European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2021140293.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 19. November 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 5. Oktober 2016 zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 21. Oktober 2020 wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer Verhandlung ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision nicht zulässig sei.
4 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 8. Juni 2021, E 4235/2020‑8, ablehnte und sie über nachträglichen Antrag mit Beschluss vom 12. Juli 2021, E 4235/2020‑11, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 41 VwGG, soweit nicht Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes oder infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorliegt, das angefochtene Erkenntnis oder den angefochtenen Beschluss auf Grund des vom Verwaltungsgericht angenommenen Sachverhalts im Rahmen der geltend gemachten Revisionspunkte bzw. der Erklärung über den Umfang der Anfechtung zu überprüfen hat. Somit sind Änderungen der Sach- und Rechtslage, die sich nach Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses ereignet haben und daher vom Verwaltungsgericht nicht berücksichtigt werden konnten, einer Prüfung im gegenständlichen Revisionsverfahren entzogen.
9 Zu ihrer Zulässigkeit bringt die Revision zusammengefasst vor, das Bundesverwaltungsgericht weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur amtswegigen Ermittlungspflicht und zur Begründungspflicht ab. Aus dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten neurologisch-psychiatrischen Gutachten ergebe sich neben der Diagnose „[p]osttraumatischer Kopfschmerz nach nicht rezentem Schädel‑Hirn‑Trauma unbestimmten Grades“ die Verdachtsdiagnose einer „symptomatische[n] (posttraumatische[n]) Epilepsie“. Es hätte umfassender weiterer Ermittlungen bedurft, um Feststellungen zum tatsächlichen Gesundheitszustand des Revisionswerbers treffen zu können und sodann Ermittlungen zu dessen Behandlungsmöglichkeiten in Afghanistan. Das Bundesverwaltungsgericht habe sich jedoch in mehreren Punkten begründungslos über wesentliches Parteivorbringen und das Sachverständigengutachten hinweggesetzt. Ausgehend von den mangelhaften Feststellungen zum Gesundheitszustand des Revisionswerbers sei das Bundesverwaltungsgericht nicht in der Lage gewesen, Feststellungen zur Behandelbarkeit seines Krankheitsbildes in Afghanistan zu treffen.
10 Wenn die Revision zu ihrer Begründung Verfahrensmängel ‑ wie hier Begründungs-, Ermittlungs-, und Feststellungsmängel ‑ als Zulassungsgründe ins Treffen führt, muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass ‑ auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst ‑ jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensmangels als erwiesen ergeben hätten. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH 2.9.2022, Ra 2021/14/0326, mwN). Diesem Erfordernis wird die Revision nicht gerecht, weil sie nicht darstellt, welche Tatsachen bei Vermeidung der behaupteten Verfahrensmängel festzustellen gewesen wären und lediglich nicht näher bestimmte „behandlungsbedürftige Erkrankungen“ des Revisionswerbers in den Raum stellt.
11 Darüber hinaus unterliegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Frage, ob das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner amtswegigen Ermittlungspflicht weitere Ermittlungsschritte setzen muss, einer einzelfallbezogenen Beurteilung. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge insoweit nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre (vgl. VwGH 23.11.2022, Ra 2022/14/0308 bis 0310, mwN). Eine solche grob fehlerhafte Beurteilung vermag die Revision nicht aufzuzeigen und ist im gegenständlichen Fall auch nicht ersichtlich. Das Bundesverwaltungsgericht hat ein neurologisch‑psychiatrisches Gutachten eingeholt und in der mündlichen Verhandlung in mehreren Tagsatzungen den Revisionswerber ‑ in teilweiser Anwesenheit seines Allgemeinmediziners ‑ zu seinem Gesundheitszustand befragt. Der länderkundige Sachverständige äußerte sich in der Verhandlung zu den Behandlungsmöglichkeiten der vom Revisionswerber angesprochenen Migräne im Herkunftsstaat; im angefochtenen Erkenntnis traf das Bundesverwaltungsgericht Feststellungen zur Behandlungsmöglichkeit von Epilepsie in Afghanistan, insbesondere in den Städten Herat und Mazar‑e Sharif als innerstaatlicher Fluchtalternative des Revisionswerbers. Inwieweit das Bundesverwaltungsgericht von der Zumutbarkeit dieser innerstaatlichen Fluchtalternative nicht hätte ausgehen dürfen, legt die Revision, die sich in diesem Zusammenhang im Wesentlichen auf eine Vulnerabiliät des Revisionswerbers aufgrund seiner nicht näher bezeichneten „behandlungsbedürftigen Erkrankungen“ bezieht, nicht substantiiert dar. Auch der von der Revision relevierte Begründungsmangel zu den Behandlungsmöglichkeiten des Revisionswerbers in Afghanistan ist vor diesem Hintergrund nicht ersichtlich.
12 Soweit die Revision im Weiteren vorbringt, das Bundesverwaltungsgericht habe „jegliche Ermittlungen zur Verfügbarkeit der dem [Revisionswerber] derzeit verschriebenen Medikamente zur Behandlung seiner psychischen Beschwerden unterlassen“, entfernt sich das Vorbringen der Zulässigkeitsbegründung vom festgestellten Sachverhalt und zeigt schon deshalb keine fallbezogene Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf (vgl. VwGH 26.4.2021, Ra 2021/14/0004, mwN).
13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 29. März 2023
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