Normen
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022080112.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis stellte das Bundesverwaltungsgericht im Beschwerdeweg nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung fest, dass die erstmitbeteiligte Partei aufgrund der Tätigkeit als Speisenzusteller (insbesondere Pizzazusteller) für die revisionswerbende Partei vom 1. Mai 2008 bis zum 30. April 2009 als Dienstnehmer der Pflicht(voll)versicherung in der Kranken‑, Unfall‑ und Pensionsversicherung gemäß § 4 Abs. 1 und 2 ASVG sowie der Arbeitslosenversicherung gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterliege, und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.
2 Die revisionswerbende Partei erhob gegen dieses Erkenntnis zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 14. Juni 2022, E 1269/2022‑5, ablehnte und sie über nachträglichen Antrag der revisionswerbenden Partei mit Beschluss vom 23. Juni 2022, E 1269/2022‑7, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
3 Die hierauf ausgeführte außerordentliche Revision macht zu ihrer Zulässigkeit unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung geltend, das Bundesverwaltungsgericht habe sich in Bezug auf die Qualifikation der erstmitbeteiligten Partei als Dienstnehmer über „vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes“ hinweggesetzt. Der Verwaltungsgerichtshof habe mehrfach judiziert, dass es für die Beurteilung der Dienstnehmereigenschaft auf die konkreten Verhältnisse im Einzelfall ankomme. Insbesondere sei etwa zu klären, ob ein bestimmter Zusteller im konkreten Fall über eine eigene unternehmerische Organisation verfüge, ob er für mehrere Auftraggeber tätig sei, ob er selbst im geschäftlichen Verkehr werbend auftrete, ob er Mitarbeiter beschäftige, die für ihn tätig werden könnten, und ob er Aufträge an andere Unternehmer weitergeben oder nach Belieben ablehnen oder sich nach Belieben vertreten lassen könne.
4 Außerdem wird geltend gemacht, nach dem Erkenntnis VwGH 24.4.2014, 2013/08/0258, könne nicht von einer persönlichen Arbeitspflicht des einzelnen „angeblich Beschäftigten“ ausgegangen werden, wenn ein Auftraggeber einfache Tätigkeiten so organisiere, dass für deren Durchführung jederzeit mehrere abrufbare Arbeitskräfte zur Verfügung stünden und es ihm gleichgültig sei, von welcher gleichwertigen Arbeitskraft aus dem potentiell zur Verfügung stehenden Kreis er die Arbeiten durchführen lasse, zumal der Auftraggeber dann ja nicht mehr darauf bauen und danach disponieren könne, dass seine Arbeitskraft an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit zur Verfügung stehe. Im vorliegenden Fall lägen genau diese Voraussetzungen vor; auch darüber habe sich das Bundesverwaltungsgericht hinweggesetzt.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Mit dem oben wiedergegebenen Zulässigkeitsvorbringen zur Dienstnehmereigenschaft geht die Revision völlig darüber hinweg, dass das Bundesverwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis zu all diesen Fragen detaillierte Feststellungen getroffen hat, und zwar ganz konkret bezogen auf die Beschäftigung der erstmitbeteiligten Partei als Speisenzusteller im Unternehmen der revisionswerbenden Partei im genannten Zeitraum. Das Bundesverwaltungsgericht hat dazu nicht nur die erstmitbeteiligte Partei eingehend befragt, sondern auch mehrere weitere für das Unternehmen der revisionswerbenden Partei tätig gewesene Zusteller sowie einen Prokuristen der revisionswerbenden Partei als Zeugen einvernommen. Eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zeigt die Revision somit insoweit nicht auf.
9 Die weitere Behauptung der Revision, im vorliegenden Fall lägen genau jene Voraussetzungen vor, unter denen nach dem Erkenntnis VwGH 24.4.2014, 2013/08/0258, keine persönliche Arbeitspflicht der einzelnen „angeblich Beschäftigten“ anzunehmen sei, worüber sich das Bundesverwaltungsgericht hinweggesetzt habe, verkennt, dass das Bundesverwaltungsgericht zur Beurteilung der persönlichen Arbeitspflicht der erstmitbeteiligten Partei in sehr ausführlicher Weise Feststellungen getroffen und rechtliche Überlegungen angestellt hat. Insbesondere hat das Bundesverwaltungsgericht etwa festgehalten, dass in der Filiale, in der die erstmitbeteiligte Partei als Pizzazusteller tätig gewesen sei, kein hinreichend großer „Vertreterpool“ vorhanden gewesen sei, um von der Möglichkeit einer sanktionslosen Ablehnung der Übernahme von Zustellaufträgen ausgehen zu können. Dem hält die Revision nichts Stichhaltiges entgegen.
10 Insgesamt ist anzumerken, dass der Verwaltungsgerichtshof wiederholt in mit dem vorliegenden vergleichbaren Fällen ausgesprochen hat, dass bei der Tätigkeit eines „Pizzazustellers“, bei der es sich um eine einfache manuelle Tätigkeit ohne einen ins Gewicht fallenden Gestaltungsspielraum in Bezug auf Arbeitsausführung und Verwertbarkeit handle, vom Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit und damit von einem (echten) Dienstverhältnis im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG auszugehen sei (vgl. zuletzt den die auch hier revisionswerbende Partei betreffenden Beschluss VwGH 24.2.2022, Ra 2020/08/0138, mwN).
11 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 25. August 2022
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