Normen
GebrauchsabgabeG Wr 1966 Tarif D Post 1
GebrauchsabgabeG Wr 1966 §9
GebrauchsabgabeG Wr 1966 §9 Abs1a
StVO 1960 §90 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RO2022130010.J00
Spruch:
Die Revisionen werden als unbegründet abgewiesen.
Die Revisionswerberin hat der Stadt Wien Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin ist im Bereich der Entsorgung von Baustellenabfällen tätig. Sie vermietet Baustoffmulden und Container in verschiedenen Größen und organisiert die Aufstellung und Abholung sowie auch die Entsorgung und Verwertung des jeweiligen Inhalts.
2 Mit Bescheid vom 19. Oktober 2020 schrieb der Magistrat der Revisionswerberin für den Gebrauch ohne Gebrauchserlaubnis eines öffentlichen Grundes vor einer näher bezeichneten Liegenschaft durch eine Baustoffmulde im Mai 2020 eine Abgabe vor.
3 Mit Bescheid vom 21. Jänner 2021 schrieb der Magistrat der Revisionswerberin für den Gebrauch ohne Gebrauchserlaubnis eines öffentlichen Grundes vor einer näher bezeichneten Liegenschaft durch eine Baustoffmulde im Oktober 2020 eine Abgabe vor.
4 Die dagegen erhobenen Beschwerden wies der Magistrat mit Beschwerdevorentscheidungen ab. Die Revisionswerberin stellte Vorlageanträge.
5 Das Bundesfinanzgericht wies die Beschwerden als unbegründet ab. Es stellte fest, dass im Rahmen eines nicht näher bekannten Bauvorhabens eine in der Verfügungsgewalt der Revisionswerberin stehende Mulde im Mai 2020 bzw. Oktober 2020 ohne Vorliegen einer Gebrauchserlaubnis abgestellt worden sei. Der Mieter bzw. der unmittelbare Benutzer der Baustoffmulden sei weder von der Revisionswerberin bekannt gegeben noch von der belangten Behörde ausgeforscht oder festgestellt worden. Die Revisionswerberin habe zum Sachverhalt lediglich vorgebracht, nie die Bauführerin des nicht näher bekannt gegebenen Bauvorhabens gewesen zu sein. Rechtlich führte das Bundesfinanzgericht aus, strittig sei, ob die Revisionswerberin oder allenfalls ein fremder Dritter (Bauführer und/oder Bauherr) als Nutzer ohne Gebrauchsbewilligung im Sinne des § 9 Abs. 1a GAG und damit als Abgabepflichtiger anzusehen sei. Im Revisionsfall kämen sowohl der Bauherr als Auftraggeber, auf dessen Rechnung und Gefahr der Gebrauch der Mulde erfolgt sei, als auch die Revisionswerberin als Eigentümerin und Verfügungsberechtigte über die Mulde für den bewilligungslosen Gebrauch der Verkehrsfläche und die damit zusammenhängende Abgabepflicht in Betracht. Die Ansicht der Revisionswerberin, wonach sich die gesetzliche Bestimmung ausschließlich an Bauführer und Bauherrn richte, sei durch den Wortlaut des Gesetzes nicht gedeckt. Da die Revisionswerberin den Kunden für die Stehzeit des Containers auf Gemeindegrund Mietentgelt verrechne, sei sie als Nutzerin des öffentlichen Guts anzusehen. Die Benützung sei daher der Revisionswerberin zuzurechnen. Die Revision ließ das Bundesfinanzgericht zu, weil Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Frage fehle, wer als Nutzer ohne Gebrauchserlaubnis im Sinne des § 9 Abs. 1a GAG anzusehen sei.
6 Gegen diese Erkenntnisse richten sich die ordentlichen Revisionen, die zu ihrer Begründung ausführen, es sei ein Vergleich zu anderen öffentlich‑rechtlichen Regelungen aus ähnlichen Sachbereichen heranzuziehen. So sei Adressat der Verbotsnorm des § 90 Abs. 1 StVO nicht das vom Bauführer beauftragte Unternehmen, sondern dieser selbst. Die Revisionswerberin sei als Eigentümerin und Vermieterin der Mulden passiv nicht legitimiert. Ebenso verhalte es sich mit § 9 Abs. 1a GAG. Diese Bestimmung richte sich an einen Bauherrn bzw. Bauführer. Der Revisionswerberin komme keine Entscheidungsfreiheit bezüglich des Stellplatzes der Mulde zu, weil sie sich an die Anweisungen ihres Auftraggebers halte. Sie habe keinen Einfluss auf den spezifischen Gebrauch auf den Baustellen. Der Revisionsfall sei mit dem Sachverhalt aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 17. Mai 2004, 2003/17/0133, vergleichbar. Als Abgabepflichtiger käme daher nur derjenige in Betracht, in dessen Verantwortungsbereich die Erwirkung einer Gebrauchserlaubnis für die Baustelleneinrichtung gelegen sei und nicht auch die unmittelbar auf der Baustelle Tätigen. Bauführer bzw. Bauherren seien in der Regel keineswegs unbekannt, lägen doch auf den Baustellen regelmäßig schriftliche Baubewilligungen vor, welche auf der jeweiligen Baustelle auszuweisen seien. Es sei seitens der Behörde im laufenden Verfahren keine Verfahrensanordnung zur Bekanntgabe des Bauherrn bzw. Bauausführung ergangen.
