Normen
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022060314.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg (im Folgenden: Verwaltungsgericht) wurde die Beschwerde der Revisionswerberin gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft S. vom 2. Juni 2022, mit welchem ihr die Errichtung einer Überdachung des bestehenden Stiegenaufganges in verglaster Alukonstruktion mit einer Höhe von 2,70 m bis 3,15 m ohne baurechtliche Bewilligung zur Last gelegt und über sie eine Geldstrafe in der Höhe von € 500,‑‑ (Ersatzfreiheitsstrafe von 120 Stunden) verhängt sowie der Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens mit € 50,‑‑ bemessen worden war, mit einer Maßgabe im Spruch des bekämpften Bescheides, als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I.); unter einem wurde der Revisionswerberin ein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt (Spruchpunkt II.) und ausgesprochen, dass gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt III.).
5 Begründend stellte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen fest, dass sich die Revisionswerberin anlässlich eines Gespräches mit dem Bürgermeister der Gemeinde E. im Juli 2018 erkundigt habe, ob sie für die Überdachung ihrer Außentreppe eine Baubewilligung benötigen würde, wobei sie auch mitgeteilt habe, dass sie noch nicht genau wisse, wie die Konstruktion aussehen sollte. Nach einem kurzen Gespräch über die Höhe der Konstruktion sei der Bürgermeister davon ausgegangen, dass es sich dabei um eine bewilligungsfreie Konstruktion handle, was er der Revisionswerberin auch so zu verstehen gegeben habe. In weiterer Folge habe die Revisionswerberin eine Überdachung errichten lassen. Der Stiegenaufgang zum Wohnobjekt sei mit einer verglasten Alukonstruktion eingehaust worden, wodurch ein 23,25 m langer und 7,30 m breiter Baukörper entstanden sei. Nach Hinweis auf die hg. Judikatur, wonach erst im Fall einer, auf einer vollständigen Sachverhaltsgrundlage erteilten, unrichtigen Rechtsauskunft durch die zuständige Behörde und im Vertrauen auf diese Auskunft erfolgte Gesetzesverstöße nicht als Verschulden anzurechnen seien, führte das Verwaltungsgericht aus, die Revisionswerberin habe zwar mit der zuständigen Behörde Rücksprache wegen der Bewilligungspflicht der Überdachung gehalten, allerdings nicht dargelegt, wie diese konkret aussehen solle. Ihre Anfrage sei insofern unvollständig gewesen, als der Bürgermeister auf Basis ihrer Angaben nicht davon ausgehen habe können, dass diese Überdachung in Form einer Einhausung errichtet werden solle. Die Revisionswerberin könne sich daher nicht auf eine Auskunft des Bürgermeisters, wonach sie ohne Baubewilligung mit dem Bau beginnen dürfe, berufen, da sie diesem gegenüber nicht die vollständige Sachverhaltsgrundlage dargelegt habe. Der Revisionswerberin sei sohin die angelastete Tat auch subjektiv vorwerfbar.
6 In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision bringt die Revisionswerberin vor, die vom Verwaltungsgericht zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes habe sich auf Fälle bezogen, in denen die Auskunft nicht von der zuständigen Behörde erteilt worden sei, weshalb diese mit dem Revisionsfall nicht vergleichbar sei. Die Formulierung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die „vollständige Sachverhaltsgrundlage“ mitzuteilen sei, könne nur so verstanden werden, dass die Einholung einer Auskunft von der zuständigen Behörde dann nicht entschuldige, wenn der Behörde die für die Beurteilung maßgeblichen Informationen (vorsätzlich) vorenthalten würden. Die Revisionswerberin habe jedoch die zum Zeitpunkt der Auskunft vollständige Sachverhaltsgrundlage mitgeteilt, zumal sie ja tatsächlich noch nicht gewusst habe, wie die Konstruktion aussehen solle. Aufgrund ihrer Angaben, dass sie im Winter nicht mehr Schnee schaufeln möchte, hätte der Bürgermeister auch damit rechnen müssen, dass die Überdachung letztlich in Form einer Einhausung errichtet werde, da ansonsten ja wieder Schnee von der Seite hereinkomme. Der Bürgermeister hätte der Revisionswerberin ja mitteilen können, dass er aufgrund der vorliegenden Informationen nicht beurteilen könne, ob eine Baubewilligung erforderlich sei. Es könne nicht verlangt werden, dass ein Bürger, der eigens an die zuständige Behörde herantrete, um sich rechtlich abzusichern, dann auch noch die Auskunft der zuständigen Baubehörde hinterfragen müsse, um sich nicht der Gefahr einer Verwaltungsstrafe auszusetzen. Wenn das Verwaltungsgericht dies anders beurteile, weiche es von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab. Allenfalls wäre eine Klarstellung des Verwaltungsgerichtshofes erforderlich, was mit der Formulierung „vollständige Sachverhaltsgrundlage“ genau gemeint sei, zumal zu dieser ganz konkreten Frage höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.
Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage dargelegt, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
7 Nach der ständigen ‑ auch vom Verwaltungsgericht und von der Revisionswerberin zitierten ‑ Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in Verwaltungsstrafsachen zur Fahrlässigkeit nach § 5 Abs. 1 VStG 1991 kann nur eine auf einer https://www.ris.bka.gv.at/MarkierteDokumente.wxe?Abfrage=Vwgh&Entscheidungsart=Undefined&Sammlungsnummer=&Index=&AenderungenSeit=Undefined&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False&GZ=&VonDatum=&BisDatum=28.12.2022&Norm=&ImRisSeitVonDatum=&ImRisSeitBisDatum=&ImRisSeit=Undefined&ResultPageSize=50&Suchworte=vollständige * Sachverhaltsgrundlage*&WxeFunctionToken=bf64b0fe-3d66-471a-91f3-4ab8172cfe67#hit2vollständigen Sachverhaltsgrundlage erteilte, unrichtige Rechtsauskunft durch die zuständige Behörde als Entschuldigungsgrund bei Gesetzesverstößen anerkannt werden. Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin bezieht sich diese Rechtsprechung zum einen auf eine von der zuständigen Behörde erteilte Rechtsauskunft; zum anderen wird nicht darauf abgestellt, dass eine unvollständige Sachverhaltsgrundlage nur dann vorliegt, wenn maßgebliche Informationen (vorsätzlich) vorenthalten werden (vgl. etwa auch VwGH 1.6.2021, Ra 2019/09/0163, sowie VwGH 15.2.2013, 2010/09/0240, jeweils mwN). Es liegt daher bereits hg. Rechtsprechung zu den von der Revisionswerberin insoweit aufgeworfenen Fragen vor.
8 Die Frage, ob die im Revisionsfall erteilte, unrichtige Rechtsauskunft durch den Bürgermeister der Gemeinde E. auf Basis einer vollständigen Sachverhaltsgrundlage erteilt wurde und diese daher ein Verschulden der Revisionswerberin auszuschließen vermag oder nicht, unterliegt grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, wobei eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vorläge, wenn diese Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. etwa VwGH 8.11.2022, Ra 2022/06/0235, mwN). Eine derartige Fehlbeurteilung wird in der Zulässigkeitsbegründung nicht aufgezeigt, zumal die Revisionswerberin selbst ausführt, dass sie zum Zeitpunkt der Einholung der Auskunft noch nicht gewusst habe, wie genau die Konstruktion aussehen solle. Auch aus den Angaben der Revisionswerberin, dass sie im Winter nicht mehr Schnee schaufeln möchte, ist nicht zwingend der Schluss zu ziehen, dass die von ihr avisierte Überdachung letztlich in Form einer Einhausung errichtet werde solle. Eine Unvertretbarkeit der Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, dem Bürgermeister sei bei Erteilung der in Rede stehenden Auskunft nicht die vollständige Sachverhaltsgrundlage bekannt gewesen, wird damit nicht dargelegt.
Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 10. Jänner 2023
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