VwGH Ra 2022/05/0158

VwGHRa 2022/05/015824.11.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner und die Hofrätinnen Mag. Liebhart‑Mutzl und Dr.in Sembacher als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, über die Revision der I B in T, vertreten durch die K M R Rechtsanwaltssocietät Dr. Longin Josef Kempf, Dr. Josef Maier in 4722 Peuerbach, Steegenstraße 3, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 22. November 2021, LVwG‑100167/9/DM/MH, betreffend Übertretung des Oö. Abwasserentsorgungsgesetzes 2001 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen), den Beschluss gefasst:

Normen

AbwasserentsorgungsG OÖ 2001 §23 Abs1 Z2
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022050158.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft G. vom 18. Mai 2021 wurde über die Revisionswerberin eine Geldstrafe in der Höhe von € 400,00, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitstrafe von einem Tag und zehn Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 23 Abs. 1 Z 2 Oö Abwasserentsorgungsgesetz iVm § 15 und § 6 Abs. 4 der Kanalordnung der Marktgemeinde T. vom 12. Dezember 2002 verhängt sowie ein Verfahrenskostenbeitrag in der Höhe von € 40,00 vorgeschrieben. Der Revisionswerberin wurde dabei vorgeworfen, sie habe zumindest im Zeitraum vom 2. Februar 2020 bis zum 2. Februar 2021 die auf der näher genannten Liegenschaft anfallenden Drainagewässer „über die Hauskanalanlage in das öffentliche Kanalisationssystem der Marktgemeinde T[...] eingeleitet, obwohl Drainagewässer keine Abwässer sind und daher diese nach den Einleitungsbedingungen der Kanalordnung der Marktgemeinde T[...] nicht dem öffentlichen Kanalisationssystem zugeführt werden dürfen.“ Die Revisionswerberin habe den Einleitungsbeschränkungen der Marktgemeinde T. als Kanalisationsunternehmen zuwidergehandelt.

2 Dagegen erhob die Revisionswerberin Beschwerde, in der sie ausführte, der Gemeinde sei die Entwässerungs- und Abwassersituation rund um ihr Haus bekannt gewesen und sie habe fast zehn Jahre lang die Einleitung der Drainagegewässer geduldet; es liege eine konkludente Zustimmung der Kanalbetreiberin vor. Die Kanalordnung sei zudem erst nach Herstellung der Entwässerungsanlage und des Hauskanals beschlossen worden und könne nicht rückwirkend angewendet werden. Auch erfolge keine direkte Einleitung in das öffentliche Kanalsystem, sondern über den Hausstrang.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich (LVwG) wurde die Beschwerde der Revisionswerberin nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I.), der Revisionswerberin ein Beitrag zu den Kosten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens in der Höhe von € 80,00 vorgeschrieben (Spruchpunkt II.) und ausgesprochen, dass gegen diese Entscheidung eine Revision unzulässig sei (Spruchpunkt III.).

4 Das LVwG stellte fest, dass der Revisionswerberin und ihrem Lebensgefährten mit Bescheid vom 24. Oktober 2002 die Baubewilligung für die Errichtung eines Einfamilienhauses an einer näher genannten Adresse erteilt worden sei. Im bewilligten Bauplan sei eine Ringdrainage im Querprofil dargestellt, die Darstellung der Ableitung der Drainage fehle und die Einleitung von Drainagewässern in den Schmutzwasserkanal sei von dieser Baubewilligung nicht umfasst. Der Baubeginn sei mit 31. Jänner 2003 angezeigt worden. Die Kanalordnung der Marktgemeinde T. sei mit 1. Jänner 2003 in Kraft getreten. Im Zeitraum vom 2. Februar 2020 bis zum 2. Februar 2021 seien von der Liegenschaft der Revisionswerberin Drainagewässer in den Schmutzwasserkanal eingeleitet worden.

