen selbst hatte keine Rechtspersönlichkeit.

19 Gemäß § 186 InvFG 2011 wurde für solche OGAW zwingend eine transparente Fondsbesteuerung vorgesehen. Dies bedeutet, dass der Fonds selbst kein Besteuerungssubjekt ist und die Einkünfte den Anteilinhabern zugerechnet werden. Die Besteuerung erfolgt somit ausschließlich direkt bei diesen.

20 Gemäß § 93 EStG 1988 wird bei inländischen Einkünften aus Kapitalvermögen die Einkommensteuer durch Steuerabzug erhoben (Kapitalertragsteuer). Bei ‑ wie im Revisionsfall vorliegend ‑ Portfoliodividenden (Beteiligung unter 10 %) hat die ausschüttende inländische Gesellschaft Kapitalertragsteuer einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen.

21 Erhält ein österreichischer Investmentfonds Portfoliodividenden aus einer Beteiligung an einer österreichischen Kapitalgesellschaft, werden steuerlich die Einkünfte nicht dem Fonds, sondern den Anteilinhabern zugerechnet. Nur diese können eine Rückerstattung oder Anrechnung einbehaltener Kapitalertragsteuer beantragen. Der Fonds erhält keine Anrechnung oder Rückerstattung der Kapitalertragsteuer. Somit wird ein österreichischer Investmentfonds steuerlich als transparent behandelt. Sind die Anteilinhaber nicht in Österreich ansässig, erhalten sie nach Maßgabe des mit ihrem Ansässigkeitsstaat abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommens eine Erstattung der Kapitalertragsteuer.

22 Erhält eine inländische Körperschaft, die kein OGAW ist und demnach nicht unter § 2 Abs. 2 InvFG 2011 fällt, Dividenden aus inländischen Beteiligungserträgen, erfolgt die Anrechnung der Kapitalertragsteuer auf die Körperschaftsteuer im Rahmen der Körperschaftsteuerveranlagung. Eine solche Körperschaft wird unabhängig von ihrer Geschäftstätigkeit stets nach den Grundsätzen des Körperschafsteuerrechts besteuert.

23 Körperschaften, die im Inland weder Geschäftsleitung noch Sitz haben, die aber einer inländischen juristischen Person vergleichbar sind, sind gemäß § 1 Abs. 3 KStG 1988 beschränkt steuerpflichtig. Erhält eine beschränkt steuerpflichtige ausländische Gesellschaft, die einer inländischen Körperschaft vergleichbar und in einem EU/EWR Mitgliedstaat ansässig ist, Dividenden aus inländischen Beteiligungserträgen, kann sie gemäß § 21 Abs. 1 Z 1a KStG 1988 einen Antrag auf Rückerstattung der Kapitalertragsteuer stellen. Auch eine solche Körperschaft wird ‑ wenn nicht § 188 InvFG 2011 anwendbar ist ‑ nach den Grundsätzen des Körperschaftsteuerrechts besteuert.

24 Voraussetzung für die Rückerstattung an die Körperschaft ist, dass die ausländische Gesellschaft gemäß § 1 Abs. 3 Z 1 lit. a KStG 1988 als beschränkt steuerpflichtig gilt. Sie muss also einer inländischen juristischen Person vergleichbar sein. Die Vergleichbarkeit wird anhand eines Typenvergleichs ermittelt, in dem verschiedene Strukturmerkmale (wie etwa Satzung, Rechtspersönlichkeit, etc.) gegenübergestellt werden. Weitere Voraussetzung für die Rückerstattung an die Körperschaft ist, dass die Einkünfte aus den Kapitalerträgen der ausländischen Körperschaft ‑ und nicht ihren Anteilinhabern ‑ zuzurechnen sind.

