VwGH Ra 2021/05/0220

VwGHRa 2021/05/022023.1.2023

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner und die Hofrätinnen Mag. Liebhart‑Mutzl und Dr.in Sembacher als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Röder, über die Revision 1. der M W und 2. der M E, beide in W, beide vertreten durch Dr. Thomas Schreiner, Rechtsanwalt in 7000 Eisenstadt, Esterházyplatz 6a, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 23. Februar 2021, 1. VGW‑111/067/15956/2019/E und 2. VGW‑111/067/15957/2019/E, betreffend eine Bauangelegenheit nach der Bauordnung für Wien (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien; mitbeteiligte Partei: Mag. L W in W; weitere Partei: Wiener Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §8
BauO Wr §134a
BauO Wr §134a Abs1 litb
BauO Wr §81 Abs2
BauRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2021050220.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Dem Verfahren liegt ein Bauansuchen der mitbeteiligten Partei vom 31. März 2008 zugrunde, mit dem die Erteilung einer Bewilligung zur Errichtung eines Zubaus nach Maßgabe der eingereichten Planunterlagen auf einer näher bezeichneten Liegenschaft in Wien begehrt wurde.

2 Die Revisionswerberinnen im vorliegenden Verfahren sind Eigentümerinnen von benachbarten Grundstücken, wobei das Grundstück der Erstrevisionswerberin nördlich an die projektgegenständliche Liegenschaft angrenzt und jenes der Zweitrevisionswerberin der projektgegenständlichen Liegenschaft getrennt durch den K.‑weg gegenüber liegt. Beide erhoben im Laufe des Verfahrens wiederholt auf § 134a Bauordnung für Wien (BO für Wien) gestützte Einwendungen gegen das Bauvorhaben.

3 Zur Vorgeschichte wird auf das zuletzt in dieser Angelegenheit ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. November 2019, Ro 2017/05/0009 (mit Hinweis auf die weitere Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes in dieser Sache vom 16.3.2016, Ra 2014/05/0038), verwiesen. Mit dem erstgenannten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof das dort angefochtene Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien (Verwaltungsgericht) hinsichtlich der erfolgten Aufhebung des Bescheides des Bauausschusses der Bezirksvertretung für den 22. Bezirk vom 28. Februar 2013 über die Bewilligung für Abweichungen nach § 69 Abs. 1 lit. f BO für Wien sowie hinsichtlich der erfolgten Aufhebung des Bescheides des Magistrates der Stadt Wien vom 13. März 2013 über die Erteilung einer Baubewilligung gemäß § 70 BO wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

4 Unter anderem hielt der Verwaltungsgerichtshof in dieser Entscheidung fest (Rz 47):

„Mit der Aufhebung der mit dem angefochtenen Erkenntnis erfolgten Behebung des Bescheides des Bauausschusses vom 28. Februar 2013, der ex‑tunc‑Wirkung zukommt (§ 42 Abs. 3 VwGG; vgl. auch VwGH 17.12.2015, 2013/05/0142, ua, mwN), liegt im Zeitpunkt der mit dem angefochtenen Erkenntnis erfolgten Aufhebung des Bescheides des Magistrates der Stadt Wien vom 13. März 2013 eine erstinstanzliche Ausnahmebewilligung nach § 69 BO für den Widerspruch des verfahrensgegenständlichen Bauvorhabens zu den Bestimmungen des maßgeblichen Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes über die zulässige bebaubare Fläche vor. Die allein wegen des Fehlens einer solchen Ausnahmebewilligung erfolgte Aufhebung des Bescheides des Magistrates der Stadt Wien vom 13. März 2013 erweist sich demnach als inhaltlich rechtswidrig.“

5 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichts wurden die Beschwerden u.a. der revisionswerbenden Parteien gegen die oben genannten Bescheide des Magistrats Wien vom 13. März 2013 und des Bauausschusses der Bezirksvertretung für den 22. Bezirk vom 28. Februar 2013 als unbegründet abgewiesen und die angefochtenen Bescheide mit der Maßgabe bestätigt, dass sie sich auf näher bezeichnete Einreichpläne bezögen. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass gegen diese Entscheidungen eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG unzulässig sei.

