VwGH Ra 2022/07/0058

VwGHRa 2022/07/005819.4.2023

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, über die Revision des W K in B, vertreten durch die Rechtsanwaltskanzlei Dr. Wendling GmbH in 6370 Kitzbühel, Obere Gänsbachgasse 7/Kirchplatz, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 7. April 2022, LVwG‑2021/33/2544‑5, betreffend Abtrennung eines Bestandteiles eines geschlossenen Hofes nach dem Tiroler Höfegesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
HöfeG Tir
HöfeG Tir §1
HöfeG Tir §5 Abs1 idF 2016/096
HöfeG Tir §5 idF 2016/096
HöfeG Tir §6 idF 2016/096
VwGG §21 Abs1 Z1
VwGG §21 Abs1 Z2
VwGG §26 Abs1
VwGG §34 Abs1
VwGG §35 impl
VwGG §36 impl
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022070058.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Revisionsbeantwortung der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber ist Eigentümer eines geschlossenen Hofes, der sich in der Gemeinde B befindet. Am 9. August 2021 beantragte er, ein neu zu bildendes Grundstück im Ausmaß von 850 m2 vom Gutsbestand dieses Hofes gemäß § 5 Tiroler Höfegesetz (THG) abzuschreiben. Das Grundstück sei im Flächenwidmungsplan der Gemeinde B als Freiland nach § 41 Tiroler Raumordnungsgesetz 2016 (TROG 2016) gewidmet. Auf der abzuschreibenden Fläche befinde sich ein Gebäude, das bis zur Errichtung eines neuen Wohnhauses im Jahr 1989 die Hofstelle gewesen sei. Mit Bescheid vom 16. Juli 1996 habe der Bürgermeister der Gemeinde B festgestellt, dass dieses auf der abzutrennenden Fläche befindliche Haus als Freizeitwohnsitz verwendet werden dürfe. Der geschlossene Hof reiche auch bei Abschreibung der Fläche weiterhin zur Erhaltung von mindestens zwei erwachsenen Personen. Die Abschreibung sei aus „raumordnungsrechtlichen Gründen“ notwendig.

2 Mit Bescheid vom 27. August 2021 bewilligte die Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel diesen Antrag. Dagegen erhob die Gemeinde B (gestützt auf § 9 THG) Beschwerde.

3 Im Beschwerdeverfahren brachte der Revisionswerber ergänzend insbesondere vor, das abzutrennende Grundstück im Freiland sei bebaut, sodass sich die Abtrennung auch auf § 6 THG stützen könne.

4 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Tirol der Beschwerde Folge und wies den Antrag des Revisionswerbers ab. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.

5 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, wie sich aufgrund der eingeholten Stellungnahme eines Amtssachverständigen ergebe, reiche der geschlossene Hof des Revisionswerbers mit einer Fläche von 5,9977 ha, wovon 3,76 ha landwirtschaftliche Nutzflächen seien, bereits derzeit nicht für die Erhaltung von mindestens zwei erwachsenen Personen. Überdies bestünden auch landeskulturelle Bedenken dagegen, von dem Hof weitere landwirtschaftliche Nutzflächen von rund 550 m2 abzutrennen. Die Voraussetzungen einer Abtrennung nach § 5 THG lägen daher nicht vor. Auch nach § 6 THG könne keine Bewilligung erteilt werden. Beim abzutrennenden Grundstück handle es sich nämlich nicht um einen Baugrund im Sinn dieser Bestimmung.

6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die (außerordentliche) Revision. Nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof brachte die Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel einen als Revisionsbeantwortung bezeichneten Schriftsatz ein, in dem sie sich den Ausführungen der Revision inhaltlich anschloss.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 3 VwGG ist ein solcher Beschluss in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 Zur Zulässigkeit der Revision wird zunächst geltend gemacht, es liege keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zum Begriff des „Baugrundes“ nach § 6 THG vor. Richtigerweise werde nicht nur auf eine Flächenwidmung als Bauland, sondern auch auf das Vorhandensein eines Gebäudes abgestellt. Ein Freilandgrundstück werde jedenfalls dann, wenn darauf ‑ wie im vorliegenden Fall ‑ bereits ein Wohngebäude stehe, von der Bestimmung erfasst, zumal nach § 42a Tiroler Raumordnungsgesetz 2022 (TROG 2022) auch die Möglichkeit zur Erweiterung solcher Gebäude bestehe. Dabei sei auch die Umgebungsfläche des Gebäudes zu diesem Grundstück zu zählen, wenn diese Fläche ‑ wie im vorliegenden Fall ‑ bereits seit langem nicht mehr für die Landwirtschaft genutzt werde.