25 § 188 InvFG 2011 sah vor, dass bei ausländischen Kapitalanlagefonds § 186 InvFG 2011, also die Regelung betreffend die transparente Fondsbesteuerung, durch Zurechnung der Einkünfte an die Anteilinhaber ungeachtet ihrer Rechtsform stets zur Anwendung kommt, wenn das dem ausländischen Recht unterstehende Vermögen nach dem Gesetz, der Satzung oder der tatsächlichen Übung nach den Grundsätzen der Risikostreuung angelegt war. Für ausländische Gesellschaften, die ihr Vermögen nach den Grundsätzen der Risikostreuung anlegen, galt dies also auch dann, wenn sie nach dem Typenvergleich einer inländischen juristischen Person vergleichbar waren.

26 Inländische Gesellschaften, die als Körperschaft organisiert waren, wurden demgegenüber stets nach der Rechtsform beurteilt und nach dem Körperschaftsteuerrecht besteuert, selbst wenn das Vermögen nach dem Gesetz, der Satzung oder der tatsächlichen Übung nach den Grundsätzen der Risikostreuung angelegt war.

27 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits entschieden, dass die Einschränkung des § 21 Abs. 1 Z 1a KStG 1988 auf beschränkt Steuerpflichtige aus EU/EWR Staaten der Kapitalverkehrsfreiheit widerspricht und somit für Angehörige aus Drittstaaten als verdrängt anzusehen ist (vgl. VwGH 11.9.2020, Ra 2020/13/0006).

28 Der Verwaltungsgerichtshof hat ebenfalls bereits ausgesprochen, dass die Bestimmung des § 188 InvFG 2011 bzw. der Vorgängerbestimmung in § 42 des Investmentfondsgesetzes dem Unionsrecht widerspricht (vgl. VwGH 12.9.2018, Ra 2017/13/0027; 11.9.2020, Ra 2020/13/0006), weil sie eine Ungleichbehandlung zwischen ausländischen und inländischen Körperschaften, die ihr Vermögen nach den Grundsätzen der Risikostreuung anlegen, vorsieht. Im ersten vom Verwaltungsgerichtshof entschiedenen Fall waren liechtensteinische Aktiengesellschaften betroffen, deren Vermögen nach den Grundsätzen der Risikostreuung angelegt war, weshalb aufgrund des InvFG 2011 eine transparente Besteuerung zur Anwendung kam. Diese Aktiengesellschaften hätten in Österreich nach ihrem Zweck ebenfalls als Aktiengesellschaften tätig sein können und wären in diesem Fall auch als Körperschaft behandelt worden. Im zweiten Fall handelte es sich um einen kanadischen staatlichen Pensionsfonds, der in Österreich als Pensionskasse hätte tätig werden können und diesfalls als Körperschaft besteuert worden wäre.

29 In den bisher vom Verwaltungsgerichtshof entschiedenen Fällen handelte es sich daher um Sachverhalte, bei denen die ausländische Körperschaft nach ihrem Zweck und ihrer Geschäftstätigkeit im Inland ebenfalls als Körperschaft hätte tätig werden können und diesfalls nicht in die Regelung des § 186 InvFG 2011 gefallen wäre, die eine Transparenz anordnet. Die Gebilde wurden also nur aufgrund ihres Sitzes steuerlich unterschiedlich behandelt.

30 Das Bundesfinanzgericht ist im angefochtenen Erkenntnis davon ausgegangen, dass die Mitbeteiligte aufgrund diverser gesellschaftsrechtlicher Strukturmerkmale (Rechtspersönlichkeit, Haftung, Eigenkapital, etc.) anhand eines Typenvergleichs einer österreichischen Körperschaft entspricht und somit gemäß § 1 Abs. 3 Z 1 lit a KStG 1988 mit den ihr zuzurechnenden Einkünften beschränkt steuerpflichtig ist. Dies wird in der Revision nicht bestritten, weshalb der Verwaltungsgerichtshof die Beurteilung des Bundesfinanzgerichts seiner Entscheidung zugrunde legt.