5 In seinen Erwägungen führte das LVwG ‑ soweit für das vorliegende Verfahren von Relevanz ‑ aus, dass nach § 6 Abs. 4 der Kanalordnung der Marktgemeinde T. Drainagewässer keine Abwässer seien und grundsätzlich nicht dem öffentlichen Kanalsystem zugeführt werden dürften. Zum Vorbringen der Revisionswerberin, der Bausachverständige habe im Baubewilligungsverfahren festgestellt, dass die anfallenden Dach- und Schmutzwässer, damit auch die Drainagewässer, in den Kanal eingeleitet würden, und der Baubeschreibung sei zu entnehmen, dass die gesamte Wasserbeseitigung des Objektes über den Ortskanal erfolge, führte das LVwG aus, dass die Baubewilligung selbst die Einleitung von Drainagewässern in den Schmutzwasserkanal nicht enthalte. Im Gutachten des Amtssachverständigen seien nur die anfallenden Dach‑ und Schmutzwässer, nicht aber die Einleitung der Drainagewässer in den öffentlichen Kanal angeführt. Die Revisionswerberin übersehe mit ihrem weiteren Vorbringen zur Bauverhandlung, dass am 1. Jänner 2003 die Kanalordnung in Kraft getreten sei, die Baubewilligung vom 24. Oktober 2002 keine Bewilligung der Einleitung der Drainagewässer enthalte und der Baubeginn am 31. Jänner 2003 angezeigt worden sei; die genannte Kanalordnung sei daher maßgeblich für die Einleitung von Wässern der Liegenschaft der Revisionswerberin in die öffentliche Kanalisationsanlage der Marktgemeinde T.. Auch das Vorbringen zum Gebührenbescheid vom 20. November 2005 hinsichtlich des Kanalanschlusses und der vorangegangenen Überprüfung führe zu keinem anderen Ergebnis. Zudem gehe auch das Vorbringen hinsichtlich der konkludenten Zustimmung ins Leere, da auch dann, wenn Baulichkeiten seit langer Zeit ohne entsprechende Bewilligung bestünden bzw. unbeanstandet blieben, dies nicht zu einer Ersitzung oder konkludentem Erwerb einer Baubewilligung führe. Aus diesem Grund gehe auch das Vorbringen zur konkludenten Zustimmung ins Leere. Auch sei der Revisionswerberin aufgrund ihrer bereits rechtskräftigen Verwaltungsstrafe zum selben Tatvorwurf für den Zeitraum 1. Jänner 2015 bis 10. November 2015 bewusst gewesen, dass die Drainagewässer rechtswidrig in die öffentliche Kanalisation eingeleitet würden. Die Revisionswerberin habe auch nicht glaubhaft machen können, dass sie kein Verschulden treffe. Die Geldstrafe sei zu Recht verhängt worden.

6 Dagegen erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung derselben mit Beschluss vom 14. Juni 2022, E 162/2022‑7, ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

7 Sodann wurde die vorliegende Revision eingebracht.

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11 Gemäß § 23 Abs. 1 Z 2 Oö. Abwasserentsorgungsgesetz 2001 ist strafbar, wer seine Abwässer entgegen den Einleitungsbedingungen in die öffentliche Kanalisation einleitet. Gemäß § 6 Abs. 4 der Kanalordnung der Marktgemeinde T. sind unverschmutzte Niederschlags- und Kühlwässer und gering verunreinigte Niederschlagswässer sowie Drainage-, Quell- und Grundwässer keine Abwässer und dürfen grundsätzlich nicht dem öffentlichen Kanalsystem zugeführt werden.

12 Die Revisionswerberin bringt in der Zulässigkeitsbegründung vor, die Einleitung der Drainagewässer sei mit der Baubewilligung „mitbewilligt“ worden. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes betrifft die Auslegung eines konkreten Bescheides nur den Einzelfall (vgl. VwGH 8.4.2021, Ra 2021/05/0051). Mit der bloßen Behauptung, die Einleitung von Drainagewässern sei „mitbewilligt“ worden, wird die Unvertretbarkeit dieser einzelfallbezogenen Auslegung nicht aufgezeigt, zumal sich das LVwG mit der Baubewilligung und auch mit dem Gutachten des Amtssachverständigen aus 2002, wonach die Drainagewässer nicht angeführt worden seien, auseinandergesetzt hat.

13 Wenn die Revision vorbringt, die Einbindung der Drainageleitung in das öffentliche Kanalsystem sei bereits 2002 und damit vor Inkrafttreten der Kanalordnung erfolgt, entfernt sie sich mit dieser bloßen, nicht näher begründeten Behauptung vom festgestellten Sachverhalt, wonach der Baubeginn aufgrund der Baubeginnsanzeige vom 27. Jänner 2003 mit 31. Jänner 2003 anzunehmen ist, und legt damit keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung dar. Ausgangspunkt der Prüfung, ob eine grundsätzliche Rechtsfrage vorliegt, ist der festgestellte Sachverhalt (vgl. VwGH 26.3.2021, Ra 2021/05/0043, 0044, mwN). Aus welchen Gründen die Frage des Baubeginns vom LVwG fallbezogen unvertretbar gelöst worden sein könnte, wird in der Zulässigkeitsbegründung nicht dargelegt; insofern erübrigt es sich auch, auf das Vorbringen der fehlenden Rechtsprechung zur Frage, ob die Baubeginnsanzeige oder die tatsächliche Einbindung für die Anwendbarkeit der Kanalordnung relevant sei, weiter einzugehen.

14 Wenn die Revision zur Zulässigkeit schließlich vorbringt, das LVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 32b Wasserrechtsgesetz 1959 (Verweis auf VwGH 21.2.1995, 94/07/0172; 24.3.2011, 2009/07/0153) abgewichen, zeigt sie nicht auf, inwiefern die dort beurteilten Sachverhalte mit dem Revisionssachverhalt derart vergleichbar sein sollten, dass von einer Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als Darlegung einer grundsätzlichen Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG gesprochen werden könnte.

15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 24. November 2022

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