European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022030191.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid der Abteilung 2 des Ausschusses der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 24. April 2017 wurde der Revisionswerber gemäß § 45 Abs. 1 RAO zum Verfahrenshilfeverteidiger in einem näher bezeichneten Strafverfahren vor dem Landesgericht für Strafsachen Graz bestellt.
2 Die erste Hauptverhandlung in diesem Strafverfahren fand am 15. Oktober 2018 statt. Das erstinstanzliche Strafurteil vom 25. Jänner 2019 wurde vom Obersten Gerichtshof mit Urteil vom 14. Jänner 2020 teilweise aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz zurückverwiesen. Die Hauptverhandlung im zweiten Rechtsgang fand ab dem 24. September 2020 statt.
3 Mit Eingabe vom 30. März 2021 beantragte der Revisionswerber eine Vergütung für seine im zweiten Rechtsgang erbrachten Leistungen (vom 24. September 2020 bis 30. März 2021) in Höhe von EUR 172.577,76.
4 Mit Bescheid der Abteilung 2 des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Steiermark vom 19. Oktober 2021 wurde diesem Antrag nur teilweise stattgegeben und eine Vergütung in Höhe von EUR 54.366,70 zuerkannt. Der Vorstellung des Revisionswerbers gegen diese Entscheidung gab der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Steiermark (Plenum) mit Bescheid vom 17. November 2021 keine Folge.
5 Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark mit dem angefochtenen Erkenntnis ab und erklärte die Revision für nicht zulässig.
6 Dabei legte es begründend ‑ wie schon der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Steiermark ‑ die Rechtsansicht zugrunde, die Frist nach § 16 Abs. 4 RAO beginne in jedem Verhandlungsjahr (gerechnet aber dem ersten Tag der Hauptverhandlung) neu zu laufen. In jedem Jahr müsse die Erheblichkeitsschwelle neu erreicht werden, um einen Vergütungsanspruch auszulösen. Daran ändere auch die teilweise Aufhebung des erstinstanzlichen Strafurteils durch den Obersten Gerichtshof und die Wiederholung der Hauptverhandlung nichts; die Jahresfrist sei weiterhin vom Beginn der Hauptverhandlung im ersten Rechtsgang zu berechnen.
7 Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Sie macht zur Zulässigkeit geltend, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob die Wendung „ab dem ersten von ihm geleisteten Verhandlungstag“ in § 16 Abs. 4 RAO dahin zu verstehen sei, dass auch bei einem weiteren Rechtsgang der erste Verhandlungstag des ersten Rechtsganges für die in § 16 Abs. 4 RAO normierte Jahresfrist maßgebend sei, oder aber, wie der Revisionswerber meine, diese mit dem ersten Verhandlungstag des zweiten Rechtsgangs neu zu laufen beginne.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Die Frage, ob die Voraussetzung des Art 133 Abs. 4 B‑VG, also eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu lösende Rechtsfrage daher in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ‑ auch nach Einbringung der Revision ‑ bereits geklärt, liegt keine Rechtsfrage (mehr) vor, der im Sinne des Art 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme (vgl. etwa VwGH 26.6.2014, Ra 2014/03/0005; VwGH 9.8.2021, Ro 2021/03/0007, mwN)
10 Hiervon ist im vorliegenden Fall auszugehen: Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem vergleichbaren Fall mit Erkenntnis vom heutigen Tag, Ra 2022/03/0098, ausgesprochen, dass das mit dem ersten Verhandlungstag in Gang gesetzte System der Vergütung nach § 16 Abs. 4 RAO im Sinne einer jahresweisen Betrachtung auch im zweiten Rechtsgang eines Strafverfahrens fortzusetzen ist. Zur Begründung wird gemäß § 43 Abs. 2 und Abs. 9 VwGG auf dieses Erkenntnis verwiesen. Ausgehend davon entsprach die vom Landesverwaltungsgericht Steiermark vertretene Rechtsansicht dem Gesetz.
11 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG zurückzuweisen.
Wien, am 20. September 2022
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