31 Die Revision macht allerdings geltend, dass für die Prüfung, ob ein Verstoß gegen das Unionsrecht vorliegt, beim Vergleich des Inlandssachverhalts mit dem Drittlandsachverhalt auch miteinbezogen werden muss, dass die Mitbeteiligte nach dem Aufsichtsrecht ihres Herkunftsstaates als Investmentfonds eingestuft wurde und auch, wäre sie in Österreich ansässig, nach der OGAW‑Richtlinie ein genehmigungspflichtiger OGAW wäre. Auch nach österreichischem Aufsichtsrecht wäre die Mitbeteiligte ein OGAW im Sinne des § 2 InvFG 2011. Ein solcher Investmentfonds konnte gemäß § 2 Abs. 2 InvFG 2011 im Inland ausschließlich als Sondervermögen gemäß § 46 InvFG 2011 errichtet werden, das in gleiche, in Wertpapieren verkörperte Anteile zerfällt und im Miteigentum der Anteilinhaber steht. Ein solches Sondervermögen unterlag zwingend immer gemäß § 186 InvFG 2011 der transparenten Investmentfondsbesteuerung.

32 Im Rahmen der Behandlung der Revision sind Zweifel entstanden, ob das Unionsrecht eine Verdrängung des § 188 InvFG 2011 auch in jenen Fällen gebietet, in denen ausländische Publikumsfonds vorliegen, die, wären sie in Österreich ansässig, nur als OGAW auftreten und somit steuerlich nicht Steuersubjekt sein könnten.

33 Die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes betraf nur Fälle, bei denen die ausländische Gesellschaft in Österreich für den von ihr ausgeübten Zweck und ihre Geschäftstätigkeit auch als Körperschaft hätte tätig sein können, also nicht als OGAW hätte auftreten müssen. Bei Investmentfonds, die die Voraussetzungen eines OGAW erfüllen, wäre eine Betätigung als Körperschaft allerdings in Österreich unzulässig gewesen.

34 Wäre die Mitbeteiligte daher als inländischer Investmentfonds tätig geworden, hätte sie § 2 Abs. 2 iVm mit § 46 InvFG 2011 einhalten müssen, was zur Folge gehabt hätte, dass sie als Sondervermögen errichtet worden wäre und weder eine Kapitalertragsteuer-Rückerstattung erhalten hätte, noch die Kapitalertragsteuer im Rahmen ihrer Veranlagung hätte anrechnen können, weil die Einkünfte gemäß § 186 InvFG 2011 zwingend den Anteilinhabern zuzurechnen wären. Eine Rückerstattung oder Anrechnung könnte daher nur bei den Anteilinhabern erfolgen, niemals beim Investmentfonds.

35 Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH verbietet Art. 63 AEUV Maßnahmen, die geeignet sind, Gebietsfremde von Investitionen in einem Mitgliedstaat oder die dort Ansässigen von Investitionen in anderen Staaten abzuhalten (vgl. EuGH 21.6.2018, Fidelity Funds u.a., C‑480/16 ; 7.4.2022, A SC PI, C‑342/20 ). Das ist etwa dann der Fall, wenn Investitionen von Gebietsfremden steuerlich schlechter behandelt werden als Investitionen von Gebietansässigen.

36 Die österreichische Regelung in § 188 InvFG 2011 führt allerdings nicht dazu, dass Publikumsfonds mit Sitz im Ausland steuerlich schlechter behandelt werden als Publikumsfonds mit Sitz im Inland. Sie bewirkt vielmehr eine steuerliche Gleichbehandlung von inländischen und ausländischen Publikumsfonds, weil sämtliche Fonds, die die Voraussetzungen eines OGAW erfüllen, in Österreich gleich besteuert werden.

37 Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in seinem Urteil vom 10. April 2014, C‑190/12 , Emerging Markets Series of DFA Investment Trust Company, ausgesprochen, dass sich ein Investmentfonds mit Sitz in den USA im Hinblick auf eine Steuerbefreiung in einer vergleichbaren Situation wie ein Investmentfonds mit Sitz in Polen befindet und eine Ungleichbehandlung daher eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit darstellt.