6 Mit Beschluss vom 29. September 2021, E 1376/2021‑5, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der von den beiden revisionswerbenden Parteien gegen diese Entscheidung erhobenen Beschwerde ab und trat diese unter einem dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

7 In der Folge erhoben die beiden Revisionswerberinnen die vorliegende gemeinsame Revision.

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

11 Die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision erfolgt ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung (vgl. für viele etwa VwGH 2.3.2021, Ra 2019/06/0022, oder auch 13.1.2021, Ra 2020/05/0239, jeweils mwN). Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit einer Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. VwGH 26.11.2020, Ra 2020/06/0189, oder auch 31.8.2020, Ra 2020/05/0118, jeweils mwN).

12 Wenn die Revision zu ihrer Zulässigkeit mit näheren Ausführungen vorbringt, es handle sich bei dem Bescheid vom 28. Februar 2013 in Ermangelung der Bezeichnung von Name und Unterschrift des Genehmigenden bzw. in Ermangelung einer Beglaubigung durch die Kanzlei um einen „Nicht‑Bescheid“, weshalb die angefochtene Entscheidung rechtswidrig ergangen sei, so erweist sie sich zu dieser Frage zum Einen nicht als gesetzmäßig ausgeführt, da die Zulässigkeitsbegründung in diesem Punkt mit den korrespondierenden Revisionsgründen im Wesentlichen wortident ist (vgl. VwGH 3.10.2022, Ra 2022/06/0190). Zum anderen erweist sich dieses Vorbringen, dem überdies das Neuerungsverbot des § 41 VwGG entgegensteht, im Lichte der im Verwaltungsakt erliegenden, vom Vorsitzenden des Bauausschusses unterschriebenen Abschrift des Bescheides des Bauausschusses für den 22. Bezirk vom 28. Februar 2013 als aktenwidrig und wäre daher auch aus diesem Grund nicht geeignet, das Vorliegen einer grundsätzlichen Rechtsfrage aufzuzeigen.

13 Soweit die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung weiters vorbringt, das Verwaltungsgericht sei von näher genannter Rechtsprechung zu § 69 BO für Wien abgewichen, so genügt das dazu erstattete, pauschale Vorbringen den Anforderungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht. Neben der ‑ im vorliegenden Fall zwar erfolgten ‑ Angabe der nach Datum und Geschäftszahl bezeichneten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes, von welchen das Verwaltungsgericht nach Ansicht der revisionswerbenden Parteien abgewichen sein soll (vgl. dazu etwa VwGH 25.2.2021, Ra 2018/06/0168, oder auch 29.1.2021, Ra 2020/05/0257, jeweils mwN), wäre konkret darzulegen gewesen, dass der der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt einer der von den revisionswerbenden Parteien pauschal ins Treffen geführten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes gleicht, das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Fall dennoch anders entschieden hat und damit von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist (vgl. dazu etwa VwGH 14.5.2021, Ra 2021/05/0074, oder erneut 29.1.2021, Ra 2020/05/0257, jeweils mwN). Derartige Ausführungen finden sich in der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision, die nur ganz allgemein und ohne jeglichen Bezug zum gegenständlichen Verfahren vorbringt, die Voraussetzungen zur Erteilung einer Ausnahmebewilligung seien nicht vorgelegen, jedoch nicht.

14 Das oben Gesagte gilt gleichermaßen für das ebenso pauschal gehaltene Vorbringen, es schiene, als habe das Verwaltungsgericht eine falsche Fassung der §§ 78 und 79 BO für Wien dem Erkenntnis zugrundegelegt und sei dazu von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Diesen Ausführungen fehlt ebenfalls jegliche Darlegung, dass der der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt der ins Treffen geführten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 79 BO für Wien gleicht, das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Fall dennoch anders entschieden hat und damit von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist (vgl. dazu erneut VwGH 14.5.2021, Ra 2021/05/0074, oder nochmals 29.1.2021, Ra 2020/05/0257, jeweils mwN).

