VwGH Ra 2022/05/0199

VwGHRa 2022/05/01993.4.2023

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner und die Hofrätinnen Mag. Liebhart‑Mutzl und Dr.in Sembacher als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Revisionssache des DI M D in W, vertreten durch Dr. Martin Drahos, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rathausstraße 11, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 25. August 2022, VGW‑011/083/16569/2021‑2, betreffend Übertretung der Bauordnung für Wien (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), den Beschluss gefasst:

Normen

BauO Wr §129 Abs10
BauO Wr §135 Abs1
BauRallg
VStG §31
VStG §5 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022050199.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 19. Oktober 2021 wurde über den Revisionswerber gemäß § 135 Abs. 1 iVm § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien (BO) eine Verwaltungsstrafe in der Höhe von EUR 1.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe zehn Stunden) verhängt, weil er es als Miteigentümer einer näher bezeichneten Liegenschaft in Wien und der darauf befindlichen Anlagen und als Wohnungseigentümer zu verantworten habe, dass innerhalb eines näher bezeichneten Tatzeitraumes Abweichungen von den Bauvorschriften nicht behoben worden seien, da er es entgegen § 101 Abs. 1 BO iVm § 1 der Wiener Bautechnikverordnung 2020 und den Punkten 5.2.2. und 5.5.1. der OIB Richtlinie 3 unterlassen habe, bei den Abgasanlagen mit näher genannten laufenden Nummern die etwa 4 m unterhalb der Ausmündung bis zur Ausmündung fehlende Fangzunge herstellen zu lassen. Gemäß § 64 VStG wurde dem Revisionswerber ein Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens in der Höhe von EUR 150,‑‑ vorgeschrieben.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung in der Schuldfrage als unbegründet ab und gab darüber hinaus der Beschwerde insoweit Folge, als es die verhängte Geldstrafe von EUR 1.500,-- auf EUR 1.000,‑‑ (Ersatzfreiheitsstrafe 7 Stunden) herabsetzte. Weiters bestimmte es den Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens mit EUR 100,‑‑ neu und sprach aus, dass der Revisionswerber gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten habe. Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG erklärte es für unzulässig.

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die dem Verwaltungsgerichtshof vom Verwaltungsgericht gemäß § 30a Abs. 7 VwGG unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorgelegt wurde.

4 In der Revision werden keine Rechtsfragen dargelegt, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision erfolgt ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulässigkeitsbegründung. Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision führen hätten können, aufzugreifen (vgl. für viele etwa VwGH 26.9.2022, Ra 2022/05/0130, mwN).

9 Der Revisionswerber behauptet zur Zulässigkeit der Revision zunächst zusammengefasst ein Abweichen des angefochtenen Erkenntnisses von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 44a VStG. Das Verwaltungsgericht stütze sich in seiner Entscheidung entgegen der „dem Rekurswerber“ im Straferkenntnis der belangten Behörde zur Last gelegten Tat auf einen „inhaltlich davon abweichenden Bauauftrag“. Das Verwaltungsgericht verkenne, dass es zu prüfen gehabt hätte, ob die „dem Rekurswerber“ im Straferkenntnis der belangten Behörde zur Last gelegte Unterlassung tatsächlich eine Tat sei, wegen der er bestraft werden könne. Dies sei nicht der Fall, weil die Herstellung der Fangzunge für sich allein zu keinerlei Erfolg geführt hätte und nach den getroffenen Feststellungen für sich allein gar nicht möglich gewesen sei. Es ginge nicht um die wirtschaftliche Zumutbarkeit bestimmter baulicher Maßnahmen, sondern darum, ob die zur Last gelegte Unterlassung ein Verwaltungsstrafdelikt verwirkliche. Außerdem sei das Verwaltungsgericht von näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wenn es das ob den Miteigentumsanteilen des Revisionswerbers einverleibte Fruchtgenussrecht seines Vaters für rechtlich unbeachtlich erkläre.

10 Dazu ist Folgendes festzuhalten:

11 Gemäß § 129 Abs. 10 BO ist jede Abweichung von Bauvorschriften einschließlich der Bebauungsvorschriften zu beheben. Ein vorschriftswidriger Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung oder Kenntnisnahme einer Bauanzeige nicht erwirkt worden ist, ist zu beseitigen. Gegebenenfalls kann die Baubehörde Aufträge erteilen; solche Aufträge müssen erteilt werden, wenn augenscheinlich eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit der Menschen besteht. Aufträge sind an den Eigentümer (jeden Miteigentümer) des Gebäudes oder der baulichen Anlage zu richten; im Falle des Wohneigentums sind sie gegebenenfalls an den Wohnungseigentümer der betroffenen Nutzungseinheit zu richten.

12 Bei einer Verwaltungsübertretung nach § 135 Abs. 1 iVm § 129 Abs. 10 BO handelt es sich um ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG; der Täter kann zufolge dieser Bestimmung nur dann straflos bleiben, wenn er glaubhaft macht, dass ihm die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift ohne sein Verschulden unmöglich gewesen ist, bzw. wenn er aufzuzeigen vermag, dass er während des ihm angelasteten Tatzeitraumes alles in seinen Kräften Stehende (Ausschöpfung der tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten) unternommen hat, um die Konsenswidrigkeit innerhalb kürzester Zeit zu beseitigen (vgl. etwa VwGH 27.2.2018, Ra 2018/05/0030, oder auch 21.11.2017, Ra 2017/05/0259, jeweils, mwN).