38 Für den Verwaltungsgerichtshof stellt sich daher die Frage, ob eine Regelung wie § 188 InvFG 2011, die im Sonderfall von OGAW bzw. OGAW entsprechenden ausländischen Publikumsfonds sicherstellt, dass es zu einer steuerlichen Gleichbehandlung von inländischen und ausländischen Investmentfonds kommt, eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit darstellt. Dies deshalb, weil die Mitbeteiligte, wenn sie als österreichischer Investmentfonds tätig wäre, ebenfalls keine Kapitalertragsteuer-Anrechnung und auch keine Rückerstattung der Kapitalertragsteuer hätte erlangen können. Es ist daher nicht attraktiver für einen Anteilinhaber, in inländische anstelle in ausländische Publikumsfonds zu investieren. Das Gegenteil ist der Fall: Wird § 188 InvFG 2011 auch im Falle von OGAW durch Unionsrecht verdrängt, ist es attraktiver, in einen ausländischen anstatt in einen inländischen Publikumsfonds zu investieren, weil nur der ausländische Fonds Abschirmwirkung entfaltet.

39 Für die Frage, ob ein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit vorliegt, ist auch zu prüfen, ob ein ausländischer Investmentfonds, der materiell einem OGAW entspricht, sich in einer objektiv vergleichbaren Situation wie eine inländische Körperschaft befindet, die nicht die Kriterien eines OGAW erfüllt, und deshalb im Inland für ihre Zwecke und ihre Geschäftstätigkeit als Körperschaft gegründet werden durfte.

40 Die Mitbeteiligte macht nämlich im Ergebnis eine Ungleichbehandlung zu jenen inländischen Körperschaften geltend, die zwar ihr Vermögen nach den Kriterien der Risikostreuung anlegen, aber kein OGAW sind, und deshalb als Körperschaft im Inland tätig sein dürfen.

41 Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH ist die Vergleichbarkeit zweier Situationen vor dem Hintergrund des Ziels der fraglichen Regelung auszulegen (EuGH 20.9.2018, EV, C‑685/16 ). Ziel des § 186 InvFG 2011 ist es unter anderem, bei OGAW sicherzustellen, dass der Fonds keine Abschirmwirkung entfaltet und eine Besteuerung nur auf Ebene der Anteilinhaber stattfindet. Ziel des § 188 InvFG 2011 ist es, eine steuerliche Gleichbehandlung inländischer und ausländischer Investmentfonds sicherzustellen, indem auch ausländische Fonds keine Abschirmwirkung entfalten können und die Besteuerung auf Anteilinhaberebene erfolgt.

42 Im Bereich der Publikumsfonds, die aufsichtsrechtlich als OGAW zu qualifizieren sind bzw. wären, sichert § 188 InvFG 2011 die Gleichbehandlung inländischer und ausländischer Publikumsfonds. Eine Gleichbehandlung von ausländischen Publikumsfonds, die einem OGAW entsprechen, mit inländischen Körperschaften, die keinem OGAW entsprechen, würde eine unterschiedliche Besteuerung von Publikumsfonds je nach dem Sitz des Fonds und dessen nationalem Aufsichtsrecht bedeuten.

43 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits, wie dargelegt, in der Vergangenheit entschieden, dass ausländische Körperschaften, die ihr Vermögen nach den Gesichtspunkten der Risikostreuung anlegen, sich im Hinblick auf die Kapitalertragsteuer‑Rückerstattung in einer vergleichbaren Situation wie inländische Körperschaften, die ihr Vermögen ebenfalls nach den Gesichtspunkten der Risikostreuung anlegen, befinden. Dies betraf aber stets nur ausländische Körperschaften, die im Inland ebenfalls als Körperschaften hätten tätig sein können, also nicht als OGAW hätten auftreten müssen.

