VwGH Ro 2019/04/0234

VwGHRo 2019/04/023422.3.2023

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofrätin Mag. Hainz‑Sator und den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Vonier, über die Revision der G GmbH in W, vertreten durch die Dorda Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Universitätsring 10, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Oktober 2019, Zl. W131 2222178‑2/31E, betreffend vergaberechtliche Nachprüfung (mitbeteiligte Parteien: 1. Bund, Bundesbeschaffung GmbH, vertreten durch die Finanzprokuratur in 1011 Wien, Singerstraße 17‑19; und 2. P GmbH in W, vertreten durch die E+H Rechtsanwälte GmbH in 1100 Wien, Wienerbergstraße 11), den Beschluss gefasst:

Normen

BVergG 2018 §104
BVergG 2018 §104 Abs1
BVergG 2018 §20
BVergG 2018 §20 Abs1
B-VG Art133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RO2019040234.J00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 1. Die erstmitbeteiligte Partei (Auftraggeberin) führte beginnend mit Juli 2019 ein offenes Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung betreffend „Kinderimpfstoffe ‑ Pneumokokken (13‑valent)“.

2 Mit Schriftsatz vom 8. August 2019 beantragte die Revisionswerberin unter anderem die Nichtigerklärung der Ausschreibungsunterlagen bzw. die Streichung von Teilen daraus. Dies wurde damit begründet, dass in der Ausschreibung lediglich ein 13‑valenter Impfstoff zugelassen werde. Damit dürfe nur ein Impfstoff, der Antigene gegen 13 Serotypen der Pneumokokken enthalte, angeboten werden. Dadurch werde der Kreis der möglichen Bieter auf jene eingeschränkt, die einen solchen 13‑valenten Impfstoff anbieten könnten. Das sei derzeit ein Bieter, nämlich der Hersteller des Impfstoffs „P [...]“. Hierfür bestünden aber keine sachlichen Rechtfertigungsgründe.

3 2.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 3. Oktober 2019 stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, dass die zweitmitbeteiligte Partei insoweit Einwendungspartei und damit Verfahrenspartei des Nachprüfungsverfahrens gemäß § 346 Abs. 2 und Abs. 3 BVergG 2018 sei, als darin die Frage des Erfordernisses eines 13‑valenten Impfstoffs als zulässig zu erörtern sei (Spruchpunkt A)I.).

4 Dem Nachprüfungsantrag, die Ausschreibungsunterlagen bzw. einzelne Teile davon für nichtig zu erklären, wurde teilweise stattgegeben und in den Allgemeinen Ausschreibungsbestimmungen wurden näher bezeichnete Wortfolgen in Zusammenhang mit der Preistransparenz gestrichen (Spruchpunkte A)II.1. bis II.3). Das darüber hinausgehende Mehrbegehren des Nichtigerklärungsantrages „inklusive des diesbezüglichen darüber hinausgehenden Eventualbegehrens“ wurde abgewiesen (Spruchpunkt A)III.).

5 Die Revision gegen die Spruchpunkte A)I. und A)II. erklärte das Bundesverwaltungsgericht für zulässig. Die Revision gegen Spruchpunkt A)III. wurde hingegen für nicht zulässig erklärt.

6 2.2. In der Begründung stellte das Bundesverwaltungsgericht nach Darstellung des Verfahrensganges zunächst fest, dass qualitativ die Immunisierungseignung des Impfstoffes in Bezug auf 13 Pneumokokken‑Serotypen verlangt werde. Unter „Serotyp“ sei eine Variation innerhalb von Subspezies von Bakterien oder Viren zu verstehen, die mit serologischen Tests unterscheidbar seien. Neben dem ‑ gegen 13 Serotypen immunisierenden ‑ Impfstoff gebe es für Österreich einen zweiten für Kinder zugelassenen Lungenentzündungsimpfstoff, der jedenfalls in Zusammenhang mit zehn bestimmten Pneumokokken‑Serotypen immunisiere. Letzterer Impfstoff sei auf Basis der aktuellen Ausschreibung nach dem eigenen Vorbringen der Revisionswerberin ausschreibungswidrig. Die Revisionswerberin räume insoweit ein, dass der zehnvalente Impfstoff S jedenfalls nicht gegen den Serotyp 6A immunisiere.