13 Voraussetzung für die Strafbarkeit nach § 129 Abs. 10 BO ist dabei nicht die Erteilung eines baupolizeilichen Auftrages; diese Norm enthält vielmehr ein Gebot, dem zuwidergehandelt werden kann. Ob ein Bauauftrag ergangen ist, welche Erfüllungsfristen er vorsah, welche Rechtsmittel gegen ihn ergriffen wurden, oder gar, ob der Verwaltungsgerichtshof einer Beschwerde im Bauauftragsverfahren aufschiebende Wirkung zuerkannt hat, spielt für die Strafbarkeit ‑ so lange nicht Verjährung eingetreten ist ‑ keine Rolle (vgl. nochmals etwa VwGH 21.11.2017, Ra 2017/05/0259, mit Verweis auf VwGH 15.7.2003, 2002/05/0107).

14 Da es sich bei der Verwaltungsübertretung nach § 129 Abs. 10 BO um ein Ungehorsamsdelikt handelt, hat die Strafbehörde, wenn der objektive Tatbestand festgestellt ist, mit einer Verwaltungsstrafe vorzugehen, es sei denn, der Täter beweist, dass ihm die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift ohne sein Verschulden unmöglich gewesen sei; straffrei bleibt der Eigentümer, wenn er beweist, alles in seinen Kräften unternommen zu haben, um den vorschriftswidrigen Bau zu beseitigen (vgl. nochmals etwa VwGH 15.7.2003, 2002/05/0107, mwN).

15 Im Revisionsfall wurde dem Revisionswerber im Straferkenntnis der belangten Behörde eine Übertretung des § 129 Abs. 10 BO zur Last gelegt, da er es als Miteigentümer der in Rede stehenden Liegenschaft in Wien im angelasteten Tatzeitraum zu verantworten habe, dass entgegen § 101 Abs. 1 BO iVm § 1 der Wiener Bautechnikverordnung 2020 und den Punkten 5.2.2. und 5.5.1. der OIB‑Richtlinie 3 eine näher beschriebene Fangzunge bei näher bezeichneten Abgasanlagen nicht hergestellt worden sei. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers in der Schuldfrage als unbegründet ab; ein spruchmäßiger Austausch des Tatvorwurfes erfolgte nicht.

16 In seinen Feststellungen verwies das Verwaltungsgericht dazu unter anderem auf das Gutachten des dem Beschwerdeverfahren beigezogenen Amtssachverständigen, wonach die verfahrensgegenständlichen Abgasanlagen konsenswidrig errichtet worden seien. Dieser entscheidenden Feststellung tritt der Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung nicht entgegen. Soweit er in diesem Zusammenhang ausführt, die Herstellung der Fangzunge hätte „für sich allein zu keinerlei Erfolg geführt“, und wäre nach den getroffenen Feststellungen „für sich allein gar nicht möglich“ gewesen, entfernt er sich mit dieser nicht näher begründeten Behauptung vom festgestellten Sachverhalt im angefochtenen Erkenntnis, wonach es nach den Ausführungen des Amtssachverständigen, wenn auch mit technisch großem Aufwand, möglich gewesen wäre, sämtliche Abgasanlagen mit Fangzunge herzustellen. Dass der Revisionswerber während des ihm angelasteten Tatzeitraumes alles in seinen Kräften Stehende (Ausschöpfung der tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten) unternommen hätte, um die Konsenswidrigkeit innerhalb kürzester Zeit zu beseitigen, bzw. dass ihm die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften ohne sein Verschulden unmöglich gewesen sei, wird in den Zulässigkeitsgründen der Revision nicht dargelegt.

17 Die zur Zulässigkeit der Revision vorgebrachte Behauptung, das Verwaltungsgericht habe nicht geprüft, ob die dem Revisionswerber zur Last gelegte Tat eine solche sei, wegen der er bestraft werden könne, trifft nach dem Gesagten daher nicht zu. Daran ändert auch nichts, dass in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses auch der an den Revisionswerber ergangene Bauauftrag vom 20. Jänner 2021 Erwähnung findet; zutreffend verweist das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang (aE S. 28) auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach es für die Strafbarkeit nach § 135 Abs. 1 iVm § 129 Abs. 10 BO grundsätzlich keine Rolle spielt, ob ein Bauauftrag ergangen ist (Hinweis auf VwGH 21.11.2017, Ra 2017/05/0258 und 15.7.2003, 2002/05/0107).

18 Wenn in den Zulässigkeitsgründen schließlich vorgebracht wird, das Verwaltungsgericht sei vom Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Juni 2010, 2009/05/0328, abgewichen, wenn es das ob den Miteigentumsanteilen des Revisionswerbers eingeräumte Fruchtgenussrecht seines Vaters für rechtlich unbeachtlich erkläre, wird damit zwar eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes behauptet, jedoch außer Acht gelassen, dass ein Revisionswerber im Fall der Behauptung einer Abweichung von der Rechtsprechung konkret darzulegen hat, dass der der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt einer der von ihm ins Treffen geführten hg. Entscheidungen gleicht, das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Fall dennoch anders entschieden hat und es damit von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist (vgl. etwa VwGH 29.8.2022, Ra 2022/06/0171, mwN). Dass im Revisionsfall im Tatzeitraum nicht der Revisionswerber als Miteigentümer, sondern alleine dessen Vater als Fruchtgenussberechtigter im Sinne des genannten Erkenntnisses für die Nicht‑Behebung der Abweichung von den Bauvorschriften verantwortlich sein soll, wird in den Revisionszulässigkeitsgründen nicht vorgebracht.

19 In der Revision werden damit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

20 Wien, am 3. April 2023

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