44 Die Mitbeteiligte ist zwar nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts aufgrund der formalen Strukturmerkmale mit einer inländischen Körperschaft vergleichbar, sie hätte aber ‑ im Fall der Ansässigkeit im Inland ‑ nur als Sondervermögen gemäß § 2 Abs. 2 iVm § 46 InvFG 2011 errichtet werden dürfen. Damit ist im Inland aber zwingend eine transparente steuerliche Behandlung des Fonds verbunden und eine Rückerstattung oder Anrechnung der Kapitalertragsteuer beim Fonds selbst ausgeschlossen. Alleiniger Zweck des § 188 InvFG 2011 im Bereich der OGAW ist die gleiche Besteuerung von inländischen und ausländischen OGAW. Die Erstattung von Kapitalertragsteuer kann aber ‑ wie bei inländischen OGAW ‑ an den Anteilinhaber erfolgen, wenn dieser die Voraussetzungen erfüllt.

45 Das Konzept der österreichischen Investmentfondsbesteuerung war von Anbeginn an mit dem Aufsichtsrecht, das keine Errichtung als Körperschaft zugelassen hat, eng verknüpft und darauf ausgerichtet, bei inländischen und ausländischen Publikumsfonds eine transparente Besteuerung auf Ebene der Anteilinhaber sicherzustellen. Dies ergibt sich schon aus der gemeinsamen Regelung des Aufsichtsrechts und der steuerlichen Bestimmungen ab dem Jahr 1963 in einem einzigen Gesetz (§ 23 Investmentfondsgesetz 1963) und den amtlichen Erläuterungen hiezu, die wie folgt lauteten: „Kapitalanlagefonds sind keine juristischen Personen und auch keine Zweckvermögen; sie unterliegen daher als solche nicht den Steuern vom Einkommen, vom Ertrag und vom Vermögen; eine besondere [Anmerkung: steuerliche] Regelung für die Fonds selbst ist sohin entbehrlich.“ Eine eigene Regelung für die Besteuerung von inländischen Publikumsfonds wurde somit als nicht erforderlich erachtet, weil das Aufsichtsrecht nur transparente Gebilde als Fonds vorsah und der Fonds somit kein Besteuerungssubjekt sein konnte.

46 Die Verknüpfung zeigt sich weiters an den im vorliegenden Verfahren noch nicht anwendbaren Regelungen des Alternative Investmentfonds Manager‑Gesetzes (AIFMG), BGBl. I Nr. 135/2013, ab 22. Juli 2013, mit dem ‑ in Entsprechung der Richtlinie 2011/61/EU , die damit innerstaatlich umgesetzt wurde ‑ die Errichtung von bestimmten Publikums‑AIF im Inland anders als bisher auch als Körperschaften zugelassen wurde (§ 1 Abs. 2 Z 2 AIFMG, zB Immobilieninvestmentfonds). Gleichzeitig damit wurde nämlich die Besteuerung bei Investmentfonds in den §§ 186 und 188 InvFG 2011 dergestalt geändert, dass ‑ auch im Inland ‑ nur mehr darauf abgestellt wird, ob der Fonds aufsichtsrechtlich als Investmentfonds (etwa OGAW oder AIF) eingestuft wird und es somit nicht mehr auf die Rechtsform ankommt. Damit bleibt weiterhin bei sämtlichen Publikumsfonds sichergestellt, dass der Fonds ‑ auch wenn es sich jetzt um eine inländische Körperschaft handeln sollte ‑ keine steuerliche Abschirmwirkung entfalten kann und eine transparente Besteuerung beim Anteilinhaber stattfindet. Eine ‑ dem § 188 InvFG 2011 vergleichbare ‑ steuerliche Regelung für inländische Publikumsfonds wurde erst mit der Änderung des Aufsichtsrechts durch das AIFMG erforderlich.

47 Vor diesem Hintergrund hat der Verwaltungsgerichtshof Zweifel, dass eine objektive Vergleichbarkeit zwischen ausländischen Publikumsfonds, die materiell OGAW darstellen, und Körperschaften, die zwar ihr Vermögen nach den Grundsätzen der Risikostreuung veranlagen, aber keine OGAW darstellen, gegeben ist.

48 Sollte der EuGH eine objektive Vergleichbarkeit der Situationen bejahen, wäre nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes zu prüfen, ob ein Rechtfertigungsgrund für die Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit vorliegen könnte. Hier wäre insbesondere zu prüfen, ob der Rechtfertigungsgrund der Wahrung der ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zur Anwendung kommen könne.