7 In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass es grundsätzlich Sache des öffentlichen Auftraggebers sei, die Mindestanforderungen der Leistung, die er beschaffen will, festzulegen. Der von der zweitmitbeteiligten Partei angebotene Impfstoff werde am Markt als 13‑valenter Impfstoff zur Immunisierung gegen 13 verschiedene Typen von Pneumokokken gehandelt, während der von der Revisionswerberin üblicherweise vertriebene Impfstoff als solcher gehandelt werde, bei dem eine Immunisierung gegen zehn verschiedene Serotypen (jedenfalls) stattfinde.

8 Damit werde evident, dass der 13‑valente Impfstoff einen Mehrwert habe, weil er als solcher gegen 13 (und nicht bloß zehn) Serotypen immunisierend am Markt eingeführt sei. Die Revisionswerberin räume insoweit selbst ein, dass der zehnvalente Impfstoff S keinesfalls gegen den Serotyp 6A immunisiere. Es erscheine daher sachlich, nicht diskriminierend bzw. nicht willkürlich (und damit vergaberechtskonform), wenn gegenständlich die Auftraggeberseite als Mindestanforderung einen 13‑valenten Impfstoff ausschreibe. Sie stelle damit sicher, dass betreffend die geimpften Kinder gesagt werden könne, sie wären qualitativ mit einem Impfstoff geimpft worden, der bei den am Markt verfügbaren Produkten die größtmögliche Immunisierung bewirke. Diesen möglichen „Zusatznutzen“ bestreite auch die Revisionswerberin nicht substantiiert.

9 Die Auftraggeberseite vermeide damit aber den Vorwurf, dass sie Produkte beschaffen würde, die nicht das leisten, was am Markt für den Gesundheitsschutz bereits verfügbar sei. Ihr würde vorgeworfen, sie möchte nur Impfstoff zur Immunisierung gegen zehn Serotypen beschaffen, während es doch bereits einen 13‑valenten Impfstoff gebe. Dementsprechend sei das Mehrbegehren des Nachprüfungsantrages samt den Eventualbegehren abseits der Teilstattgabe abzuweisen gewesen.

10 Die Zulässigkeit der Revision gegen Spruchpunkt A)II. begründete das Bundesverwaltungsgericht damit, dass gefestigte Rechtsprechung zur Frage fehle, ob die Preistransparenzvorschrift in § 133 Abs. 5 BVergG 2018 den faktischen Geheimhaltungsinteressen der Auftraggeberseite bzw. anderer Unternehmer betreffend den Konkurrenzpreis dieser anderen Unternehmer im Angebotseröffnungsprotokoll bzw. danach im weiteren Vergabeverfahren jedenfalls vorgehe.

Zur Nichtzulassung der Revision gegen Spruchpunkt A)III. führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass nach der insoweit „eindeutigen und einhelligen“ Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein vergaberechtsgebundener Auftraggeber im Rahmen der Sachlichkeit jedenfalls jene Leistung beschaffen könne, die er mit seinen Mindestanforderungen so beschreibe, wie er die Leistungen eben haben wolle.

11 3. Gegen die Spruchpunkte A)II. und A)III. dieses Erkenntnisses richtet sich die vorliegende Revision.

12 Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet.

13 4. Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

14 Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

15 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

16 5. Die Revision wendet sich in ihrem Zulässigkeitsvorbringen gegen Spruchpunkt A)III. (zu Spruchpunkt A)II. wird kein Zulässigkeitsvorbringen erstattet, weshalb sich die Revision in diesem Punkt schon deshalb als unzulässig erweist) und rügt, dass in der Ausschreibung ausschließlich ein 13‑valenter Impfstoff zugelassen worden sei und damit der Kreis der möglichen Bieter auf jenen eingeschränkt werde, der einen solchen 13‑valenten Impfstoff anbieten könne. Das sei ausschließlich der Hersteller des Impfstoffes P. Der Revisionswerberin werde dadurch die Möglichkeit genommen, ein erfolgsversprechendes Angebot zu legen, weil sie nur einen zehnvalenten Impfstoff in ihrem Sortiment habe. Hierfür bestünden aber keine sachlichen Rechtfertigungsgründe. Ausschreibungen von Kinder‑Impfstoffen fänden in regelmäßigen Abständen von drei Jahren statt. Die nunmehrige Rahmenvereinbarung werde für 48 Monate abgeschlossen. Das bedeute nicht nur, dass der Markt für Pneumokokkenimpfstoffe für die Revisionswerberin für die nächsten 48 Monate abgeschottet sei, sondern auch, dass sich dieselbe Problematik (unsachlicher Ausschluss der Revisionswerberin) bei der nächsten Ausschreibung wiederholen werde. Ferner sei zu bedenken, dass durch diese (unzutreffende) Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ‑ unreflektiert und unter Umständen unbewusst ‑ ein Präjudiz für sämtliche Arzneimittelausschreibungen geschaffen werde.