7 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die beiden Revisionen, die zu einer gemeinsamen Entscheidung verbunden wurden, erwogen:
8 § 9 GAG sieht eine Abgabepflicht für die Nutzung des öffentlichen Grundes in der Gemeinde Wien sowohl aufgrund einer Gebrauchserlaubnis als auch ohne Gebrauchserlaubnis vor. Eine abgabenpflichtige Nutzung des öffentlichen Grundes liegt dann vor, wenn öffentlicher Grund auf eine im angeschlossenen Tarif angegebene Art gebraucht bzw. gemäß angeschlossenen Tarif benutzt wird.
9 Tarif D Post 1 nennt die Lagerung von Baustoffen, Schutt, Baugeräten, Baucontainern, Lademulden oder von sonstigen Gegenständen sowie die Aufstellung von Baugeräten, Baucontainern, Gerüsten oder Bauhütten. Die Aufstellung einer Baustoffmulde unterliegt somit Tarif D und stellt eine Nutzung des öffentlichen Grundes im Sinne des § 9 GAG dar.
10 Die Revisionswerberin bringt vor, § 9 Abs. 1a GAG richte sich nur an Bauführer bzw. Bauherren und verweist dabei auf das Judikat des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Mai 2004, 2003/17/0133. Abgesehen davon, dass sich diese Aussage diesem Judikat nicht entnehmen lässt, ist das Erkenntnis zu § 16 GAG und nicht zum später eingeführten § 9 Abs. 1a GAG ergangen. Die Frage, wer Abgabepflichtiger im Sinne des § 9 Abs. 1a GAG ist, ist daher aus dieser Bestimmung und der Gesetzessystematik abzuleiten. Dass davon ausschließlich Bauherren oder Bauführer erfasst wären, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen, weil ein öffentlicher Grund zweifellos auch außerhalb eines Bauvorhabens ohne Gebrauchserlaubnis genutzt werden kann. Im Gegensatz zu § 90 Abs. 1 StVO wird im Gesetz auch nicht auf den Bauführer verwiesen.
11 Im Revisionsfall wurde keine Gebrauchserlaubnis erwirkt, weshalb als abgabepflichtiger Nutzer der öffentlichen Fläche sowohl der Besitzer der Mulden wie auch ein etwaiger Auftraggeber in Betracht kommen.
12 Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom heutigen Tag, Ro 2021/13/0016, ausgesprochen, dass als Gebraucher im Sinne des § 9 Abs. 1a GAG weder der Eigentümer einer Sache als solcher noch ein Erfüllungsgehilfe anzusehen ist.
13 Im Revisionsfall hat das Bundesfinanzgericht festgestellt, dass die Mulden im Rahmen eines nicht näher bekannten Bauvorhabens aufgestellt wurden. Im Vorlagebericht gab die Abgabenbehörde an, dass nie ein Antrag zu Arbeiten auf der Straße gemäß § 90 StVO bzw. § 1 GAG bei der Verkehrsbehörde eingelangt sei. Die Revisionswerberin hat auch im Verfahren nie angegeben, wer der Auftraggeber war, dem die Nutzung des öffentlichen Grundes zuzurechnen wäre bzw. um welches Bauvorhaben es sich handelt. Vor diesem Hintergrund ist der Revisionswerberin, die den öffentlichen Grund durch die Aufstellung der Mulde im Sinne des § 9 Abs. 1a GAG genutzt hat, diese Nutzung auch zuzurechnen.
14 Zu dem in den Revisionen erhobenen Einwand, die Behörde habe kein Ersuchen um Bekanntgabe des Bauherren gestellt, wird auch in der Revision nicht angegeben, dass die Mulde im Rahmen eines konkreten Bauvorhabens aufgestellt oder sonst in Auftrag gegeben wurde und auch der Auftraggeber nicht genannt. Damit wird aber die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht aufgezeigt.
15 Die Revisionen erweisen sich als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen waren.
16 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 19. Oktober 2023
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