49 Der EuGH hat im Urteil Emerging Markets Series of DFA Investment Trust Company ausgesprochen, dass die Notwendigkeit der Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten insbesondere dann bejaht werden kann, wenn mit der betreffenden Regelung Verhaltensweisen verhindert werden sollen, die geeignet sind, das Recht eines Mitgliedstaats auf Ausübung seiner Steuerhoheit für die in seinem Hoheitsgebiet durchgeführten Tätigkeiten zu gefährden. Hat sich jedoch ein Mitgliedstaat dafür entschieden, die gebietsansässigen Investmentfonds, die Dividenden inländischer Herkunft beziehen, nicht zu besteuern, kann er sich nicht auf die Notwendigkeit einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten berufen, um die Besteuerung der gebietsfremden Investmentfonds, die derartige Einkünfte haben, zu rechtfertigen.

50 Nach österreichischem Recht werden inländische OGAW nicht von der Kapitalertragsteuer entlastet. Eine Entlastung kann immer nur auf Ebene der Anteilinhaber stattfinden. Das österreichische Konzept der Investmentfondsbesteuerung stellt damit sicher, dass die nach inländischem Steuerrecht steuerpflichtigen Kapitalerträge nur dann und nur insoweit von der Kapitalertragsteuer (durch Anrechnung oder Rückerstattung) entlastet werden, als die jeweiligen Anteilinhaber von einem Doppelbesteuerungsabkommen (zwischen Österreich mit ihren Ansässigkeitsstaaten) erfasst sind, welches die Ermäßigung oder Befreiung von der Kapitalertragsteuer einräumt.

51 § 188 InvFG 2011 stellt für ausländische Investmentfonds, die ebenfalls einem OGAW entsprechen, in gleicher Weise sicher, dass auch dort nur eine Entlastung nach Maßgabe der Doppelbesteuerungsabkommen mit den Ansässigkeitsstaaten der Anteilinhaber stattfindet.

52 Dies hat vor allem für natürliche Personen als Anteilinhaber Relevanz, die mit den inländischen Beteiligungserträgen steuerpflichtig sind und durch ein Doppelbesteuerungsabkommen in der Regel nur eine teilweise Rückerstattung der Kapitalertragsteuer erlangen können. Beteiligen sich diese Anteilinhaber an einem inländischen Fonds, erfolgt die Rückerstattung nur nach Maßgabe eines Doppelbesteuerungsabkommens. Würde eine Abschirmwirkung der mitbeteiligten Partei anerkannt, würde die gesamte Kapitalertragsteuer an den Fonds und damit im Ergebnis auch an die Anteilinhaber rückerstattet, unabhängig davon, ob diese nach dem für sie geltenden Doppelbesteuerungsabkommen zu einer Rückerstattung berechtigt waren.

53 Im Gegensatz zu der polnischen Regelung, die eine Befreiung der inländischen Dividenden nur für Inlandsfonds vorsah, sollen die §§ 186 und 188 InvFG 2011 gerade sicherstellen, dass bei einem Investmentfonds, der einem OGAW entspricht, nicht der Fonds, sondern nur die Anteilinhaber besteuert werden. Vor dem Hintergrund dieses Zwecks erachtet es der Verwaltungsgerichtshof für denkbar, dass, soweit Publikumsfonds betroffen sind, die Wahrung der ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse eine Rechtfertigung für die Beschränkung darstellen kann.

54 Insgesamt scheint die Auslegung des Unionsrechts in Bezug auf diese Fragen nicht derart offenkundig zu sein, dass für vernünftige Zweifel keinerlei Raum bliebe (vgl. EuGH 4.10.2018, Kommission/Französische Republik, C‑416/17 , Rn. 110).

55 Die Fragen werden daher dem EuGH mit dem Ersuchen um Vorabentscheidung gemäß Art. 267 AEUV vorgelegt.

Wien, am 20. September 2023

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