17 Durch die Einschränkung auf einen 13‑valenten Impfstoff komme es auf Bieterseite zwangsläufig zu einer Monopolstellung, weil es nur einen einzigen Anbieter eines 13‑valenten Impfstoffes gebe. Durch diese Einschränkung in den Ausschreibungsunterlagen werde keinerlei Wettbewerb zugelassen. Es liege keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vor, die einen kompletten Ausschluss aller anderen Bieter als rechtmäßig anerkannt habe. Auch gäbe es keinen nachgewiesenen wissenschaftlichen Vorteil des 13‑valenten Impfstoffes bezüglich der Erkrankungsfallzahlen. Vor diesem Hintergrund sei es für andere Impfstoff- und Arzneimittelausschreibungen von zentraler Bedeutung, ob der Vergabewettbewerb ohne belastbare Nachweise so ausgeschrieben werden dürfe, dass bestimmte Bieter vom Vergabeverfahren ausgeschlossen seien oder zumindest wesentliche Wettbewerbsnachteile hätten. Dies laufe nicht nur dem Zweck des Vergaberechts diametral entgegen, sondern sei auch wirtschaftlich für den Auftraggeber wenig sinnvoll.

18 Die angefochtene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts widerspreche der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die ausgeschriebene Leistung nicht so ausgeschrieben werden dürfe, dass bestimmte Bieter von vornherein Wettbewerbsvorteile genießen würden. Das Vergaberecht fordere in diesem Zusammenhang, dass die Spezifikationen es erlauben müssten, das öffentliche Auftragswesen für den Wettbewerb zu öffnen. Dies sei im gegenständlichen Fall nicht erfolgt, was das Bundesverwaltungsgericht aber nicht aufgegriffen habe.

19 Die Auftraggeberin habe durch ihre Festlegungen in der Ausschreibung und der daraus resultierenden Folge, dass nur ein einziger Bieter ein ausschreibungskonformes Angebot abgeben könne, ihr Ermessen bei der Gestaltung der Ausschreibung in einer unvertretbaren Weise ausgeübt. Dafür fehle eine stichhaltige Begründung und liege mit dem Produkt der Revisionswerberin eine Alternative vor. In den Ausschreibungen eines Pneumokokkenimpfstoffes in den Jahren 2013 und 2016 hätte sowohl der zehnvalente als auch der 13‑valente Impfstoff angeboten werden können. In der unrichtigen Ermessensausübung manifestiere sich auch eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, die nicht nur im konkreten Fall, sondern auch für alle zukünftigen Impfstoff- bzw. Arzneimittelausschreibungen entscheidungsrelevant sein werde. Dazu gäbe es keine einschlägige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. sei das Bundesverwaltungsgericht ohne tragfähige Begründung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in vergleichbaren Sachverhalten abgewichen.

20 Eine weitere Rechtsfrage wesentlicher Bedeutung liege in der unzulässigen Abweichung vom Grundsatz der Produktneutralität, weil faktisch ein Produkt, nämlich ausschließlich der einzige in Österreich am Markt erhältliche 13‑valente Impfstoff, ausgeschrieben worden sei. Andere Impfstoffe könnten nach den Festlegungen der Ausschreibungsunterlage nicht angeboten werden. Die Verpflichtung des Auftraggebers zur sogenannten produktneutralen Ausschreibung sei Ausfluss des Wettbewerbsgrundsatzes. Es sollten möglichst viele Bieter ihre Erzeugnisse anbieten können. Des Weiteren diene diese Verpflichtung der Durchsetzung der Warenverkehrsfreiheit. Das Bestimmungsrecht des Auftraggebers sei nicht grenzenlos. Vielmehr komme es auf die Abgrenzung zwischen dem Gebot der produktneutralen Ausschreibung und dem Bestimmungsrecht des Auftraggebers an. Die Anforderung müsse objektiv auftrags- und sachbezogen sein. Ebenso müsse die Begründung nachvollziehbar sein. Dazu gäbe es in Österreich keine einschlägige Rechtsprechung.

