VwGH Ra 2022/20/0146

VwGHRa 2022/20/014626.7.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Herrmann‑Preschnofsky, in der Rechtssache der Revision des B W in L, vertreten durch Mag. Susanne Singer, Rechtsanwältin in 4600 Wels, Ringstraße 9, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. März 2022, W123 2234806‑1/6E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

BFA-VG 2014 §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022200146.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Sierra Leone, stellte erstmals am 21. Juli 2017 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).

2 Mit Erkenntnis vom 3. März 2018 wies das Bundesverwaltungsgericht diesen Antrag ‑ im Beschwerdeverfahren ‑ gem. § 5 AsylG 2005 zurück.

3 Am 28. November 2019 stellte der Revisionswerber den gegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz und begründete diesen mit einer Verfolgungsgefahr durch Mitglieder einer Geheimgesellschaft aus seinem Dorf.

4 Mit Bescheid vom 20. Juli 2020 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Folgeantrag ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigenden Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Sierra Leone zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Revisionswerbers ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

6 Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht ‑ wie schon die belangte Behörde, deren tragenden beweiswürdigenden Überlegungen sich das Verwaltungsgericht anschloss ‑ aus, dem Revisionswerber sei es nicht gelungen, sein Fluchtvorbringen glaubhaft zu machen.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 Die Revision stützt ihre Zulässigkeit ausschließlich darauf, dass das Bundesverwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Verhandlungspflicht gemäß § 21 Abs. 7 BFA‑Verfahrensgesetz (BFA‑VG) abgewichen sei.

11 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Absehen von der mündlichen Verhandlung gemäß dem ‑ hier maßgeblichen ‑ ersten Tatbestand des ersten Satzes des § 21 Abs. 7 BFA‑Verfahrensgesetz (BFA‑VG) („wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint“) dann gerechtfertigt, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA‑VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen (vgl. grundlegend VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017, 0018, Pkt 5.12.; aus der jüngeren Rechtsprechung etwa VwGH 11.10.2021, Ra 2021/20/0021 bis 0022, mwN).

12 Die Revision zeigt mit ihrem Vorbringen, der Revisionswerber habe in seiner Beschwerde die Begründung der belangten Behörde substantiiert bekämpft, insbesondere die Rechercheergebnisse des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl als zu pauschal kritisiert, die Echtheit und die Richtigkeit des vom Revisionswerber vorgelegten Zeitungsartikels thematisiert und es habe das Bundesverwaltungsgericht dazu auch eine eigenständige Beweiswürdigung getroffen, nicht auf, dass das Bundesverwaltungsgericht im vorliegenden Fall von den dargelegten Leitlinien abgewichen wäre.

13 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stützte seine Schlussfolgerung, der Revisionswerber habe eine Verfolgungsgefahr in seinem Heimatstaat nicht glaubhaft machen können, mit näherer Begründung vornehmlich darauf, dass seine Angaben unglaubwürdig gewesen seien und der von ihm vorgelegte Zeitungsartikel zur Untermauerung der Verfolgung durch eine Geheimgesellschaft aufgrund der Ergebnisse der Recherche durch die Staatendokumentation und des Vertrauensanwalts eine Fälschung sei.

14 In der Beschwerde wurden ‑ entgegen den Behauptungen in der Zulässigkeitsbegründung der Revision ‑ keine substantiierten Tatsachenbehauptungen erhoben. Auch wurde die Beweiswürdigung der Behörde im Hinblick auf die Unglaubwürdigkeit der Angaben des Revisionswerbers gar nicht in Frage gestellt und hinsichtlich des vorgelegten Zeitungsartikels lediglich unsubstantiiert bestritten. Ausgehend vom Inhalt der Beschwerde zeigt der Revisionswerber eine zur Zulässigkeit der Revision führende Mangelhaftigkeit des Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht auf.

15 Auch dem sonstigen Zulässigkeitsvorbringen in der Revision ist nicht zu entnehmen, dass das Bundesverwaltungsgericht nach den hier maßgeblichen Bestimmungen verpflichtet gewesen wäre, eine Verhandlung durchzuführen. Soweit in der Revision ‑ abstellend auf ein (nach dem Gesagten gar nicht vorliegendes) substantiiertes Vorbringen in der Beschwerde im Zusammenhang mit dem erwähnten Zeitungsartikel ‑ ergänzende beweiswürdigende Argumente des Bundesverwaltungsgerichts ins Treffen geführt werden, ist dazu festzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Aufzeigen weiterer, von der Verwaltungsbehörde nicht aufgegriffener und somit erstmals thematisierter Aspekte die Verhandlungspflicht jedoch nur dann auslöst, wenn damit die tragenden verwaltungsbehördlichen Erwägungen nicht bloß unwesentlich ergänzt werden (vgl. VwGH 7.4.2022, Ra 2022/14/0051, mwN). Dass ein solcher Fall vorliegen würde, zeigt der Revisionswerber nicht auf. Die gerügten „eigenständigen“ beweiswürdigenden Überlegungen im angefochtenen Erkenntnis entsprechen nämlich denjenigen im angefochtenen Bescheid. Ausführungen in der Revision zu den Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts zur Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit des Herkunftsstaates erweisen sich vor dem Hintergrund mangelnder asylrelevanter Verfolgung des Revisionswerbers als nicht entscheidungswesentlich.

16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 26. Juli 2022

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