11 § 5 und § 6 THG, LGBl. Nr. 47/1900, in der Fassung LGBl. Nr. 96/2016, lauten auszugsweise:

„§ 5 Die Bewilligung zur Abtrennung von Bestandteilen eines geschlossenen Hofes ist zu erteilen, wenn der Hof nach der Abtrennung zur Erhaltung von mindestens zwei erwachsenen Personen noch hinreicht, und wenn der beantragten Abtrennung erhebliche wirtschaftliche oder landeskulturelle Bedenken nicht entgegenstehen. [...]

§ 6 Erscheint die Abtrennung zum Zwecke der Herstellung, Umlegung oder Erweiterung von Straßen oder Wegen, zu Bach‑ oder Flußregulierungen, Entsumpfungen oder anderen im öffentlichen oder Gemeindeinteresse gelegenen Kulturmaßnahmen als notwendig oder nützlich, oder soll das abzutrennende Grundstück als Baugrund oder zu gewerblichen Zwecken verwendet werden, so kann die Bewilligung ohne Rücksicht auf die Größe des Hofes erteilt werden.“

12 Auch dann, wenn der Hof schon im gegenwärtigen Zustand nicht mehr zur Erhaltung von mindestens zwei erwachsenen Personen hinreicht, darf die Genehmigung nach § 5 THG, solange die Hofeigenschaft im Sinne des § 1 THG nicht aufgehoben wurde, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ‑ von dem weiteren Tatbestandselement der erheblichen wirtschaftlichen oder landeskulturellen Bedenken abgesehen ‑ nur dann erteilt werden, wenn mit der Abtrennung keine weitere Schwächung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Hofes verbunden ist (vgl. VwGH 18.11.2010, 2009/07/0054, mwN).

13 Das Verwaltungsgericht ist in diesem Sinn davon ausgegangen, dass die Voraussetzung der Abtrennung nach § 5 THG nicht vorliegt. Dem tritt die Revision auch nicht entgegen. Sie stützt sich jedoch darauf, dass die Bewilligung dennoch nach § 6 THG zu erteilen sei. Nach dieser Bestimmung, die in ihrem Kern bereits auf die Stammfassung des THG zurückgeht, kann die Bewilligung zur Abtrennung ohne Rücksicht auf die Größe des Hofes ‑ somit den für mindestens zwei erwachsene Personen verbleibenden Ertrag im Sinn des § 5 THG ‑ erteilt werden, wenn die Abtrennung den in der Bestimmung genannten Zwecken im öffentlichen oder privaten Interesse dient (vgl. Kathrein, Anerbenrecht [1990] Anm 1 zu § 6 THG).

14 Eine nähere Erörterung, wann die Voraussetzungen nach § 6 THG erfüllt sind, kann im vorliegenden Fall unterbleiben. Soweit § 6 THG darauf abstellt, dass das abzutrennende Grundstück als Baugrund verwendet werden soll, ergibt sich nämlich schon aus dem klaren Wortlaut der Bestimmung, dass die Abtrennung mit einer künftigen Bebauung ‑ also der Schaffung neuer Bausubstanz ‑ in Zusammenhang stehen muss. Der bloße Umstand, dass sich auf der abzutrennenden Fläche bzw. einem Teil davon bereits ein Gebäude ‑ etwa eine (ehemalige) Hofstelle oder ein landwirtschaftliches Nebengebäude ‑ befindet, ist jedenfalls nicht ausreichend.