15 Wenn die Revision in diesem Zusammenhang vermeint, der Schattenwurf bei einem Lichteinfall von 45 Grad sei unrichtig angenommen worden, macht sie einen Feststellungsmangel geltend. Dazu ist zu bemerken, dass Rechtsfragen des Verfahrensrechtes nur dann grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG zukommt, wenn tragende Grundsätze des Verfahrensrechtes auf dem Spiel stehen oder die in der angefochtenen Entscheidung getroffene Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre, wozu kommt, dass auch die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels dargelegt werden muss (vgl. VwGH 23.1.2018, Ra 2018/05/0002, mwN). Dabei muss nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch schon in der abgesonderten Zulassungsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für die Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt (in Bezug auf Feststellungsmängel) voraus, dass ‑ auf das Wesentliche zusammengefasst ‑ jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 26.9.2022, Ra 2022/05/0130, mwN). Eine solche konkrete und fallbezogene Relevanzdarstellung lässt die Revision mit ihrem pauschal gehaltenen Vorbringen jedoch vermissen.

16 Wenn die Revision des Weiteren zur Begründung ihrer Zulässigkeit vermeint, das Verwaltungsgericht sei von näher genannter Judikatur zu Bestimmungen über die Gebäudehöhe abgewichen, dann ist dem Folgendes entgegenzuhalten:

17 Jeder Nachbar kann die Nachbarrechte gemäß § 134a BO für Wien nur so weit geltend machen, als er ‑ insbesondere im Hinblick auf die Situierung des Bauvorhabens ‑ durch ihre Nichteinhaltung betroffen wäre, nicht jedoch, wenn nur andere Nachbarn davon betroffen wären. Daher kann er hinsichtlich der Gebäudehöhe nur die Einhaltung dieser Rechte an der seiner Liegenschaft zugekehrten Front geltend machen (vgl. VwGH 30.7.2019, Ra 2018/05/0273).

18 Bei der Berechnung der Gebäudehöhe nach § 81 Abs. 2 BO für Wien ist grundsätzlich von einer Höhe des anschließenden Geländes auszugehen, wie es nach dem Bauvorhaben zum Zeitpunkt der Bauführung vorhanden sein wird, also wie es sich nach dem Projekt darstellt (vgl. VwGH 26.4.2017, Ro 2014/05/0051).

19 Ist mit der Errichtung eines Bauvorhabens eine Geländeänderung verbunden, so ist zu prüfen, ob diese in Bezug auf die Gebäudehöhe von Einfluss auf die benachbarte Grundfläche oder deren widmungsgemäße Verwendung ist (vgl. VwGH 16.3.2012, 2009/05/0037).

20 Das Verwaltungsgericht hielt ‑ soweit für das vorliegende Verfahren wesentlich ‑ fest, dass gemäß § 81 Abs. 2 BO für Wien in Verbindung mit dem Plandokument 7570 die zulässige Gebäudehöhe mit 6,50 m für Bauklasse I festgelegt sei. Es seien Anschüttungen projektiert, das Bauvorhaben weise eine mittlere ausgeführte Gebäudehöhe mit Bezug auf das nach der Bauführung vorhandene Gelände von 5,91 m auf. Auf das Gelände vor den Anschüttungen bezogen liege die mittlere Gebäudehöhe bei 6,38 m; auch diese liege unter der höchst zulässigen Höhe von 6,50 m. Aus dem vorliegenden Belichtungsnachweis ergebe sich, dass das unmittelbar an die projektgegenständliche Liegenschaft im Norden angrenzende Grundstück der Erstrevisionswerberin in dessen Bebaubarkeit nicht beeinträchtigt werde. Vor diesem Hintergrund gelingt es der Revision, die nur mit allgemeinem Vorbringen eine unzulässige Geländeveränderung rügt, nicht, aufzuzeigen, dass das Verwaltungsgericht von der oben zitierten Rechtsprechung abgewichen wäre.

21 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 23. Jänner 2023

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