21 Nachdem im vorliegenden Fall nur ein bestimmter 13‑valenter Impfstoff (nämlich der Impfstoff P) geliefert werden könne, komme es zu einem kompletten Ausschluss des Wettbewerbs. Dies sei weder aus vergaberechtlicher noch aus wettbewerbsrechtlicher Sicht gewünscht und sei auch aus medizinischer Sicht nicht geboten. Da das Bundesverwaltungsgericht die „monopolistische“ Ausschreibung ‑ entgegen der Rechtsprechung des EuGH ‑ gebilligt habe, bliebe die Situation bestehen, dass die Revisionswerberin kein ausschreibungskonformes Angebot habe legen können.

22 Schließlich liege keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Wirkung des Impfplanes auf Vergabeverfahren und sonstige behördliche Verfahren vor. Dem österreichischen Impfplan 2019, der von einer öffentlichen Stelle herausgegeben und veröffentlicht werde, komme im gegenständlichen Verfahren eine bindende Wirkung zu. Davon dürfe nur auf Grund von sachlich gerechtfertigten, objektiven und plausiblen Gründen abgewichen werden. Hinsichtlich der Immunisierung gegen Pneumokokken lege der Impfplan fest, dass für Kinder zwei Konjugatimpfstoffe, ein zehnvalenter und ein 13‑valenter Impfstoff, zugelassen seien. Somit sei klar erkennbar und völlig unbestreitbar, dass das den Impfplan erstellende Expertengremium von einer Gleichwertigkeit der beiden Impfstoffe ausgehe. Beim Impfplan handle es sich um für die Auftraggeberin verbindliche Empfehlungen. Dieser enthalte ganz klar verbindliche Festlegungen betreffend Impfungen. Zudem treffe er auch entsprechende Festlegungen, mit welchen Impfstoffen die Impfung zu erfolgen habe. Genau aus diesem Grund erwähne der Impfplan den zehnvalenten und den 13‑valenten Impfstoff als gleichwertig. Diese Sichtweise bestätige auch das Österreichische Lebensmittelbuch, ein ebenfalls von Experten erstelltes und von einer öffentlichen Stelle herausgegebenes Dokument. Das Österreichische Lebensmittelbuch lege Beurteilungsgrundsätze sowie Richtlinien für das Inverkehrbringen von gewissen Waren fest. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes könne das Lebensmittelbuch insbesondere auch als „Anhalt“ herangezogen werden. Es bestünden zwischen dem Impfplan und dem Lebensmittelbuch Parallelitäten. Demnach könne auch der Impfplan, da er wie das Lebensmittelbuch auch von Experten erstellt werde, jedenfalls als Richtschnur herangezogen werden, wenn er nicht sogar „Erlasscharakter“ habe, und wäre ein Abgehen davon ‑ wenn überhaupt zulässig ‑ zumindest zu begründen. Hätte das Bundesverwaltungsgericht den Impfplan auch nur als bloße Richtlinie bzw. als Beurteilungsgrundsatz herangezogen, dann wäre es zum Ergebnis gelangt, dass es bei der gegenständlichen Ausschreibung einer ausreichenden sachlichen Begründung für die Einschränkung auf einen 13‑valenten Impfstoff bedurft hätte.

23 6. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es grundsätzlich Sache des öffentlichen Auftraggebers, die Mindestanforderungen der Leistung, die er beschaffen will, festzulegen. Wesentlich ist jedoch in Hinblick auf die Gleichbehandlung der Bieter, dass die vom öffentlichen Auftraggeber ausgeschriebenen Leistungen eindeutig, vollständig und neutral beschrieben sind bzw. nicht so umschrieben sind, dass bestimmte Bieter von vornherein Wettbewerbsvorteile genießen (vgl. VwGH 26.2.2014, 2011/04/0168, sowie VwGH 9.9.2015, Ra 2014/04/0036, jeweils mwN).

24 Wie der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang auch bereits ausgesprochen hat, besteht insbesondere im Kontext eines einheitlichen Binnenmarktes mit echtem Wettbewerb für das Unionsrecht ein Interesse daran, dass die Beteiligung möglichst vieler Bieter an einer Ausschreibung sichergestellt wird (vgl. VwGH 18.6.2012, 2010/04/0011, mwN).