15 Dass die Abtrennung des Grundstücks mit einer geplanten Bebauung in Zusammenhang stünde, wurde aber vom Revisionswerber im Beschwerdeverfahren nicht behauptet. Insbesondere wurde auch nicht vorgebracht, dass ein Umbau oder Zubau nach dem (zeitraumbezogen anwendbaren) § 42a Abs. 1 TROG 2016 hinsichtlich des auf dem abzutrennenden Grundstück im Freiland befindlichen Gebäudes (der ehemaligen Hofstelle) beabsichtigt wäre. Vor diesem Hintergrund kann auch dahingestellt bleiben, ob die Planung einer solchen im Sinn des § 42a Abs. 1 TROG 2016 zulässigen Veränderung eines im Freiland befindlichen Gebäudes (vgl. dagegen zur Unzulässigkeit der Errichtung von Neubauten im Freiland etwa VwGH 25.4.2006, 2005/06/0286, mwN) ausreichend sein könnte, um die Verwendung als Baugrund im Sinn des § 6 THG zu begründen.

16 Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor, wenn die Rechtslage ‑ wie hier ‑ nach dem klaren Wortlaut der anzuwendenden Bestimmungen eindeutig ist (vgl. etwa VwGH 20.7.2022, Ra 2022/07/0062, 0063, mwN).

17 In der Revision wird weiters geltend gemacht, das Verwaltungsgericht habe sich auf eine agrarfachliche Stellungnahme gestützt, diese aber nicht ausreichend erörtert. Bei einer Auseinandersetzung mit den vom Revisionswerber erhobenen Einwendungen hätte sich ergeben, dass entgegen der Stellungnahme des Sachverständigen keine „landeskulturellen Bedenken“ gegen die Abtrennung des Grundstückes bestünden. Weiters wären ‑ etwa durch Einholung eines bau‑ und raumordnungsrechtlichen Sachverständigengutachtens ‑ Erhebungen dazu erforderlich gewesen, ob eine Verwendung des abzutrennenden Grundstückes „als Baugrund“ vorliege.

18 Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, dass die Zulässigkeit der Revision neben einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG aufwerfenden Verfahrensmangel voraussetzt, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann im Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird, das heißt, dass dieser abstrakt geeignet sein muss, im Falle eines mangelfreien Verfahrens zu einer anderen Sachverhaltsgrundlage zu führen (vgl. etwa VwGH 15.12.2022, Ra 2022/07/0213 bis 0215, mwN).

19 § 5 Abs. 1 THG sieht für die Erteilung der Bewilligung zur Abtrennung zwei voneinander unabhängige Voraussetzungen vor, die beide vorliegen müssen, damit eine Bewilligung erteilt werden kann; nämlich einerseits, dass der Hof nach der Abtrennung zur Erhaltung von mindestens zwei erwachsenen Personen noch hinreicht, und andererseits der beantragten Abtrennung erhebliche wirtschaftliche oder landeskulturelle Bedenken nicht entgegenstehen (vgl. VwGH 26.4.1995, 94/07/0134, mit näheren Ausführungen zum Begriff der landeskulturellen Bedenken). Wie dargestellt, lag nach den von der Revision nicht in Zweifel gezogenen Ausführungen des Verwaltungsgerichtes bereits die erstgenannte Voraussetzung der Abtrennung nach § 5 Abs. 1 THG ‑ das Hinreichen des verbleibenden Hofes zur Erhaltung von mindestens zwei erwachsenen Personen ‑ nicht vor. Darauf, ob auch landeskulturelle Bedenken gegen die Abtrennung sprechen, kam es im vorliegenden Fall daher nicht mehr an, sodass die Revision schon deshalb nicht darzustellen vermag, dass der mangelnden Auseinandersetzung des Verwaltungsgerichts mit dem zu diesem Tatbestandselement erstatteten Vorbringen des Revisionswerbers Relevanz zugekommen wäre.

20 Unstrittig war im Verfahren auch, dass das abzutrennende Grundstück teilweise bebaut ist und sich im Freiland befindet. Die Revision zeigt nicht auf, dass ‑ vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtslage ‑ zur Klärung des rechtserheblichen Sachverhaltes insoweit weitere Erhebungen erforderlich gewesen wären.

21 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

22 Die Zurückweisung der „Revisionsbeantwortung“ der belangten Behörde beruht darauf, dass das VwGG keinen Eintritt in das Revisionsverfahren auf Seite der revisionswerbenden Partei kennt. Wenn sich die Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel daher in ihrer Revisionsbeantwortung den Argumenten der revisionswerbenden Partei anschloss und die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragte, war dieser Schriftsatz der Sache nach als verspätete Revision zu werten und gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen (vgl. VwGH 16.11.2021, Ra 2021/03/0044, mwN).

Wien, am 19. April 2023

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