European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022120099.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Sie ist einer Justizanstalt zur Dienstleistung zugewiesen.
2 Mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2020 begehrte die Revisionswerberin unter anderem die Feststellung, dass sowohl ihre dienstlichen als auch höchstpersönlichen Rechte verletzt worden seien, weil sie nicht darüber informiert worden sei, dass sich auf der Station einer näher genannten Klinik, auf der sie in der Nacht von 1. auf 2. November 2020 einen Insassen bewacht habe, Personen aufgehalten hätten, die positiv auf SARS‑CoV‑2 getestet worden seien, ihr keine adäquate Schutzkleidung angeboten und sie nicht unterwiesen worden sei, wie sie sich im Umgang mit positiv auf SARS‑CoV‑2 getesteten Personen zu verhalten habe, um eine Übertragung des Virus auf sich selbst zu verhindern, obwohl „die Justizanstalt“ spätestens am Morgen des 31. Oktober 2020 gewusst habe, dass sich auf der betreffenden Station Personen aufhielten, die positiv auf SARS‑CoV‑2 getestet worden seien, was deren Infektiosität nahelege.
3 In ihrer Antragsbegründung verwies die Revisionswerberin darauf, dass sie selbst aufgrund einer am 2. November 2020 durchgeführten Testung positiv auf das Virus SARS‑CoV‑2 getestet worden sei. Die Revisionswerberin habe sich von 2. bis 12. November 2020 in Quarantäne befunden und sei sie seit 16. November 2020 dienstunfähig.
4 Mit Bescheid der Bundesministerin für Justiz vom 18. Juni 2021 wurde dieser Feststellungsantrag der Revisionswerberin abgewiesen.
5 Eine gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 1. Februar 2022 mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass der Antrag der Revisionswerberin zurückgewiesen werde. Die Revision erklärte es für gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig.
6 Begründend verwies das Bundesverwaltungsgericht insbesondere auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach ein Feststellungsbescheid als subsidiärer Rechtsbehelf jedenfalls dann nicht zulässig sei, wenn die strittige Frage im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgesehenen Verfahrens entschieden werden könne. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes sei die Wahrnehmung der Fürsorgepflicht des Dienstgebers in einem öffentlich‑rechtlichen Dienstrechtsverhältnis ihrem Wesen nach hoheitlicher Natur, weshalb der Beamte, dem die Durchsetzung seiner Ansprüche nach dienstrechtlichen Vorschriften nicht möglich sei, Amtshaftungsansprüche erheben könne. Dies gelte insbesondere für den Fall der Verletzung von Fürsorgepflichten aus dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis. Vorliegend wäre die Frage einer allfälligen Verletzung der Fürsorgepflicht durch den öffentlich‑rechtlichen Dienstgeber im Verfahren nach dem AHG zu klären, weshalb die begehrte Feststellung nicht als notwendiges, letztes und einziges Mittel zweckentsprechender Rechtsverteidigung im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen sei. Mangels Feststellungsinteresses sei der Feststellungsantrag der Revisionswerberin daher zurückzuweisen gewesen.
7 Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 14. Juni 2022, E 709/2022‑5, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
8 In der Folge erhob die Revisionswerberin die nunmehr vorliegende außerordentliche Revision.
9 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
12 Zur Begründung der Zulässigkeit ihrer Revision tritt die Revisionswerberin insbesondere der Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichtes entgegen, der gestellte Feststellungsantrag sei unzulässig, da er kein notwendiges Mittel zweckentsprechender Rechtsverfolgung sei, sondern die Revisionswerberin ihre Ansprüche in einem Amtshaftungsverfahren hätte geltend machen können.
13 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Erlassung eines Feststellungsbescheides nur dann zulässig, wenn sie entweder im Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist oder wenn eine gesetzliche Regelung zwar nicht besteht, die Erlassung eines solchen Bescheides aber im öffentlichen Interesse liegt, oder wenn sie insofern im Interesse einer Partei liegt, als sie für die Partei ein notwendiges Mittel zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung darstellt. Dieses rechtliche Interesse ist nur dann gegeben, wenn dem Feststellungsbescheid im konkreten Fall die Eignung zukommt, ein Recht oder Rechtsverhältnis für die Zukunft klarzustellen und dadurch eine Rechtsgefährdung des Antragstellers zu beseitigen. Ein wirtschaftliches, politisches oder wissenschaftliches Interesse rechtfertigt nicht die Erlassung eines Feststellungsbescheides. Ein Feststellungsbescheid als subsidiärer Rechtsbehelf ist jedenfalls dann nicht zulässig, wenn die strittige Rechtsfrage im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgezeichneten Verwaltungsverfahrens entschieden werden kann. Die bescheidförmige Feststellung rechtserheblicher Tatsachen ist überdies nur aufgrund einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung zulässig (vgl. etwa VwGH 4.2.2009, 2008/12/0209, mwN).
14 Vorliegend behauptet die Revisionswerberin in der Zulässigkeitsbegründung ihrer Revision, die Geltendmachung von Ansprüchen im Wege des Amtshaftungsverfahrens würde ihre rechtlichen Interessen weniger weit schützen, als die von ihr begehrte Feststellung. Deshalb sei ein Amtshaftungsverfahren gegenüber dem Feststellungsverfahren kein anderes Verfahren „mit einem das rechtliche Interesse abdeckenden Ergebnis“. Insoweit wird jedoch nicht dargetan, welchem anderen (weitergehenden) Rechtsschutzinteresse, als jenem, das in einem Amtshaftungsverfahren geltend gemacht werden könnte, die von der Revisionswerberin begehrte Feststellung dienen sollten.
15 Soweit die Revisionswerberin darauf verweist, dass im Amtshaftungsverfahren kein Anspruch auf Naturalrestitution bestehe, ist anzumerken, dass dies auch im Wege der von ihr begehrten Feststellung nicht möglich ist.
16 Somit ist nicht ersichtlich, dass das Bundesverwaltungsgericht bei seiner Beurteilung, dass der Revisionswerberin vorliegend mit dem Amtshaftungsverfahren ein anderes Verfahren zur Geltendmachung ihrer Ansprüche zur Verfügung steht, von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist.
17 Dass der Revisionswerberin die Führung eines solchen Amtshaftungsverfahrens unzumutbar wäre, wird in der vorliegenden Revision auch nicht durch den Hinweis auf befürchtete Judikaturdivergenzen zwischen den in Amtshaftungssachen zuständigen ordentlichen Gerichten und dem in dienstrechtlichen Angelegenheiten zuständigen Verwaltungsgerichtshof dargetan.
18 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher ohne weiteres Verfahren gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 17. Mai 2023
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