25 Es trifft daher zum einen nicht zu, dass im vorliegenden Fall keine einschlägige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bestehe. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass noch über keinen konkreten Fall wie den vorliegenden höchstgerichtlich entschieden wurde. Durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist als Leitlinie vorgegeben, dass der Auftraggeber bei der Festlegung des Leistungsgegenstandes grundsätzlich frei ist, soweit er das Diskriminierungsverbot sowie die Grundsätze des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs und den Wettbewerbsgrundsatz beachtet (vgl. in diesem Sinn Heid/Kurz in Heid/Preslmayer [Hrsg.], Handbuch Vergaberecht4 [2015] Rz. 1187 mwN).

26 Zum anderen vermag die Revision mit ihrem Vorbringen auch nicht darzutun, dass die betreffenden Festlegungen in den Ausschreibungsunterlagen den Spielraum der Auftraggeberin überschreiten würden und dass damit die angefochtene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts von den wiedergegebenen Leitlinien abweichen würde.

27 Das Bundesverwaltungsgericht verwies in seiner Begründung darauf, dass der 13‑valente Impfstoff gegen 13 und nicht bloß gegen zehn Serotypen wirke und der zehnvalente Impfstoff S keinesfalls gegen den Serotyp 6A immunisiere. Folglich sei es ‑ so das Bundesverwaltungsgericht ‑ weder unsachlich noch diskriminierend, wenn in der Ausschreibung als Mindestanforderung ein 13‑valenter Impfstoff verlangt werde. Vielmehr würden die Kinder damit qualitativ mit einem Impfstoff geimpft werden, der von den am Markt verfügbaren Produkten die größtmögliche Immunisierung bewirke.

28 Die hier vorgenommene Wertung, wonach dem ‑ für den 13‑valenten Impfstoff sprechenden ‑ Gesundheitsschutz von Kindern ein besonders hoher Stellenwert zukomme, ist nicht zu beanstanden und kann folglich der Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts, dass die (damit einhergehende) Einschränkung des Bieterkreises im vorliegenden Fall sachlich begründet sei, nicht entgegengetreten werden (vgl. zur Grundrechtsdimension des Gesundheitsschutzes Heselhaus/Novak (Hrsg.], Handbuch der Europäischen Grundrechte2 [2020] 1566 ff).

Wenn mit dem Vorbringen, wonach keine Vorteile des 13‑valenten Impfstoffes bestünden, der Sache nach die dieser Feststellung zugrunde liegende Beweiswürdigung bekämpft werden soll, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur vorliegt, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 21.12.2022, Ra 2022/19/0312, mwN). Eine derartige Unvertretbarkeit vermag die Revision im vorliegenden Fall nicht aufzuzeigen.

29 Soweit die Revision auf den Österreichischen Impfplan verweist, ist ihr zu entgegnen, dass diesem keine normative Wirkung gegenüber der Auftraggeberin zukommt. Der (von einem Expertengremium und dem zuständigen Bundesministerium erarbeitete) Impfplan soll einen Überblick über zur Verfügung stehende Impfungen geben und für diese einheitliche und evidenzbasierte Empfehlungen aussprechen. Wenngleich auch der zehnvalente Impfstoff in diesem Impfplan angeführt wird, kann daraus keine bindende Vorgabe für die Beschaffung des Impfstoffes abgeleitet werden (vgl. zur Beschaffung von Impfstoffen im Rahmen staatlicher Impfprogramme weiterführend Stöger, RdM 2019, 15, wo im Ergebnis auch der relativ große Spielraum bei der Beschaffungsentscheidung betont wird).

30 Auch der Anregung der Revisionswerberin, die Frage an den EuGH zu richten, ob es mit Art. 18 und Art. 42 Abs. 2 der Richtlinie 2014/24/EU vereinbar sei, wenn die Auftraggeberin ‑ ohne sachliche Rechtfertigung ‑ die Ausschreibung und deren technische Spezifikationen so gestalte, dass nur eine Partei ein Angebot habe legen könne, weil ausschließlich ein 13‑valenter Impfstoff zugelassen werde, war nicht nachzukommen, weil im vorliegenden Fall ‑ wie oben dargelegt ‑ schon die Prämisse der Fragestellung („ohne sachliche Rechtfertigung“) nicht gegeben ist.

31 7. In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

32 Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 22. März 2023

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